Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte, wie die Glühlampe das Licht der Welt erblickte

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Als die Zuschauer am 8. Dezember 1881 das fast ausverkaufte Wiener Ringtheater betraten, freuten sie sich auf die Operette »Hoffmanns Erzählungen« mit Musik von Jacques Offenbach. Ungefähr 1700 Menschen hatten sich im Theater eingefunden. Dann, kurz vor 19 Uhr, nahm das Unglück seinen Lauf. Theaterbedienstete entzündeten 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn 48 Gaslampen im Bühnenraum. Die Lampen waren in mehreren Reihen in Beleuchtungskästen montiert, die über eine elektrische Zündvorrichtung angeschaltet werden konnten. Bei einer Reihe gab es Schwierigkeiten. Die Lampen wollten nicht brennen, Gas strömte aber weiter aus. Als einer der Arbeiter noch einmal versuchte, sie zu entzünden, kam es zu einer Verpuffung – mehrere Bühnenelemente fingen Feuer.
Diverse Sicherheitsmängel und unglückliche Umstände entfachten einen Brand, der nicht mehr zu stoppen war. Die Wasserleitung war zudem defekt, ebenso die Notbeleuchtung. Die Drahtcourtine – ein Vorhang aus Eisendrahtgeflecht, der das Übergreifen des Feuers in den Zuschauerraum verhindern sollte – war bereits hochgezogen worden. Und als die Bediensteten über einen Seitenausgang das Theater verließen, entstand ein Luftzug, der die Flammen von der Bühne in den Zuschauerraum überspringen ließ.
Auch die erste Semperoper brannte wegen eines Defekts in der Gasleitung
Das Ringtheater brannte bis auf die Grundmauern nieder. Fast 400 Menschen starben bei dem Unglück. Es war der bis dahin verheerendste Brand der Theatergeschichte, und doch stand er in einer langen Reihe von Feuerkatastrophen in Schauspielhäusern. Die größte Gefahr für die Theater war scheinbar die Gasbeleuchtung. Auch die erste Semperoper, das Königliche Hoftheater Dresden, wurde 1869 ein Opfer der Flammen, nachdem zwei Arbeiter eine Gasleitung für einen Kronleuchter unsachgemäß repariert hatten.
Trotz solcher Vorfälle war die Gasbeleuchtung weit verbreitet, sorgte sie doch dafür, dass die Nacht zum Tag wurde. Künstliches Licht hatte die Welt für immer verändert, es machte die Industrialisierung und unser modernes Leben überhaupt erst möglich. Ende des 19. Jahrhunderts lag diese Energiesparte fest in der Hand der Gasunternehmen. Auch, weil es überhaupt keine marktreifen Alternativen zur Gaslampe gab, wie der Journalist Alexander Bartl in seinem Buch »Der elektrische Traum« schreibt.
Erfinder und Ingenieure tüftelten zwar schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts am elektrischen Glühlicht, konnten das Problem der zu kurzen Brenndauer aber nicht lösen. Die ersten elektrischen Lichtquellen, die für mehr Helligkeit in den Straßen sorgten, waren Kohlebogenlampen. Dabei wurden zwei Graphitstäbe zusammengeführt, Strom angelegt und wieder getrennt. Zwischen den beiden Stäben bildete sich dann ein heller Lichtbogen. Vorteil war, dass die Kohlebogenlampen sehr hell strahlten, allerdings mit dem Nachteil, dass die Lampen eine extreme Hitze entwickelten und die Graphitstäbe immer wieder nachgeschoben werden mussten. Werner von Siemens (1816–1892) sorgte dafür, dass 1879 der Münchner Hauptbahnhof dank der Kohlebogenlampen zum ersten elektrisch beleuchteten Bahnhof Deutschlands wurde.
Für Privathaushalte war diese Art der Beleuchtung allerdings ungeeignet, dort dominierte neben Kerzenlicht und Öllampen vor allem Gasbeleuchtung. Ein Umstand, den ein Erfinder in den USA ändern wollte: Thomas Alva Edison (1847–1931). Für seine Labore in Menlo Park im heutigen Silicon Valley engagierte er zahlreiche Ingenieure, Mechaniker und Wissenschaftler. Bei der Glühlampe waren das vor allem der Schweizer Maschinenbauer John Kruesi, der britische Erfinder Charles Batchelor und der Thüringer Glasbläser Ludwig Böhm. Sie waren auf der Suche nach dem perfekten Glühfaden. Dazu führten sie umfangreiche Testreihen durch.
Vom Kraftwerk bis zur Glühlampe
Erstmals auf der Weltausstellung 1878 in Paris hatte die Öffentlichkeit elektrisches Licht als Neuheit wahrgenommen. Bald danach, im Jahr 1880, sicherte sich Edison das erste Glühlampen-Patent. Doch ob diese Art der Beleuchtung jemals konkurrenzfähig sein würde, war noch nicht absehbar. Mit einem karbonisierten Baumwollfaden in einem Vakuum erreichten sie immerhin eine Brenndauer von 14 Stunden.
Edison war nicht der Erste, der mit Glühlampen experimentierte, und er war auch nicht der Erfinder der Glühlampe. Aber er war davon überzeugt, dass langlebige und günstige Glühlampen die Gasleuchten bald ablösen würden. Und er war äußerst geschäftstüchtig. Noch vor dem Durchbruch der mit Strom betriebenen Lampe gründete er die weltweit erste Firma für elektrische Beleuchtung, die Edison Electric Light Company.
Es folgten der Edisonzähler – das erste praxistaugliche Messgerät für elektrische Energie – und die Gründung der Edison Illuminating Company, die in New York Elektrizitätswerke bauen sollte. Außerdem gründete er, noch bevor die Glühlampen auf dem Markt waren, Niederlassungen in Europa. In Deutschland wurde Edison durch Emil Rathenaus Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität vertreten, die 1888 den Namen erhielt, unter dem sie noch heute bekannt ist: Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, kurz AEG.
Edison wollte elektrisches Licht zum Alltagsgut werden lassen, daher investierte er nicht nur in Lampenfabriken, sondern vor allem in Kraftwerke, Generatoren, Leitungen und Verbrauchszähler. Die gesamte Infrastruktur wollte er aufbauen. Er war überzeugt davon, dass die Zukunft dem elektrischen Strom galt. Zudem sei Strom viel sicherer in der Nutzung als Gas. Die großen Brände in Schauspielhäusern, die Ende des 19. Jahrhunderts die Gesellschaften stark erschüttert hatten, bezeugten das Problem. Die Elektrifizierung sei praktikabler und sicherer als die Versorgung mit Gas.
Gas versus Strom
Die Gasunternehmen machten derweil Stimmung gegen das elektrische Licht. Doch es half nichts, am Ende setzte es sich durch. Bald schon nutzten die Menschen Gas nur noch zum Heizen und Kochen. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis alle Haushalte flächendeckend an das Stromnetz angeschlossen waren. Daher blieben bis weit ins 20. Jahrhundert Gas- und Petroleumlampen in Privathaushalten eine verbreitete Beleuchtungsart. Doch selbst mit etwas Verzögerung wurde der Glühfaden aus Wolfram das künstliche Licht der Wahl – bis die Glühlampen im 21. Jahrhundert per EU-Gesetz von LEDs und Energiesparlampen abgelöst wurden.
Die Elektrifizierung des Lichts verhinderte allerdings nicht wie erhofft, dass Theater in Brand gerieten. So etwa am 30. Dezember 1903 in Chicago, wo sich eine der schlimmsten Brandkatastrophen der US-Geschichte ereignete. Das dortige Iroquois Theater war erst seit fünf Wochen in Betrieb. Es war mit Glühlampen ausgestattet und galt als feuerfest: Ein Asbestvorhang sollte das Übergreifen eines etwaigen Feuers zwischen Bühne und Zuschauerraum verhindern.
Mehr als 1900 Menschen waren im Theater, als sich bei einer Nachmittagsaufführung ein Segeltuchfaden entzündete, der über einem Scheinwerfer hing. Es kam zu einem Kurzschluss, Funken sprühten, erst brannte die Kulisse, kurz darauf der Zuschauerraum. Auch weil das Ensemble über den Bühnenausgang floh, dabei Luft in das Gebäude strömte und das Feuer zusätzlich anfachte. Das Unglück kostete mehr als 600 Menschen das Leben.
Ursache des Brands war nicht die Elektrizität als solche. Ebenso wenig wurde das Ringtheater von Wien zerstört, weil man Gas für die Lampen verwendete. Technische und menschliche Fehler führten zu den Katastrophen. In Chicago zudem vorsätzliche Nachlässigkeit: Die Brandschutzbeauftragten waren bestochen worden, Schläuche versagten den Dienst, der Asbestvorhang klemmte – und bestand womöglich gar nicht aus Asbest. Den Siegeszug des elektrischen Lichts hielten diese Erkenntnisse aber nicht mehr auf.
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