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Hirschhausens Hirnschmalz: Trinke nie auf leeren Kopf!

Ein guter Witz muss stets zu seinen Zuhörern passen. Angetüdelte Menschen sind dabei grundsätzlich ein etwas wohlwollenderes Publikum, wie Studien zeigen.
Dr. Eckart von Hirschhausen

Jerry Seinfeld, einer der erfolgreichsten Komiker der Welt, hat viel über Pointen nachgedacht. Er vergleicht den geistigen Sprung, der einen guten Witz ausmacht, mit dem Sprung über einen Abgrund. Man nimmt mit der Hinführung Anlauf, gefolgt von der Flugphase, wenn einem der Boden unter den Füßen entschwindet, weil die eigene Weltdeutung plötzlich nicht mehr stimmt, landet im günstigen Fall auf der anderen Seite des Abgrunds und genießt die Entspannung, wenn sich die Absurdität auflöst oder als Gegenentwurf zur Rationalität stehen bleibt. Liegt die Pointe zu nah, fehlt die Flugphase und die Freude über die sichere Landung; ist sie zu weit weg, der Abgrund also zu breit, stürzen wir ins Nichts. Deshalb bedarf es immer eines genauen Abgleichs der Zuhörerschaft mit dem Niveau des Witzes und der Situation, in der man ihn erzählt.

Meine Stiftung HUMOR HILFT HEILEN finanziert ein Forschungsprojekt über Humor am Lebensende auf zwei Palliativstationen. Dort habe ich selbst erlebt, wie eine unserer besten Clowninnen schwer kranken Frauen einen echten Schenkelklopfer erzählte: »Ein Mann und eine Frau, beide über 50, flirten im Karneval, und es wird klar, sie haben Lust aufeinander. Da sagt er: ›Eins ist klar, ich mag nichts Festes.‹ Antwort der Frau: ›Da werden dir meine Oberschenkel gefallen!‹«

Die Patientinnen schütteten sich weg vor Lachen, da sie selbst am Abgrund standen und wussten, wie absurd unser Streben nach glatter Haut angesichts des Sterbens wird. Hätte der Witz bei angetrunkenen Männern in einer Kneipe ebenso funktioniert? Anders.

Macht Alkohol lustig?

In einer aktuellen Studie untersuchten Forscher, wie Alkohol die Wirkung von Humor beeinflusst. Dazu verabreichten sie mehr als 500 studentischen Probanden erst Cocktails, dann Seinfeld. Gelacht wurde in Zufallstrios, Männlein und Weiblein verschieden gemischt, aber alle einander fremd. Der eigentliche Witz: Nur manche bekamen Wodka, andere einen offensichtlich alkoholfreien Drink und wieder andere nur vermeintlich Alkohol: Die Gläser rochen zwar nach Wodka, enthielten aber keinen. Nach dem Trinken, Kennenlernen und Fragebogenausfüllen filmte man während fünf Minuten Stand-up-Comedy die Gesichter.

Ergebnis: Seinfeld wirkt! Bei den Pointen wurde mehr gelacht als dazwischen, egal, was die Leute getrunken hatten. Angetüdelt wurde zudem oft in den Zwischenphasen gelächelt und gelacht – bei betrunkenen Probanden bis zu einem Drittel häufiger als bei nüchternen, selbst wenn Letztere Wodkaduft in der Nase hatten. Alkohol lockert offenbar die Mimik. Gut, ich kenne auch das Grinsen von Leuten, die gar nichts verstehen, aber nicht weiter auffallen wollen.

Das Ganze erinnert an jene Studie, die zeigte, dass man nach einer Flasche Bier eine Fremdsprache besser beherrscht. Wobei klar ist: Die Dosis macht das Gift. Und mit mehr intus beherrscht man irgendwann weder die Muttersprache noch sich selbst. Der Klügere kippt nach? Wer sich ausschütten will vor Lachen, sollte das ohne einzuschütten hinbekommen. Obwohl es durchaus Komiker gibt, die ich nur betrunken angucken kann. Das Doofe: Man sieht sie dann auch noch doppelt!

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  • Quellen

Fairbairn, C. E. et al.: A dynamic analysis of the effect of alcohol consumption on humor enjoyment in a social context. Journal of Experimental Social Psychology 86, 2020

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