Direkt zum Inhalt

Grams' Sprechstunde: Bringt die Corona-Impfung den Zyklus durcheinander?

Die »Tage« einer Frau kommen nicht immer pünktlich. Das kann viele Gründe haben. Aber kann es auch an der Covid-19-Impfung liegen? Die Ärztin Natalie Grams-Nobmann erklärt in ihrer Kolumne, was die Forschung über einen möglichen Zusammenhang weiß.
Eine Frau hält sich mit beiden Händen den Bauch

Unter den vielen Fragen, die nach wie vor zum Thema Covid-19-Impfung kursieren, ist auch die nach einer möglichen Beeinflussung der Periode. Einige Frauen und Personen mit Uterus haben nach der Covid-Impfung eine vorübergehende Veränderung des Zyklus bemerkt und waren verwundert bis erschrocken, was das zu bedeuten habe. In den sozialen Medien sah ich mehrere Diskussionen darüber. Viele Betroffenen fühlten sich teils alleingelassen, waren teils erbost, weil sie vor der Impfung nicht auf diese mögliche Folge hingewiesen wurden und es überhaupt nur wenig Informationen dazu gibt. Verständlich, dass es hier Aufklärung braucht!

Zunächst einmal: Der Zyklus unterliegt einer Vielzahl von Einflüssen körperlicher und psychischer Natur, über die wir längst nicht alles wissen. Hier einzelne Ursachen dingfest zu machen, ist nicht so leicht – schon allein, weil es ein typischer Fall für den »Post hoc ergo propter hoc«-Fehlschluss (»danach geschehen, also deshalb geschehen«) ist. Will sagen: Nicht alles, was zum Beispiel nach einer Impfung auftritt, muss ursächlich durch sie bedingt sein, so auch Zyklusstörungen. Aber schauen wir uns mal an, was die Wissenschaft darüber weiß.

Die US-Infektionsschutzbehörde CDC (Centers of Disease Control) befasst sich seit einiger Zeit mit Berichten über Zyklusstörungen nach der Impfung. Vorab ist sicher interessant, dass etwaige Veränderungen in dieser Richtung in den Phase-III-Studien mit etlichen zehntausenden Probandinnen wohl nicht registriert worden sind. Meldungen dazu gab es erst nach Beginn der Impfkampagne.

Möchten Sie eine mögliche Nebenwirkung der Corona-Impfung melden?

Das Paul-Ehrlich-Institut bietet zwei Wege an: mit der App »SafeVac 2.0« und auf der Website https://nebenwirkungen.bund.de.

Die seither vorliegenden Daten zeigen, dass die befragten Frauen über ein breites Spektrum an Veränderungen ihrer Periode berichteten. In einigen Fällen traten sie früher, stärker und schmerzhafter auf, in anderen Fällen waren sie leichter als gewohnt und setzten später ein. In den allermeisten Fällen betrafen sie nur einen oder wenige Zyklen. Ein großer Prozentsatz der Frauen und Personen mit Uterus beobachtete aber keine Veränderungen.

Dazu stellen sich jetzt zwei Fragen: ob die Zyklusstörungen ursächlich mit der Impfung zusammenhängen und ob sie gesundheitlich relevant sind.

Die Sache mit dem ursächlichen Zusammenhang ist wie gesagt schwierig. Das Problem liegt dabei zumindest teilweise in der Natur der Periode, die aus vielen Gründen unregelmäßig sein kann, und an unserem noch beschränkten Wissen über mögliche Einflüsse. Um wirklich herauszufinden, ob und wie der Impfstoff die Periode ursächlich verändert, müssten die Forscher die Frauen vor und nach der Verabreichung des Impfstoffs beobachten und zudem in der Lage sein, alle anderen Faktoren – wie Stress, Ernährung, Medikamente, Infekte – zu berücksichtigen, die die Periode verändern könnten.

Viele Anekdoten, wenig empirische Evidenz

Dagegen beruht die bislang wohl umfangreichste Veröffentlichung zum Thema nicht auf einem Vorher-nachher-Vergleich oder systematischen Vergleichen innerhalb der geimpften Gruppe, sondern auf einer Fallsammlung, die ausschließlich Fälle repräsentiert, bei denen Zyklusstörungen subjektiv im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung wahrgenommen worden waren. Die Fallsammlung geht auf einen Twitter-Aufruf zurück. Dort findet sich manches Interessante, so auch der Hinweis, dass die Veränderungen in aller Regel nur kurzzeitig sind. Zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs trägt diese Arbeit jedoch nichts bei. Sie geht nicht über anekdotische Evidenz hinaus.

Es ist bekannt – von anderen Impfungen, aber auch Infektionen –, dass der Immunstress zu einer kurzfristigen Veränderung des Zyklus führen kann. Es ist ebenso denkbar, dass in so manchem Fall der Impfstress selbst zu einer solchen Unregelmäßigkeit führen kann. Doch bisher gibt es keinen eindeutig belegten Zusammenhang zwischen der Covid-19-Impfung und Zyklusstörungen.

Und zur gesundheitlichen Relevanz: Klar verunsichert es, wenn der Zyklus plötzlich länger dauert und mit den dann üblichen Fragen verbunden ist, wenn die Blutung heftiger und schmerzhafter ist oder überhaupt einfach von der gewohnten Routine abweicht. Auch Transmänner und Frauen nach den Wechseljahren berichteten vereinzelt, dass ihre eigentlich längst ausgebliebene Periode nach der Impfung wiederkam. Aber, und das ist wichtig: Es gab in keinem Fall Grund zur Annahme, dass Auswirkungen von Impfstoffen auf die Periode auf relevante pathologische Veränderungen hindeuten. Deshalb sind Zyklusveränderungen auch nicht als Nebenwirkungen der Impfstoffe aufgeführt.

Für klare Antworten braucht es noch Zeit

Das Royal College of Obstetricians and Gynecologists im Vereinigten Königreich empfiehlt trotz der dortigen Fallberichte weiterhin nachdrücklich, sich impfen zu lassen. In den USA gibt es inzwischen Fördermittel für Forschende, die sich mit der Frage von Zyklusstörungen nach Covid-19-Impfung befassen wollen. Was zumindest zeigt, dass die Berichte von Betroffenen nicht, wie zuweilen behauptet, »nicht ernst genommen« oder gar »unter den Teppich gekehrt« werden. Ganz im Gegenteil. Die Wissenschaft und ihre internationale Zusammenarbeit funktionieren. Nur, man will es eben genau wissen – anders als so manche Katastrophenbeschwörer, die davon leben, dass sie und ihre Anhängerinnen einfach was behaupten. Für klare Antworten braucht es also noch etwas Zeit.

Die Kurzzusammenfassung: Zyklusstörungen im zeitlichen Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen wurden und werden beobachtet. Ein ursächlicher Zusammenhang konnte nicht nachgewiesen werden; ein spezifischer Mechanismus, mit dem die Impfung auf den Zyklus wirken könnte, ist auch nicht bekannt, ebenso wenig eine gesundheitliche Relevanz. Und schon gar nicht haben die beschriebenen vorübergehenden Störungen einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Es gibt keinen Grund, sich wegen befürchteter Zyklusstörungen nicht impfen zu lassen.

Denn es wird in diesem Zusammenhang ja immer wieder die Sorge geäußert, die Impfung könne sich auf die Fruchtbarkeit (Fertilität), also die Fähigkeit, Kinder zu zeugen oder zu gebären, auswirken. Auch das hat dazu geführt, dass sich CDC, FDA und die Hersteller mit dem Problem der Zyklusstörungen befasst haben. Während einer anhaltenden Störung des Zyklus kann die Empfängnisbereitschaft von Frauen beeinträchtigt sein – das ist bekannt. Aber es gibt keine Hinweise darauf, dass Fruchtbarkeitsprobleme bei Frauen oder Männern eine Nebenwirkung irgendeines Impfstoffs sind, auch nicht bei Covid-19-Impfstoffen. Dagegen ist bei einer Covid-19-Erkrankung während der Schwangerschaft das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs teils deutlich erhöht, und auch die Fertilität von Männern kann durch die Infektion (nicht durch die Impfung!) wohl gestört werden.

Zum Schluss ein Fun-Fact: Tatsächlich beantworten die CDC in ihren FAQ auch die Frage, ob der Aufenthalt in der Nähe eines oder einer Geimpften die Periode beeinflussen könne. Das gehört natürlich in die gleiche Kategorie wie die Behauptung, die Impfung mache magnetisch oder der Impfstoff enthalte von Bill Gates handsignierte Mikrochips. Aber offenbar muss die Wissenschaft auch solche Fragen beantworten. Nicht nur in den USA.

Was kann die moderne Medizin leisten? Nutzt die Homöopathie? Was macht einen guten Arzt aus, und welche Rolle spielt der Patient? Die Ärztin und Autorin des Buchs »Was wirklich wirkt« Natalie Grams diskutiert in ihrer Kolumne »Grams' Sprechstunde« Entwicklungen, Probleme und eklatante Missstände ihrer Zunft. Alle Teile lesen Sie hier.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.