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Freistetters Formelwelt: Ist unser Universum ein Beweis für einen Gott?

Wären die Umstände im Universum nur ein klein wenig anders, wäre Leben, wie wir es kennen, gar nicht möglich. Ist das ein Argument für einen Schöpfer?
Zwei göttliche Hände mit der Inschrift »QED«
Für einen Gottesbeweis braucht es etwas mehr als nur ein paar Naturkonstanten.
Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Wir leben in einem Kosmos, der für uns Menschen so gut wie überall komplett lebensfeindlich ist. Wir können ohne großen technischen Aufwand nicht im Weltall überleben und auch auf keinem der uns derzeit bekannten Himmelskörper, mit Ausnahme der Erde. Deswegen scheint es auf den ersten Blick absurd zu behaupten, dass das Universum auf uns Menschen »abgestimmt« ist. Bei genauerer Betrachtung sieht die Sache jedoch anders aus.

Wir können nur deswegen auf der Erde leben, weil die Sonne uns Wärme und Licht spendet. Wir existieren nur, weil andere Sterne durch Kernfusion zuvor Elemente wie Kohlenstoff oder Sauerstoff produziert haben. Wir Menschen brauchen also Sterne, um überleben zu können, und dass wir es können, ist nicht selbstverständlich. Das lässt sich mit dieser Formel illustrieren:

r3α=332Nα3(2π2MαkBT)3ΓγeϵkbT

Dieser komplexe Ausdruck beschreibt die Reaktionsrate des Drei-Alpha-Prozesses, also des Vorgangs, durch den Sterne in den letzten Phasen ihres Lebens Kohlenstoffatome produzieren. Dafür müssen drei Helium-Atomkerne (Alphateilchen) miteinander fusionieren, und das kann nur unter speziellen Bedingungen stattfinden. Die Reaktionsrate hängt von Mα und ​Nα​, der Masse und Anzahl der Alphateilchen, der Temperatur im Stern T, der Boltzmann-Konstante kB und der reduzierten Planck-Konstanten  ab. Darüber hinaus sind vor allem die Werte für Γγ (Strahlungsbreite) und ϵ (Resonanzenergie) von Bedeutung. Vereinfacht gesagt beschreiben diese Parameter, wie wahrscheinlich es ist, dass die Helium-Atomkerne miteinander fusionieren und Kohlenstoff produzieren können. Wenn zum Beispiel die Strahlungsbreite zu gering ist, kann kein Kohlenstoff entstehen.

Der exakte Wert von Γγ und ϵ hängt aber sehr stark von grundlegenden Eigenschaften des Universums ab. Zum Beispiel davon, wie stark die starke Kernkraft ist, die die Quarks in den Bausteinen des Atomkerns zusammenhält, oder von der Stärke der zwischen zwei elektrischen Ladungen wirkenden Coulombkraft. Wäre die starke Kernkraft nur um 0,5 Prozent stärker oder schwächer, als sie es in unserem Universum ist, würde das die Kohlenstoffproduktion in den Sternen massiv reduzieren (dasselbe gilt für eine Änderung der Coulombkraft um vier Prozent).

Alles passt zusammen

Auch andere fundamentale Konstanten im Universum scheinen genau den richtigen Wert zu haben. Es gibt zum Beispiel nur drei ausgedehnte Raumdimensionen. Wären es mehr oder weniger, könnten sich Planeten nicht stabil um Sterne bewegen beziehungsweise Sterne überhaupt nicht existieren. Wichtig ist auch, dass die Gravitationskraft verglichen mit den Kernkräften oder dem Elektromagnetismus extrem schwach ist, weil nur deswegen zum Beispiel die ganze Chemie so funktioniert, wie sie es tut – das wäre anders, wenn sich die Atome auch noch per Gravitation gegenseitig beeinflussen würden. Zudem scheint die mittlere Energiedichte im Kosmos genau so zu sein, wie sie es sein muss, um ein Universum zu schaffen, das nicht sofort wieder in sich zusammenfällt oder so schnell expandiert, dass sich keine großen Strukturen wie Sterne oder Galaxien bilden können. Und so weiter: Alles scheint auf die Existenz von uns Menschen abgestimmt zu sein. Diese »Feinabstimmung des Universums« wird oft als Beleg für eine Schöpfung verwendet.

So einfach kann man es sich aber mit einem Gottesbeweis dann doch nicht machen. Denn vielleicht würde ein Universum mit anderen Naturkonstanten ganz andere Himmelskörper und Phänomene ermöglichen, unter denen völlig anderes Leben entsteht? Vielleicht gibt es auch unendlich viele Universen mit allen erdenklichen Variationen an Konstanten, und wir leben dort, wo es gerade für uns passt?

Bis wir herausgefunden haben, was hinter der Feinabstimmung steckt, wird es noch dauern. Und bis dahin können wir zumindest festhalten: Es ist so, wie es ist, denn wenn es anders wäre, wären wir nicht in dieser Form da.

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