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Krebs verstehen: Wie schädlich sind E-Zigaretten?

E-Zigaretten gelten bei vielen als harmlose Alternative zu Tabak. Welche schädlichen Stoffe im Dampf stecken und was man über das Krebsrisiko beim Vapen weiß.
Zwei Frauen sitzen auf einer Holzbank im Freien bei Dämmerung. Die Frau links hält eine E-Zigarette, während sie Rauch ausbläst. Die Frau rechts lächelt.
Rund 40 Prozent der E-Zigaretten-Raucher schätzen Vapen als deutlich weniger schädlich ein als Tabakrauchen.

Statistisch gesehen erkrankt fast jeder zweite Mensch im Lauf seines Lebens an irgendeiner Art von Krebs. Weil man selbst betroffen ist oder eine betroffene Person kennt, geht das Thema damit alle etwas an. Gleichzeitig wissen viele Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen sehr wenig über die Erkrankung. Was passiert dabei im Körper? Warum bekommt nicht jeder Krebs? Und wie individuell läuft eine Krebstherapie eigentlich ab? Diese und weitere Fragen beantwortet die Ärztin Marisa Kurz in ihrer Kolumne »Krebs verstehen«.

Vor einigen Jahren saß ich auf dem Deutschen Krebskongress in einem Vortrag, in dem die Redner vor den gesundheitlichen Gefahren von E-Zigaretten warnten. Am Ende warf ein wütender Zuhörer ihnen vor, Meinungsmache zu betreiben. Schließlich sei ja nicht wissenschaftlich bewiesen, dass E-Zigaretten der Gesundheit schaden.

E-Zigaretten sind erst seit 2007 kommerziell in Deutschland erhältlich. Tatsächlich fehlen deshalb Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Risiken, auch zum Krebsrisiko. Da Krebs meist erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach einer Schadstoffbelastung auftritt, lässt sich bislang nicht sicher sagen, ob und wie stark E-Zigaretten die Krebsgefahr erhöhen. Aber Vorsicht: Das bedeutet nicht automatisch, dass E-Zigaretten gesundheitlich unbedenklich sind.

E-Zigaretten werden immer beliebter. Zwischen 2016 bis 2023 hat ihr Konsum um rund 38 Prozent zugenommen. Etwa 2,2 Prozent der deutschen Bevölkerung raucht regelmäßig E-Zigaretten. Gleichzeitig bleibt die Zahl der Tabakraucher hoch. In den vergangenen zehn Jahren ist zudem der Anteil starker Raucher gestiegen.

Herkömmliche Zigaretten sind unstrittig der wichtigste vermeidbare Risikofaktor für Krebs. Und zwar nicht nur für Lungenkrebs, sondern unter anderem auch für Darm-, Leber-, Bauchspeicheldrüsen-, Speiseröhren- und Blutkrebs. 2019 starben weltweit mehr als 2,5 Millionen Menschen an einer Krebserkrankung im Zusammenhang mit Tabakkonsum. In Deutschland erkrankten 2018 etwa 85000 (Ex-)Raucher an Krebs. Rund 127 000 Menschen starben an den Folgen des Rauchens. Rauchen erhöht außerdem die Gefahr für Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die beiden anderen Haupttodesursachen in Deutschland.

Die Liste an schädlichen Substanzen in den Liquids und Aerosolen ist lang

Sind E-Zigaretten gesünder als Zigaretten?

Viele Menschen nehmen an, dass E-Zigaretten weniger schädlich seien, weil dabei kein Tabak verbrannt, sondern so genannte Liquids verdampft werden. Doch beim Erhitzen der Flüssigkeiten können gesundheitsschädliche Stoffe entstehen. In Liquids wurden bislang etwa 60 verschiedene Substanzen nachgewiesen, von denen viele dann ebenso im Dampf enthalten sind. Hauptbestandteile der Liquids sind Propylenglykol, Glyzerin und Aromen. In der Regel enthalten sie auch Nikotin, ein Nervengift, das schnell abhängig macht. In Aerosolen finden sich Krebs erregendes Formaldehyd, möglicherweise Krebs erregendes Azetaldehyd, das reizende Acrolein, freie Radikale, flüchtige organische Verbindungen sowie giftige Metalle wie Blei, Chrom, Nickel und Kadmium. Diese Stoffe können Zellen und DNA schädigen – und so Krebs auslösen.

Theoretisch können in Liquids sogar schon bei Raumtemperatur schädliche Substanzen entstehen. Beispielsweise reagieren Propylenglykol und Glyzerin mit Aromastoffen wie Vanillin, Zimtaldehyd oder Benzaldehyd. Welche schädlichen Stoffe sich dabei bilden und schließlich im Aerosol landen, lässt sich nicht genau bestimmen. Denn wie sich das Aerosol exakt zusammensetzt und im Körper wirkt, hängt auch vom Gerätetyp und der Tiefe der Inhalation ab. Eine allgemeine Aussage darüber zu treffen, wie gefährlich E-Zigaretten sind – gerade im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten –, ist also schwierig.

In Speichel, Blut und Urin von E-Zigaretten-Rauchern finden sich höhere Konzentrationen von Schadstoffen wie Nitrosaminen, polyzyklischen Kohlenwasserstoffen, Metallen oder flüchtigen organischen Verbindungen als bei Nichtkonsumenten. Es ist durchaus möglich, dass sie im Körper Schaden anrichten – etwa Krebs auslösen –, aber noch ist das nicht bewiesen.

Da beim Dampfen Aerosole in die Raumluft gelangen, werden diese von umstehenden Menschen ebenso eingeatmet. Auch sie könnten die gesundheitsschädlichen Substanzen der Aerosole aufnehmen und dadurch Schaden nehmen.

Tatsächlich sind in den Aerosolen von E-Zigaretten weniger gesundheitsschädliche Substanzen enthalten als in Tabakrauch. Deshalb gelten sie oft als weniger schädlich oder gar als gesündere Alternative. Vor allem Hersteller bewerben sie entsprechend. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass sich durch einen Umstieg aufs Vapen etwa die Lungenfunktion verbessert, wenn man die Situation mit dem Rauchen herkömmlicher Zigaretten vergleicht. Auf das Herz-Kreislauf-System, das durch das Rauchen besonders belastet wird, hat der Wechsel allerdings keinen wesentlichen Effekt. Zudem drohen neue Gesundheitsgefahren wie etwa die E-Zigaretten- oder Vaping-assoziierte Lungenschädigung (EVALI).

Nikotinhaltige E-Zigaretten können dem ein oder anderen Raucher bei der Entwöhnung von Zigaretten helfen. Wie groß der Effekt ist, ist jedoch umstritten. Medizinische Fachgesellschaften in Deutschland sowie mehrere internationale Gesundheitsorganisationen sprechen sich gegen eine generelle Empfehlung von E-Zigaretten in der Tabakentwöhnung aus.

Bei E-Zigaretten steigt der Nikotinspiegel schneller an als bei klassischen Zigaretten

Fördern E-Zigaretten den Einstieg zum Rauchen?

E-Zigaretten könnte also manchen helfen, von Zigaretten loszukommen. Andere regt es womöglich eher dazu an: Studien zeigen, dass Jugendliche, die E-Zigaretten ausprobieren, später häufiger auch Tabakzigaretten rauchen – teils haben sie ein dreifach höheres Risiko. Der Zusammenhang ist allerdings nicht ganz klar. Möglicherweise erleichtert das Dampfen den Einstieg ins Rauchen. Es kann aber auch sein, dass Jugendliche mit risikofreudigem Verhalten ohnehin beide Produkte testen.

Bei E-Zigaretten steigt der Nikotinspiegel schneller an als bei klassischen Zigaretten. Für das Suchtpotenzial ist vor allem der schnelle Anstieg der Nikotinkonzentration in den ersten Minuten nach Beginn des Konsums entscheidend. Experten befürchten, dass junge Erwachsene deshalb besonders suchtgefährdet sind. In Deutschland hat etwa jeder siebte Jugendliche und etwa jeder dritte junge Erwachsene schon einmal eine E-Zigarette geraucht.

Gefahr von Zigaretten erst nach 100 Jahren erkannt

Zigaretten waren schon Ende des 19. Jahrhunderts weit verbreitet – doch es dauerte rund 100 Jahre, bis ihre gesundheitlichen Gefahren wissenschaftlich bewiesen waren. Noch zu Beginn der 1960er Jahre rauchte rund die Hälfte der Ärzte in den USA, nur ein Drittel der Ärzteschaft hielt Rauchen für ein Krebsrisiko. Erst 1964 erklärte die US-Regierung Rauchen offiziell zu einer Ursache für Lungenkrebs, obwohl Studien den Zusammenhang mehr als 15 Jahre zuvor belegt hatten. Passivrauchen wurde sogar erst 2004 von der Internationalen Agentur für Krebsforschung als Risikofaktor für Krebs eingestuft. Die Einschätzung stützte sich auf in den Jahrzehnten zuvor erhobene Daten.

Wenn es also heißt, dass E-Zigaretten nicht erwiesenermaßen das Krebsrisiko erhöhen, sollte man diese Aussage mit Vorsicht betrachten. Zwar ist die Forschung heute viel leistungsfähiger als damals und kann eine Gefährlichkeit schneller beurteilen. Doch Langzeitschäden zeigen sich eben erst nach längerer Zeit. Ein Umstieg von Zigaretten auf E-Zigaretten mag eine gewisse gesundheitliche Verbesserung mit sich bringen. Trotzdem ist die Liste an schädlichen Substanzen in den Liquids und Aerosolen lang. Deshalb kann ich nur dazu raten, E-Zigaretten zu meiden.

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