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Hirschhausens Hirnschmalz: Lügen und Lügen lassen

Wem glaube ich, wem glaube ich nicht? Die meisten Menschen sind ziemlich schlecht darin, Unwahrheiten aufzuspüren. Denn gute Lügner kennen gewiefte Tricks – und lassen sich oft nicht mal von Lügendetektoren in die Karten schauen.
Dr. Eckart von Hirschhausen

Halten Sie sich für einen guten Lügner? Ich meine, jetzt mal ehrlich! Wenn Sie gerade spontan innerlich nickten, sind Sie wahrscheinlich … männlich! Denn wie Psychologen und Psychologinnen um Brianna Verigin herausfanden, halten sich Männer doppelt so oft für gute Lügner wie Frauen. Und häufig kommen sie nach eigenen Angaben damit sogar durch.

Das Thema ist so alt wie die Menschheit. Wem glaube ich, wem nicht? Wem kann ich vertrauen, und wer nutzt das aus, um die Wahrheit zu verdrehen. Forscher haben lange versucht, jene Merkmale herauszufiltern, an denen man Lügner erkennt. Mal hieß es, sie mieden Blickkontakt, oder sie stierten viel zu offensichtlich dem Gegenüber in die Augen. Weil Lügen zusätzlichen Denkaufwand bedeutet, fördere es kleine Pausen und Unterbrechungen im Sprachfluss sowie besonders große Gesten, die das Geflunkere kaschieren sollen. Der Haken an all diesen verräterischen Zeichen: Sie taugen nichts! Zumindest kaum mehr als raten. Offenbar sind wir viel schlechter darin, Lügen aufzudecken, als wir meinen. Und die so genannten Lügendetektoren suchen nach Stresssignalen wie schnellem Herzschlag oder verringertem Hautwiderstand – und liegen ebenfalls oft daneben, weil anständige Menschen schon durch die Prozedur aufgeregt sind, Psychopathen dagegen ihr Spiel eiskalt durchziehen, ohne mit dem Puls zu zucken.

Die Forscher um Verigin befragten knapp 200 Leute dazu, wie oft und wen sie in den letzten 24 Stunden belogen hatten. Siehe da: Es gibt ganz schön viele Ehrliche! Nach eigenen Angaben – okay, diese Einschränkung muss sein. Die zweite Überraschung: 40 Prozent aller Lügen stammen von einem kleinen, aber harten Kern von falschen Fuffzigern. Das erinnert mich an eine Studie über Social-Media-Aufreger, bei denen der meiste Schwachsinn auch von sehr wenigen gepostet wurde, aber die Weltsicht vieler verzerrte. Dabei ist die anonyme Lüge im Netz gar nicht die häufigste Form, sondern – halten Sie sich fest: dem anderen direkt ins Gesicht flunkern, noch dazu im engsten Kreis.

Die Erfolgsstrategie der selbstbewussten Lügner lautet: möglichst plausibel bleiben, indem man den Schmu in eine wahre Geschichte einbettet. Schlechte Lügner bleiben meist vage, weil sie sich nicht verraten wollen. Gewiefte Trickser dagegen sagen viel halbwegs Wahres, übertreiben mild, verschweigen das Entscheidende und erfinden nicht mehr, als sie müssen –, und wenn, dann Dinge, die kaum nachprüfbar sind. Italiener kennen dafür das schöne Sprichwort »Se non è vero, è molto ben trovato« – »Es ist zwar nicht wahr, aber schön erfunden«! Hab ich mir nicht ausgedacht, das gibt es wirklich. Sag nicht ich, hat Giordano Bruno gesagt. Sagt man. Ich war nicht dabei. Steht aber im Internet. Ach, das wird nix mehr, wenn das Vertrauen erst futsch ist.

Kaum überraschend wird am meisten in der Familie gelogen. Es passieren ja auch die meisten Unfälle zu Hause. Weil man da eben oft ist. Dabei scheint es besonders schwierig zu sein, Leute zu täuschen, die einen gut kennen. So bleibt unterm Strich nur die altbekannte Wahrheit: Woran erkennt man, ob ein Mann lügt? Er bewegt den Mund.

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  • Quellen

Verigin, B. L. et al.: Lie prevalence, lie characteristics and strategies of self-reported good liars. PLOS ONE 14, e0225566, 2019

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