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Klimawandel: Deutschland ist schon zwei Grad wärmer

Klimaforscher Stefan Rahmstorf erläutert, warum es schon heute wärmer ist als oft angegeben. Die Erklärung ist überraschend einfach.
Ein frisch bepflanztes Gemüsefeld mit Bewässerungsanlagen

Noch im Januar vermeldete der Deutsche Wetterdienst, Deutschland habe sich seit 1881 um 1,6 Grad Celsius erwärmt. Doch ein Blick auf die Jahreswerte des Deutschen Wetterdienstes zeigt nicht nur eindrücklich, wie die Klimaerwärmung immer weiter voranschreitet.

Die Grafik zeigt ebenso, dass viele Angaben des Temperaturanstiegs, zum Beispiel auch die 1,5 Grad, die im Monitoringbericht der Bundesregierung genauso wie im – sonst sehr informativen – »Spektrum«-Heft vom September genannt werden, den wahren Anstieg unterschätzen. Die mittleren Temperaturen in Deutschland sind seit dem späten 19. Jahrhundert bereits um 2,0 Grad Celsius gestiegen.

Abb. 1. Jahreswerte der mittlerenTemperaturen in Deutschland seit 1881

Dass der Anstieg stärker ist als im globalen Mittel, ist nicht untypisch für Landgebiete. Doch wie kommt es zu der Diskrepanz zwischen den Angaben? Die Antwort ist einfach: Der Deutsche Wetterdienst gibt den linearen Trend an. Hier kommt man zur Grafik des DWD samt der Trendlinie.

Wenn man eine nichtlineare Entwicklung beschreibt, ist das aber nicht sinnvoll. Ein linearer Trendwert ist dann aussagekräftig, wenn eine zeitliche Entwicklung in guter Näherung durch einen konstanten Anstieg plus Zufallsschwankungen beschrieben werden kann. Ob das der Fall ist, testet man üblicherweise, indem man von den Daten den linearen Trend abzieht, so dass die statistischen Schwankungen übrig bleiben. Beim so erhaltenen »Rest« schaut man, ob die Werte mit einer zufälligen Verteilung vereinbar sind.

Man sieht in der Grafik jedoch schon auf den ersten Blick, dass das nicht so ist: Seit Mitte der 1980er Jahre liegen die Werte fast durchweg über der linearen Trendlinie und sind keineswegs zufällig um die Trendlinie verteilt.

Nichtlineare Entwicklung entspricht der Erwartung

Zudem erwarten wir natürlich auch keine lineare Klimaerwärmung seit dem 19. Jahrhundert, denn wir kennen die Ursache: die Veränderungen der Strahlungsbilanz unseres Planeten durch steigende Treibhausgasmengen in der Atmosphäre und einige andere kleinere Faktoren. Dieser in der Fachwelt Strahlungsantrieb genannte Treiber der Erwärmung verläuft nicht linear, sondern ist seit den 1970er Jahren besonders steil angestiegen.

Entsprechend lassen Modellsimulationen mit Klimamodellen einen nichtlinearen Verlauf der globalen Temperatur erwarten – der auch gut mit dem beobachteten Temperaturverlauf übereinstimmt.

Der beobachtete globale Temperaturverlauf entspricht auch relativ gut dem in Deutschland (siehe die nichtlineare Trendlinie in der ersten Abbildung), mit zwei Unterschieden: Der Anstieg in Deutschland ist deutlich größer – das ist typisch für Landgebiete. Denn der globale Mittelwert besteht zu mehr als zwei Dritteln aus Meeresstemperaturen, und die Meere erwärmen sich langsamer als Landgebiete.

Und die Schwankungen von Jahr zu Jahr sind in Deutschland größer – auch das ist erwartet, denn regionale wetterbedingte Zufallsschwankungen heben sich im globalen Mittel zum großen Teil auf.

In der aktuellen (sehr lesenswerten) Broschüre WAS WIR HEUTE ÜBERS KLIMA WISSEN – mitherausgegeben vom DWD – findet sich denn auch die folgende Darstellung von Zehn-Jahres-Mittelwerten.
Abb. 2: Zehnjahresmittelwerte der Deutschlandtemperaturen laut DWD.

Die Grafik bestätigt, dass wir seit dem späten 19. Jahrhundert bereits zwei Grad Celsius Erwärmung hinter uns haben, nicht nur 1,6 Grad.

Wie erwähnt, ist das keineswegs unüblich für Landgebiete: sie erwärmen sich typischerweise um 50 bis 100 Prozent stärker als der globale Mittelwert. An Land leben wir – und dort bauen wir unsere Nahrung an. Zwei Grad globale Erwärmung bedeutet aber für die meisten Landgebiete drei oder gar vier Grad Erwärmung, mit entsprechend schwerwiegenderen Folgen für unser Wohlergehen. Diese Tatsache darf man nie vergessen, wenn von globalen Mittelwerten gesprochen wird.

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