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Hirschhausens Hirnschmalz: Mit einem Schuss warmer Gedanken

Wir sollten nicht nur Menschen öfters gute Absichten unterstellen, sondern auch Getränken!
Eckart von Hirschhausen

Wer einmal an einer buddhistischen Teezeremonie teilgenommen hat, kennt das Gefühl, die Dinge etwas beschleunigen zu wollen. Oder wenigstens vorzuschlagen: Mensch, nehmt doch einfach einen Teebeutel, das geht viel schneller! Das ist natürlich unser westeuropäisch-calvinistisches Denken, das alle Prozesse optimieren möchte, vor allem zeitlich. Rituale sind das Gegengift dazu. Sie verlangsamen die Zeit, verschaffen Körper und Geist eine kleine Rast.

Als ich neulich einen ehemaligen Talkshow-Gast in seinem Zen-Kloster besuchte, gab es grünen Tee – nach strengen Vorgaben zubereitet. Dazu fiel fast beiläufig die Bemerkung: "Damit bleiben die Mönche 100 Jahre fit. Der macht wach, aber nicht nervös!" Und so war es auch. Also zumindest die Wachheit stellte sich ein, das mit den 100 Jahren kann ich noch nicht beurteilen.

Was denken Sie: Tee kann …?

  1. A) sinnlich sein.
  2. B) übersinnlich sein.
  3. C) flüssig sein.
  4. D) überflüssig sein.

Tee ist nach Wasser das am häufigsten konsumierte Getränk der Welt. Dabei ist er ja fast Wasser. Aber eben nur fast. Enthält er neben den Substanzen aus der Pflanze vielleicht noch mehr? In Taiwan trafen im Jahr 2013 Meditationstechnik und Vierfeldertafel, geistige Schwingung und statistische Analyse für ein gewagtes Experiment aufeinander. Das Versuchsdesign in Kürze: Frisch gekochter Tee wird in viele kleine Flaschen abgefüllt und die Hälfte davon zusätzlich mit guten Wünschen "aufgeladen". Rund 200 Teilnehmer, zufällig auf zwei Gruppen verteilt, trinken eine Woche lang das Gebräu und beobachten ihre Stimmung. Dabei wissen sie nicht, ob sie den bewusstseinstechnisch erweiterten Tee oder die herkömmliche Variante zu sich nehmen.

Das Aufladen übernahmen drei Mönche um den angesehenen Meister Lu Cheng, indem sie sich in tiefe Meditation versetzten und 20 Minuten lang dachten: "Wer dies trinkt, möge sich rundum gesund fühlen und besondere Energie, Kraft und Zufriedenheit empfinden." Die übrigen Flaschen wurden derweil in einem separaten Raum von den guten Wünschen abgeschirmt. Das Ergebnis: Ob der Trunk "optimiert" war, spielte für das Wohlbefinden keine Rolle. Aber wer glaubte, Wundertee zu konsumieren, fühlte sich nach drei Tagen besser als zu Beginn. Wer dagegen annahm, normalen Tee zu trinken, dessen Stimmung blieb gleich.

Das klingt nach Placebo-Forschung, ist aber noch spannender, weil der "Wirkstoff" von vornherein immateriell war. Mich erinnert es an Weihwasser, das ja ebenfalls in einem Zeremoniell geistig aufgeladen wird. Da meckern Skeptiker, dass es vor allem Keime enthält. Ist ja auch kein Wunder, wenn alle Kirchgänger mit ungewaschenen Händen reinlangen. Manche Rituale ergeben erst um die Ecke Sinn: Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es kaum Impfungen. Wer sich jedoch mit allen Erregern der Gemeinde von klein auf auseinandergesetzt hatte, den haute so schnell nichts mehr um.

Aber das klingt jetzt wieder so optimierend. Meine Frau ist katholisch, doch vor allem Mediatorin. Einer der wichtigsten Kniffe zum Entschärfen von Konflikten ist eine Gedankenübung: Stell dir vor, der andere hat für sein Tun gute Gründe, die gar nichts mit dir zu tun haben. Vielleicht sollten wir Menschen öfter wohlmeinende Absichten unterstellen – und Getränken ebenso!

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