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Krebs verstehen: In welchen Ländern das Brustkrebsrisiko besonders hoch ist

Ob eine Frau an Brustkrebs erkrankt oder stirbt, hängt stark davon ab, wo sie lebt. Warum das Brustkrebsrisiko gerade in Deutschland besonders hoch ist, erklärt Ärztin Marisa Kurz.
Eine Frau steht vor einem Mammografiegerät, während eine medizinische Fachkraft ihr unterstützend die Hand an den Rücken hält.
Eine Mammografie ist eine Röntgenuntersuchung der weiblichen Brüste, bei der Bildaufnahmen entstehen. Dadurch können kleine, nicht tastbare Veränderungen in der Brust sichtbar gemacht werden. Ob es sich tatsächlich um Brustkrebs handelt, können Fachleute anschließend mit einer Gewebeprobe (Biopsie) untersuchen.

Statistisch gesehen erkrankt fast jeder zweite Mensch im Lauf seines Lebens an irgendeiner Art von Krebs. Weil man selbst betroffen ist oder eine betroffene Person kennt, geht das Thema damit alle etwas an. Gleichzeitig wissen viele Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen sehr wenig über die Erkrankung. Was passiert dabei im Körper? Warum bekommt nicht jeder Krebs? Und wie individuell läuft eine Krebstherapie eigentlich ab? Diese und weitere Fragen beantwortet die Ärztin Marisa Kurz in ihrer Kolumne »Krebs verstehen«.

Weltweit erkrankten 2022 mehr als zwei Millionen Frauen an Brustkrebs, rund 670 000 starben daran. Damit ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Doch das Risiko dafür ist nicht überall auf der Welt gleich hoch. Ebenso wenig, wie der Zugang zu medizinischer Versorgung gleich gut ist. Das habe ich selbst erlebt, als ich während meines Medizinstudiums eine Zeit lang in Thailand arbeitete: Krebsmedikamente, die ich aus Deutschland kannte, konnten Patienten dort nicht angeboten werden – weil sie zu teuer sind.

Eine Auswertung von Daten aus 185 Ländern zeigt, dass das Risiko einer Brustkrebsdiagnose sehr unterschiedlich verteilt ist: In Australien, Neuseeland, Nordamerika und Nordeuropa sind die Neuerkrankungsraten am höchsten. Dort erhalten etwa 100 von 100 000 Frauen pro Jahr eine entsprechende Diagnose. In Süd- und Zentralasien, Mittel- und Ostafrika liegt die Rate mit rund 25 von 100 000 Fällen hingegen deutlich niedriger. Insgesamt zeigt ein Blick auf die Entwicklung der letzten zehn Jahre: In ungefähr der Hälfte von 50 untersuchten Ländern steigen die Brustkrebsraten jedes Jahr um ein bis fünf Prozent, am stärksten in Bahrain, Korea und Japan sowie in ärmeren Ländern. In Slowenien, Kroatien, Estland und Ecuador nehmen die Krebsfälle bei Frauen unter 50 Jahren zu.

Überraschend: In dieser Studie haben Frauen aus Frankreich das höchste Lebenszeitrisiko, an Brustkrebs zu erkranken. Statistisch gesehen trifft es dort eine von neun Frauen. Doch laut Daten des RKI liegt das Risiko in Deutschland sogar noch höher: Demnach erkrankt hier zu Lande etwa eine von acht Frauen im Lauf ihres Lebens an Brustkrebs.

Wie sind diese hohen Raten zu erklären? Zum einen existieren in wohlhabenderen Ländern bessere Früherkennungsprogramme, die automatisch zu mehr Diagnosen führen. Vor allem aber treibt der Lebensstil in diesen Ländern die Zahlen in die Höhe: späte und wenige Schwangerschaften, kürzere Stillzeiten und Hormonersatztherapie nach den Wechseljahren erhöhen das Brustkrebsrisiko. Diese Faktoren spielen in westlichen Ländern wie Frankreich oder Deutschland eine Rolle. Hinzu kommen weitere Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel und Alkohol.

Schwarze Frauen haben eine fast 40 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu sterben, als weiße Frauen

Auch das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, unterscheidet sich weltweit erheblich. Die Mortalitätsraten in Melanesien, Polynesien oder Westafrika sind bis zu viermal höher als in Regionen wie Nordamerika oder Ostasien. Ein Vergleich der Sterberaten über mindestens zehn Jahre zeigt zudem: In 30 von 46 Ländern sinkt die Sterblichkeit – doch fast ausschließlich in wohlhabenden Nationen wie der Schweiz, den Niederlanden oder Norwegen. Vermutlich, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort immer besser werden. In Ländern wie Kolumbien, Brasilien, Mexiko und Rumänien stieg die Sterberate dagegen an. Ich sehe in meinem ärztlichen Alltag immer wieder, wie stark sich eine gute medizinische Versorgung auswirkt. In ärmeren Ländern gibt es leider oft nur unzureichende Früherkennungs- und Behandlungsangebote. Es fehlt an technischer Ausstattung, Medikamenten, erfahrenem medizinischem Personal und Geld.

Schwarze Frauen sterben häufiger an Brustkrebs

Solche Unterschiede zeigen sich auch innerhalb eines Landes. In den USA sind die Brustkrebsfälle zwischen 2012 bis 2021 jedes Jahr um ein Prozent gestiegen, vor allem bei jungen Frauen. Bei weißen Frauen unter 50 Jahren um 1,4 Prozent, bei jungen Hispanics um 1,6 Prozent, bei jungen Asian American/Pacific Islandern um 2,7 Prozent. Dies, so erklären Forscher, ist auf Risikofaktoren wie Übergewicht zurückzuführen. Die Sterberaten hingegen sanken zwischen 1989 und 2022 über alle Bevölkerungsgruppen hinweg um mehr als 40 Prozent – das entspricht etwa 500 000 weniger Brustkrebstoten und ist vor allem auf verbesserte Früherkennungs- und Behandlungsangebote zurückzuführen.

Doch solche Angebote erreichen offenbar nicht alle Frauen. Bei American-Indian/Alaska-Native-Frauen ist die Sterberate seit 1990 konstant geblieben. Schwarze Frauen haben eine fast 40 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu sterben, als weiße Frauen. Dabei tritt die Erkrankung bei ihnen um etwa fünf Prozent seltener auf. Aber sie sind in den USA meist schlecht oder nicht versichert, werden seltener an spezialisierten Zentren untersucht und müssen lange auf Folgetermine warten, wenn ein auffälliger Befund abgeklärt werden soll. Die Diagnose wird so oft später gestellt – wenn der Krebs schon fortgeschritten und schlechter behandelbar ist.

Unterschiede zwischen Ost und West

In Deutschland sinken die Neuerkrankungsraten bei Frauen über 50 seit vielen Jahren kontinuierlich. Nur zwischen 2005 und 2009 kam es zu einem deutlichen Anstieg – denn durch die Einführung des Mammografie-Screenings wurden mehr Brustkrebsfälle diagnostiziert. Das mittlere Erkrankungsalter liegt in Deutschland bei 64 Jahren, etwa jede sechste Patientin trifft es vor dem 50. Lebensjahr. Übrigens können auch Männer erkranken: 2020 erhielten in Deutschland rund 70 000 Frauen und 700 Männer eine Brustkrebsdiagnose.

Auffällig ist, dass in Ostdeutschland weniger Frauen erkranken. Vermutlich, weil sie in der ehemaligen DDR bereits früher schwanger geworden sind und insgesamt mehr Kinder bekommen haben – beides senkt das Brustkrebsrisiko. Nach der Wende haben sich diese Zahlen jedoch angeglichen. Bei jüngeren Frauen gibt es keine Unterschiede mehr. Auch in Deutschland ist die Krebssterblichkeit in sozial schwächeren Regionen zum Teil höher, die Brustkrebssterblichkeit hat sich in den letzten Jahren über das gesamte Land hinweg allerdings immer weiter angeglichen.

Ziel der Brustkrebsinitiative der Weltgesundheitsorganisation WHO ist es, zwischen 2020 und 2040 weltweit 2,5 Millionen Brustkrebstote zu verhindern. Jährlich soll die Brustkrebssterblichkeit um 2,5 Prozent sinken. Neben einem besseren Zugang zu Diagnostik und Behandlung setzt die WHO auf Aufklärung. Wenn mehr Frauen die Symptome von Brustkrebs kennen, könnten sie sich frühzeitig medizinische Hilfe suchen – selbst in Ländern ohne Mammografie-Screening.

Was ich meinen Patientinnen rate

Ich empfehle Frauen, Risikofaktoren zu minimieren – also Normalgewicht zu halten, keinen oder wenig Alkohol zu trinken und nicht zu rauchen. Darüber hinaus sollten sie ihre Brust und Achselhöhle regelmäßig im Spiegel anschauen und selbst abtasten. Hautveränderungen, Knoten oder Einziehungen können Warnzeichen sein. In Deutschland können Frauen zwischen 50 und 75 Jahren im Rahmen des Mammografie-Screenings alle zwei Jahre eine Röntgenuntersuchung der Brust vornehmen lassen. Studien zeigen: Wer das regelmäßig macht, senkt sein Risiko, an Brustkrebs zu sterben. Von 1000 Frauen, die 20 Jahre lang am Screening teilnehmen, werden zwei bis sechs vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt.

Für jüngere Frauen und Frauen mit dichtem Brustdrüsengewebe eignet sich vor allem eine Ultraschalluntersuchung zur Krebsfrüherkennung. Es ist bisher jedoch nicht wissenschaftlich bewiesen, dass regelmäßige Ultraschalluntersuchungen die Sterblichkeit senken. Deshalb übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten dafür bislang nicht.

In vielen Ländern sterben Frauen, weil sie keine Chance auf eine frühe Diagnose haben. Wer diese Möglichkeit hat, sollte sie in meinen Augen unbedingt nutzen. Denn je früher wir Brustkrebs entdecken, desto besser können wir ihn behandeln – und desto höher sind die Heilungschancen.

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