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Hirschhausens Hirnschmalz: Du schaffst das, glaub dir!

Eckart von Hirschhausen

Laut einem uralten Witz über die mangelnden Englischkenntnisse des Altkanzlers stellte sich Helmut Kohl einst einem Staatsgast mit den Worten vor: "You can say you to me!" Was er damals nicht wissen konnte: Genau das empfiehlt eine aktuelle Studie von Sozialpsychologen für den Umgang mit sich selbst. Man solle sich mit "you" anreden.

Wie so oft in der Medizin und Psychologie weiß man über die häufigsten Phänomene am wenigsten Bescheid. So geben 96 Prozent der ­Erwachsenen zu, dass sie ausführliche Selbst­gespräche führen, meistens im Stillen. Mit wem die restlichen vier Prozent reden, wenn schon nicht mit sich, ist leider unbekannt. Die spannende Frage der Forscher lautete: Macht es einen Unterschied, ob ich in der zweiten oder ­ersten Person zu mir spreche – mich also duze oder ichze? Dabei blieb eine im Deutschen ­beliebte Variante allerdings unbeleuchtet: So kenne ich mehr als zwei Personen, die über sich in der ­dritten Person sprechen. Und unter Chefärzten galt lange das "Wie geht es uns denn ­heute?" weniger dem Patienten als vielmehr dem Pluralis Majestatis des Chefs, der mit all den Anteilen seiner Persönlichkeit schon genug beschäftigt war.

Was sagen Sie zu sich selbst?

  1. A) Hallo du!
  2. B) Ich kenn Sie von irgendwoher!
  3. C) Eure Exzellenz!
  4. D) Verzeihen Sie, dass ich störe.

Die Studierenden im Experiment sollten sich selbst anfeuern für so knifflige Aufgaben wie das Lösen eines Anagramm-Rätsels oder eine sportliche Herausforderung, der es sich in den folgenden zwei Wochen zu stellen galt. Die eine Hälfte formulierte ihre Gedanken in der Ich-Form, die anderen dagegen feuerten sich "von außen" an, per Du. Tatsächlich schlug sich die Art der Ansprache im Ergebnis nieder. Wer sich von außen betrachtete, schnitt nicht nur besser beim Problemlösen ab, sondern war auch stärker motiviert, seinen inneren Schweinehund zu überwinden. ­Besonders kurios: Ein Student wurde von der Analyse ausgeschlossen, weil er sowieso schon 40 Stunden in der Woche Sport trieb und damit mehr als zwei Standardabweichungen vom Standard abwich. Nicht berücksichtigt wurden außerdem Probanden, die mit der Anrede durcheinanderkamen und sich wahrscheinlich innerlich anbrüllten: "Mann, jetzt reiß mich zusammen!"

Woran könnte es liegen, dass wir uns mit "du" mehr anstrengen als bei "ich"? Logisch – an der Kindheit. Denn damals wurde uns Disziplin von außen antrainiert: Immer wenn wir Mist gebaut hatten, hieß es "Du, du, DU!" Nach Meinung der Psychologen verinnerlichen wir das mit der Zeit und fühlen uns folglich von uns selbst mehr angesprochen, wenn wir ­Distanz zu uns aufbauen.

Aus meiner Kindheit weiß ich aber auch, dass ich zu vielen Vorschlägen äußerlich Ja gesagt habe – und dann doch was ganz anderes tat. So wurde in der Studie leider nicht geschaut, ob die Leute tatsächlich mehr Sport machten; es genügte, wenn sie es sich nur fester vorgenommen hatten. Meine Persönlichkeitsanteile tricksen sich bis heute genau so gegenseitig aus. Ich sag mir: "Du musst mehr Sport machen" – und mein Ich sagt: "Ich hab keinen Bock, mach doch selber!"

Fazit: Wir sind durch und durch soziale Wesen, sogar wenn wir mit "uns" allein sind.

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