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Angemerkt!: Laue Kompromisse

Daniel Lingenhöhl
Der Berg kreißte – und gebar eine Maus: So ließen sich ungefähr die Ergebnisse des G8-Gipfels in Sachen Klimaschutz umschreiben. Viel war im Vorfeld die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkels ehrgeizigen Zielen, bis 2050 die Emissionen weltweit deutlich zu senken, den Anstieg der Erdtemperaturen auf zwei Grad Celsius zu beschränken und vor allem die USA als größten Pro-Kopf-Emittenten ins Boot zu holen.

Und fast noch mehr war die Rede von der Verweigerungshaltung eben jener Amerikaner, die sich keinen verbindlichen internationalen Vorgaben unterwerfen wollen und lieber auf technischen Fortschritt bauen – wie immer er geartet sein möge und auch wenn er sich bisweilen noch nicht einmal am Horizont abzeichnet. Hinter diesem vermeintlich starken Rücken von George W. Bush verstecken sich dankbar Russland und China, die ebenfalls nicht unbedingt gewillt sind, ihren wirtschaftlichen Aufschwung etwas klimafreundlicher zu gestalten.

Es ist also wenig überraschend, dass es in Heiligendamm nur wenige konkrete Fortschritte in Sachen Klimaschutz zu vermelden gibt. Vieles bleibt nur vage Absichtserklärung: Immerhin haben sich sechs der großen Acht dazu bereit erklärt, bis 2050 ihren Kohlendioxid-Ausstoß um die Hälfte zu reduzieren – darunter Kanada und Japan, die sich bislang ebenfalls nicht als Musterknaben in Sachen CO2 hervorgetan haben. Doch wird in dem vereinbarten Papier weder ein Vergleichsjahr genannt, noch wie dieses Ziel erreicht werden soll. So kann es sein, dass manche der bereitwilligen Industriestaaten das Jahr 2007 als Basis heranziehen und nicht 1990 wie vom Kyoto-Protokoll vorgesehen: ein ängstliches „In-die-Zukunft-schieben“, um manche Volkswirtschaften vor dem unvermeidlichen Energiesparen zu schützen.

Wie nicht anders zu erwarten, wehren sich Bush und Wladimir Putin selbst gegen diese Vorgabe, ziehen sie aber wenigstens "ernsthaft in Betracht" und wollen alles "aufmerksam beobachten" – was immer dies im konkreten Fall auch heißen mag. Gleiches gilt für das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken, was ebenfalls nicht explizit genannt wird. Stattdessen beziehen sich die Staatschefs auf den jüngsten IPCC-Bericht, der diese Begrenzung nachdrücklich empfiehlt – im Diplomatenjargon ist diese Wortklauberei als Fußnotentrick bekannt.

Keinerlei Fortschritte brachte der Gipfel auch beim Urwaldschutz, den viele Klimaexperten und Ökologen mittlerweile als einen der Kernpunkte zur Verhinderung eines extremen Klimawandels betrachten – setzen doch Brandrodung und Abholzung jährlich mindestens ein Fünftel der gesamten globalen Kohlendioxid-Mengen frei. Weder wurden Maßnahmen gegen illegalen Holzeinschlag verabschiedet, noch an einen Ausgleichsfonds für den Waldschutz gedacht. Dagegen treibt die Nachfrage nach "Bio"-Kraftstoffen die Entwaldung noch voran, denn weder wollen die Europäer auf Palmöl aus Indonesien verzichten, noch die Amerikaner auf Ethanol aus südamerikanischem Zuckerrohr – beides kostet Regenwald, die den Plantagen weichen müssen.

Immerhin haben die Europäer unter Federführung von Merkel den Versuch der USA abgewehrt, den Klimaschutz dem Zuständigkeitsbereich der Vereinten Nationen zu entziehen und ihn stattdessen in einer Runde der großen Industrienationen und Schwellenländer auszukungeln. Ohne völkerrechtsverbindliche Verträge wären die Vereinbarungen dieser so genannten G15-Runde, die achtzig Prozent der CO2-Emissionen verantworten, jedoch das Papier nicht wert, auf dem sie stünden.

Demgegenüber einigten sich die anwesenden hohen Damen und Herren, ab Dezember auf Bali ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll auszuhandeln – unter Schirmherrschaft der UNO. Die USA haben selbst dieses erste Klimaschutzabkommen bis jetzt jedoch noch nicht ratifiziert, taktieren nun aber nicht mehr länger gegen neue Verhandlungen. Bis 2009 muss Kyoto II verabschiedet sein, um rechtzeitig in Kraft treten zu können. Wenigstens darin können feste Ziele und Maßnahmen festgelegt werden, die in Heiligendamm noch verpasst wurden.

Der größte Erfolg des G8-Gipfels dürfte daher sein, dass es ein Signal an die wachsenden Volkswirtschaften Chinas, Indiens oder Brasiliens aussandte: Dass zumindest die Mehrheit der westlichen Industriestaaten gewillt ist, der Erderwärmung entgegenzutreten und seine Ökonomie umweltfreundlicher zu gestalten. Und dass diese den Schwellenländern dabei helfen wollen, es ihnen gleichzutun. Ob es dem Klima hilft, sei dahingestellt, die Fortsetzung folgt im Herbst auf Bali.

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