Freistetters Formelwelt: Kann ein Mond einen Mond haben?
Erstaunlich oft stellen mir Leute die Frage im Titel – und ich freue mich jedes Mal darüber. Denn in der Antwort stecken jede Menge spannende Astronomie und Mathematik. Die kurze Antwort: Prinzipiell spricht überhaupt nichts dagegen. Bei der etwas längeren Erklärung geht es um die Frage, ob ein Objekt ein anderes Objekt umkreisen kann, während alle beide einen dritten Himmelskörper umkreisen. So etwas beobachten wir ständig, zum Beispiel im Fall der Sonne, der Erde und unseres Mondes.
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Es gibt kein Naturgesetz, das einem weiteren Himmelskörper verbieten würde, unseren Mond ebenfalls zu umkreisen. Im Gegenteil – wir kennen sogar eine Formel, die beschreibt, unter welchen Umständen das passiert. Es kommt nur auf die Gravitationskraft an:
Die Formel stammt vom amerikanischen Astronomen und Mathematiker George William Hill, der sie im 19. Jahrhundert aufstellte. Angenommen, man hat zwei Himmelskörper: einen großen mit der Masse M und einen kleineren mit der Masse m, der den großen im Abstand a auf einer kreisförmigen Bahn umrundet. Dann kann man daraus den »Hill-Radius« r berechnen, der den gravitativen Einflussbereich des kleineren Objekts angibt.
Wenn wir für M und m die Massen der Sonne und der Erde einsetzen und den entsprechenden Abstand zwischen ihnen für a, dann erhalten wir einen Hill-Radius von knapp 1,5 Millionen Kilometern. Innerhalb dieses Bereichs dominiert die Gravitationskraft der Erde; außerhalb die der Sonne. Oder anders gesagt: Alles, was sich innerhalb der so genannten »Hill-Sphäre« der Erde befindet, umkreist unseren Planeten. Auf den 400 000 Kilometer entfernten Mond trifft das definitiv zu.
Reiseziel Mooond
In der Formel für den Hill-Radius findet sich kein Gleichheitszeichen; sie ist nur eine Näherung. Das hat einerseits technische Gründe: Zur Berechnung ist eine Reihenentwicklung nötig, von der nicht alle Terme ins endgültige Resultat übernommen werden. Andererseits ist die Formel auch aus physikalischer Sicht nicht vollständig. Im realen Sonnensystem sind ja nie nur drei Himmelskörper involviert, sondern sehr viel mehr, die sich alle durch ihre gegenseitige Anziehungskraft beeinflussen. Dennoch gibt Hills Formel eine sehr gut funktionierende Näherung.
Der Hill-Radius für unseren Mond beträgt 60 000 Kilometer; würde sich also ein weiterer Himmelskörper in entsprechendem Abstand befinden, dann könnte er den Mond umkreisen, während beide sich um die Erde bewegen. Zumindest für ein paar hunderttausend Jahre, denn die Gezeitenkräfte lassen so eine Konfiguration nicht lange überleben. Mehr Chancen hätte ein Objekt, das zum Beispiel einen Mond des Neptuns umkreist. Der sonnenfernste Planet hat eine große Hill-Sphäre und kann auch weit entfernte Monde halten – die dadurch selbst wiederum einen entsprechend großen Hill-Radius mit genug Platz für weitere Monde haben.
Entdeckt haben wir bis jetzt allerdings noch keinen Mond eines Mondes. Zumindest nicht im Sonnensystem. Aber bei den Planeten anderer Sterne haben wir vielleicht mehr Glück. Noch steht die zweifelsfreie Identifizierung eines extrasolaren Mondes zwar noch aus. Doch geben muss es solche Himmelskörper, und es ist durchaus möglich, dass so ein Exomond selbst auch einen Mond hat.
Juna Kollmeier von der Carnegie Institution of Washington und Sean Reymond von der Universität Bordeaux haben das in einer Arbeit aus dem Jahr 2018 untersucht und einige gute Kandidaten identifiziert. Und gleich eine Anregung geliefert, wie solche Monde von Monde genannt werden könnten: »submoons«, also »Untermonde«. Andere Vorschläge lauteten »Mondmond« oder »Mooond«. Zum Glück haben wir ja noch ein wenig Zeit, bis wir so ein Objekt tatsächlich entdecken. Bis dahin fällt uns ja vielleicht noch ein vernünftiger Name ein.
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