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In Bestform: Wie steige ich wieder ins Training ein?

Was ist zu beachten, wenn man nach langer Pause wieder mit dem Sport beginnt? »Lieber häufiger und kürzer als seltener und länger trainieren«, rät Sportmediziner Thomas Hilberg.
Frau zieht sich morgens am Bett ihre Sportschuhe an

Der Frühling kommt und weckt bei vielen Menschen den Wunsch, sich wieder mehr zu bewegen. Doch wie geht man den Neustart ins Training am besten an? Sportmediziner Thomas Hilberg von der Bergischen Universität Wuppertal weiß, wie oft, wie lange und wie intensiv Wieder- oder Neueinsteiger trainieren sollten – und wann mit ersten Erfolgen zu rechnen ist.

Thomas Hilberg | Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Sportmedizin, Chirotherapie und Osteopathie ist Professor für Sportmedizin an der Bergischen Universität Wuppertal. Seine Sportmedizinische Ambulanz steht neben Leistungssportlern auch Breiten- und Reha-Sportlern offen. Außerdem entwickelt er Trainingskonzepte für Menschen mit gesundheitlichen Problemen.

»Spektrum.de«: Professor Hilberg, über den Winter fahren viele Menschen ihr Sportprogramm zurück. Was gibt es zu beachten, wenn man nach einer Pause wieder ins Training einsteigen möchte?

Thomas Hilberg: Zunächst sollte man sich selbst fragen, wie lange die Pause war: Habe ich nur wenige Wochen, mehrere Monate oder gar Jahre keinen Sport gemacht? Nach längerer Pause ist eine sportmedizinische Untersuchung zu empfehlen, vor allem, wenn man das 35. bis 40. Lebensjahr überschritten hat. Natürlich ist es nicht gerade motivierend, damit zu beginnen, schließlich will man am liebsten sofort loslegen. Mitunter ist das aber notwendig. Denn durch die Untersuchung lassen sich viele Punkte im Vorfeld klären und Risiken minimieren. Der ein oder andere Risikofaktor ist häufig gar nicht so offensichtlich – etwa ein leicht erhöhter Blutdruck oder Veränderungen im Fettstoffwechsel, die mit Risiken für das Gefäßsystem einhergehen. Und empfindliche Bereiche am Bewegungsapparat können so erkannt sowie die Empfehlungen angepasst werden.

Sollte ich mich unbedingt von einem Sportmediziner durchchecken lassen? Oder kann ich dafür auch zum Hausarzt gehen?

Wenn der Hausarzt sportmedizinisch versiert ist, ist das sicherlich ebenso gut. Generell würde ich jedoch empfehlen, zu einem Sportmediziner zu gehen. Aktuelle Leitlinien und Empfehlungen für Ärzte und Patienten stehen auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention. Neben der Überprüfung der allgemeinen Sporttauglichkeit können Sportmediziner in der Regel auch sehr gut einschätzen, welche Sportarten im Einzelfall geeignet sind. Damit tut man sich bei den nächsten Schritten dann deutlich leichter.

Die da wären?

Der erste Schritt ist immer die Wahl der richtigen Sportart. Sie muss natürlich Spaß machen, damit man sie dann nachhaltig betreibt. Aus sportmedizinischer Sicht sind Sportarten ideal, die das Herz-Kreislauf-System fordern und fördern. Wenn große Muskelgruppen aktiv sind, übt man stets einen Reiz auf das Herz aus. Schließlich muss es ja die Durchblutung, also die Versorgung mit Sauerstoff sicherstellen.

Laufen beispielsweise?

Ja. Laufen ist ja überaus beliebt. Doch Walken, Radfahren, Schwimmen oder Skilanglauf sind genauso gut und für manche Menschen besser geeignet, um eine passende Ausdauergrundlage zu schaffen.

»Auf das Training sollte mindestens ein Tag Pause folgen, denn Regeneration ist wichtig für den Trainingserfolg«

Wie baue ich ein solches Trainingsprogramm auf?

Dazu muss man sich zunächst überlegen: Wie häufig möchte ich pro Woche trainieren? Mit welcher Intensität? Und wie lange soll eine Trainingseinheit jeweils dauern? Solche Überlegungen werden unter dem Begriff FITT zusammengefasst. Diese Abkürzung kommt aus dem angloamerikanischen Raum und steht für »frequency«, »intensity«, »time« und »type«. Den letzten Punkt, die Art des Sports, hatten wir ja schon angesprochen.

Wenn ich nun aber gar nicht weiß, wie oft und wie lange ich trainieren sollte?

Wir gehen mal davon aus, die Person, von der wir sprechen, ist gesund, war im Zweifelsfall beim Sportmediziner und hat alle Risiken abklären lassen. Es wäre sicher gut, wenn sie sich mindestens zwei-, besser dreimal pro Woche Zeit für das Training nähme. Grundsätzlich gilt: lieber häufiger und kürzer als seltener und länger. Man könnte etwa mit 20 bis 30 Minuten pro Einheit starten und läge dann bei dreimal pro Woche mit 60 bis 90 Minuten schon in einem ganz passablen Startbereich. Auf das Training sollte mindestens ein Tag Pause folgen, denn Regeneration ist wichtig für den Trainingserfolg.

Wenn ich mit dem Laufen beginnen möchte – was ist besser: gleich losjoggen oder erst mal gehen?

Wenn Sie können, würde ich sagen: Laufen Sie los. Manch einer kann ungeübt durchaus eine Viertelstunde laufen. Man kann es aber auch erst mal im Wechsel machen: zwei Minuten Gehen, eine Minute Laufen und so weiter. Langsam baut man den Geh-Anteil ab und den Lauf-Anteil auf: eine Minute gehen, eine Minute laufen, dann eine Minute gehen, zwei Minuten laufen – bis man schließlich 20 bis 30 Minuten durchlaufen kann.

Laufen ist aber nicht für jeden Menschen ideal …

Richtig. Wenn man stark übergewichtig ist, würde ich davon abraten. Denn die Kräfte, die dabei auf die Gelenke einwirken, sind relativ groß. Walken ist dann sicherlich besser. Wenn man dazu Stöcke einsetzt, fordert man Muskulatur und Herz-Kreislauf-System mehr heraus. Das ist auch für Menschen mit Gelenkproblemen wie Arthrose empfehlenswert.

»Wenn jemand stark übergewichtig ist, sind Sportarten geboten, bei denen nicht das volle Gewicht auf den Gelenken lastet«

Was gibt es außer Walken bei Übergewicht noch für Optionen?

Wenn jemand stark übergewichtig ist, sind Sportarten geboten, bei denen nicht das volle Gewicht auf den Gelenken lastet: Radfahren, Rudern oder Schwimmen beispielsweise. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich finde es schade, wenn jemand mit dem Laufen beginnt, obwohl es sich für ihn nicht eignet. Die Person meint, sie tue sich damit etwas Gutes, bekommt dann allerdings vielleicht mehr Probleme mit dem Bewegungsapparat und gibt den Sport wieder ganz auf. Gerade in solchen Fällen ist eine sportmedizinische Beratung wichtig.

Manche Menschen finden ausdauerorientierte Sportarten schlicht zu langweilig. Was würden Sie in so einem Fall empfehlen?

Da gibt es viele Aspekte zu beachten. Manche wollen allein trainieren, andere machen lieber Mannschaftssport. Man muss die Person und die Sportart zusammenbringen. Bleiben wir noch kurz bei der Ausdauer. Ein Fahrradergometertraining zu Hause klingt vielleicht langweilig, im virtuellen Raum mit anderen Personen kann es auf einmal jedoch interessant werden. Und kraftbetonte Workouts lassen sich nicht nur im Studio, sondern in verschiedenen Umgebungen durchführen. Wichtig ist außerdem, mittelfristig die Sportart und das Trainingskonzept zu wechseln, damit es nicht einseitig wird – sowohl für die Muskulatur als auch für den Kopf.

Von Sportler zu Sportler

Thomas Hilberg selbst fährt viel Fahrrad, betreibt Fitnesstraining sowie Skilanglauf und geht gerne Windsurfen. Für besonders wichtig hält er eine regelmäßige Struktur, wie feste Tage oder Uhrzeiten. Bei Motivationsproblemen helfe außerdem ein Trainingspartner, sagt der Sportmediziner. Denn steht der Laufpartner schon vor der Tür, habe man keine Wahl mehr.

Schwimmen soll ja ausgesprochen gut sein, um die Gelenke zu schonen. Monoton Bahnen zu ziehen ist vielen jedoch ein Graus. Haben Sie da einen Tipp?

Ja, das stimmt. Durch den Auftrieb, den unser Körper im Wasser erfährt, werden unsere Gelenke entlastet. Doch Bahnen zu ziehen fällt vielen Menschen schwer. Genauso gut kann man Aquajogging oder andere Übungen im Wasser machen, etwa in einer Gruppe, sofern erlaubt. Indem man permanent gegen den Widerstand des Wassers arbeitet, fordert man sein Herz-Kreislauf-System besonders. Selbst Spitzensportler nutzen die Trainingsmöglichkeiten im Wasser, beispielsweise nach Verletzungen.

Angenommen, ich habe mir ein Rudergerät oder ein Fahrradergometer zugelegt. Wie oft sollte ich denn zum Einstieg darauf trainieren?

Auch hier ist das Ziel: dreimal die Woche. Das ist am Anfang ganz schön ambitioniert, man muss das ja in den Tagesplan integrieren. Wir sind schon froh, wenn die Leute zweimal pro Woche Zeit dazu finden. Am besten vereinbart man Termine mit sich selbst und trägt sie im Kalender ein. Etwa: Montag um 16 Uhr Ergometertraining. Am Anfang sollte man wie beim Laufen 20 bis 30 Minuten einplanen und mit moderater Intensität trainieren.

Wie kann ich das abschätzen?

Ich würde eine Uhr empfehlen, die die Herzfrequenz messen kann. Mittlerweile sind die ja recht günstig. Auch Fitnesstracker und andere Geräte können den Puls bestimmen. Menschen, die regelmäßig Sport machen, nutzen solche Systeme oft weniger. Sie haben es häufig im Gefühl, in welchem Bereich sich ihre Herzfrequenz bewegt. Aber je weniger man seinen eigenen Körper kennt, desto wichtiger ist es, etwas zu haben, woran man sich orientieren kann.

Wie hoch sollte die Herzfrequenz denn sein, wenn ich moderat trainiere?

Da müssen wir ein bisschen rechnen. Zunächst sollten wir in etwa die maximale Herzfrequenz abschätzen, sofern diese nicht im Belastungstest bestimmt wurde. Das kann man über die Formel 208 – (0,7 x Lebensalter) tun, oder etwas einfacher mit der Formel 220 – Lebensalter. Der leichte Trainingsbereich liegt bei etwa 57 bis 63 Prozent, der moderate zwischen 64 und 76 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Diese Bereiche werden einem zunächst wenig intensiv vorkommen.

Was ist der Unterschied zwischen Puls und Herzfrequenz?

Die Herzfrequenz gibt an, wie häufig das Herz in einer Minute schlägt. Mit jedem Herzschlag wird das Blut gegen die Arterienwände gedrückt – das ist als Puls am Handgelenk oder an der Halsschlagader zu spüren. In der Regel entspricht der Puls der Herzfrequenz. Es gibt aber manchmal auch schwache Herzschläge, die keine Druckwelle in den Arterien erzeugen. Besonders bei Menschen mit Herzrhythmusstörungen kann der Puls deshalb niedriger liegen als die Herzfrequenz. Fachleute sprechen dann auch von einem Pulsdefizit.

Kann jeder diese Formeln auf sich anwenden?

Wenn man Medikamente einnimmt, die Einfluss auf die Herzfrequenz nehmen, ist das nicht möglich. Dann sollte ein Mediziner die Bereiche über eine Belastungsuntersuchung bestimmen. Man kann sie dann in eine Herzfrequenzuhr eingeben und oberhalb sowie unterhalb einen Alarm einstellen. So stellt man sicher, dass man sich im richtigen Intensitätsbereich bewegt. Kommt man mit diesem System nicht gut zurecht, kann man die so genannte Borg-Skala verwenden. Sie basiert auf dem individuellen Belastungsempfinden und hat einen Bereich von 6 bis 20, also von »sehr, sehr leicht« bis »mehr geht nicht«. Der leichte Trainingsbereich liegt dann bei 9 bis 11, der moderate bei 12 bis 13.

Hängen auch diese Werte mit der Herzfrequenz zusammen?

Ja, aber nur bei gesunden jungen Menschen beziehungsweise wenn die Herzfrequenz in Ruhe bei etwa 60 Schlägen und die maximale Herzfrequenz bei zirka 200 Schlägen pro Minute liegt. Dann gilt: Multipliziert man den Wert aus der Borg-Skala mit dem Faktor 10, erhält man die zugehörige Herzfrequenz.

»Weniger ist mehr. Wir sind da oft viel zu ungeduldig«

Geht es im Endeffekt darum, die Herzfrequenz im Auge zu behalten und in den genannten Bereichen zu bleiben?

Ja, das würde ich empfehlen. Das ist zwar ein bisschen Rechnerei, doch daran gewöhnt man sich schnell. Beim Fahrradergometer ist oft an den Griffen ein Puls- oder Herzfrequenzmesser integriert, oder es gibt einen Clip fürs Ohrläppchen. Dann kann man die Wattzahl am Ergometer so einstellen, dass die Herzfrequenz im richtigen Bereich bleibt. Am Anfang macht man vielleicht zwei leichte und eine moderate Einheit pro Woche. In der kommenden Woche dreht man es um und spürt in sich hinein: Was hat mir gut getan?

Und dann gilt es, sich im Lauf der Zeit zu steigern?

Ja, das kann man machen – nur nicht zu schnell. Muskeln passen sich recht schnell an, Sehnen langsamer. Adaptation benötigt Zeit. Häufig gilt: Weniger ist mehr. Wir sind da oft viel zu ungeduldig. Man kann auch mal eine Einheit ausfallen lassen und die Zeit zur Regeneration nutzen, wenn der Körper entsprechende Zeichen setzt. Es ist sehr wichtig, gut in sich hineinzuhören, denn eine Verletzung wirft das Training deutlich zurück. Wer sich zum Training quälen muss, sollte prüfen, ob Intensität und Umfang der Einheiten vielleicht doch zu hoch sind. Wenn es einem sehr leicht fällt, kann man zunächst den Umfang und dann die Intensität des Trainings langsam steigern. Wir müssen lernen, klug mit unserem Körper und Geist umzugehen – nicht nur im Trainingsprozess.

Wann ist denn mit ersten Erfolgen zu rechnen?

Nehmen wir einen gesunden Wiedereinsteiger, der dreimal die Woche etwa 30 Minuten auf dem Ergometer trainiert. Wenn er das über sechs Wochen macht, induziert er damit schon entsprechende Anpassungen, die im Alltag spürbar sind. Er kommt beispielsweise weniger leicht aus der Puste.

Sechs Wochen sind ganz schön lang. Vorher merkt man nichts – außer vielleicht Muskelkater?

Doch, doch. Man wird bei konsequentem Training schon nach drei bis vier Wochen etwas spüren. Wenn sich allerdings ein starker Muskelkater einstellt, hat die Trainingssteuerung nicht gestimmt, denn Trainingseffekte treten auch ohne starken Muskelkater auf. Der ist eher von Nachteil, weil er das nächste Training stört.

Wie lässt sich Muskelkater vermeiden? Wie viel sollten Sportler trinken? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Biochemikerin Annika Röcker in ihrer Kolumne »In Bestform«. Mit Expertinnen und Experten aus der Sportmedizin diskutiert sie, was beim Sport im Körper vorgeht und wie ein gesundes Training aussieht.

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