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In Bestform: Wirkt Sport gegen Regelschmerzen?

Sollten Frauen trotz oder gerade wegen ihrer Beschwerden während der Menstruation weiter trainieren? »In den allermeisten Fällen würde ich dazu raten«, sagt Petra Platen von der Ruhr-Universität Bochum. Im Interview erklärt die Sportmedizinerin, wie die Bewegung Regelschmerzen lindern kann.
Frau liegt mit Bauchschmerzen auf dem Sofa

Viele Frauen haben während ihrer Menstruation Beschwerden im Unterleib oder im Rücken. Kann Sport die Regelschmerzen lindern, und wenn ja, warum? Die Sportmedizinerin Petra Platen von der Ruhr-Universität Bochum gibt Auskunft.

»Spektrum.de«: Frau Professor Platen, wenn ich meine Periode habe, tut mir manchmal der Rücken weh. Beim Laufen wird es gefühlt besser. Können Sie das bestätigen – hilft Sport gegen Regelschmerzen?

Petra Platen: Schmerz und Schmerzempfinden sind individuell verschieden. Es kann also sein, dass es bei der einen Frau hilft und bei der anderen nicht. Wissenschaftlich belegt ist, dass körperliche Aktivität in vielen Fällen günstig wirkt. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Frauen, die insgesamt regelmäßig Sport treiben, weniger Probleme mit Regelschmerzen haben.

Wodurch lässt sich das erklären?

Da gibt es verschiedene Ansätze. Einer fußt darauf, dass Frauen, die regelmäßig Sport treiben, meist schlanker sind als Nichtsportlerinnen und daher andere Hormonkonzentrationen aufweisen. Im Fettgewebe werden ja beispielsweise auch Östrogene gebildet. Die Hypothese ist, dass die zyklusbedingten hormonellen Schwankungen bei schlanken sportlichen Frauen weniger stark ausfallen. Das ist aber noch nicht wissenschaftlich untersucht worden. Ein zweiter Ansatz geht davon aus, dass das Sporttreiben an sich die Schmerzen reduziert.

Über welchen Mechanismus?

Eine mögliche Erklärung ist rein mechanisch: Wenn ich mich bewege, erfährt mein Bewegungsapparat permanent eine Art Schütteln, auch im unteren Becken, wo sich ja die weiblichen Geschlechtsorgane befinden. Das kann zu einer Entspannung der glatten Muskulatur führen. Das heißt, der Uterus krampft nicht so stark und zieht nicht so sehr an den Bändern, an denen er aufgehängt ist.

Petra Platen | Die Sportmedizinerin ist Dekanin der Fakultät für Sportwissenschaft und leitet den Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung an der Ruhr-Universität Bochum. Außerdem ist sie Verbandsärztin des Deutschen Hockeybundes.

Ist es das, was die Rückenschmerzen verursacht?

Ja, genau. Aber auch Schmerzen, die im Uterus entstehen, können in den Rücken ausstrahlen. Experten sind der Meinung, dass die primäre Dysmenorrhö – so bezeichnet man Beschwerden, die bereits kurz nach der ersten Regelblutung auftreten – durch die Freisetzung von körpereigenen Schmerzbotenstoffen während der Menstruation verursacht wird. Das Level an Prostaglandinen ist bei Frauen mit primärer Dysmenorrhö hoch. Diese Substanzen können dazu führen, dass sich die Gebärmutter ähnlich wie bei Wehen zusammenzieht und der Blutfluss verringert wird. Diese Kontraktionen können Schmerzen und Unbehagen verursachen. Prostaglandine machen zudem die Nervenenden in der Gebärmutter schmerzempfindlicher.

Und abgesehen von der mechanischen Komponente, wodurch könnte uns Sport noch Linderung verschaffen?

Während man Sport treibt, ist die Schmerzwahrnehmung ohnehin etwas reduziert. Dazu kommt ein leicht euphorisierender Effekt, der zum Beispiel durch Endocannabinoide verursacht wird. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt im Zustand eines Runner's High; aber auch ohne diesen Effekt hat man beim Sporttreiben häufig eine reduzierte Schmerzwahrnehmung.

Es sind auch noch andere Hormone im Spiel, wie Serotonin und Adrenalin, oder?

Diese beiden und viele andere mehr. Ich würde sagen: Der Gesamtcocktail macht's.

»Auch ohne Runner's High hat man beim Sporttreiben häufig eine reduzierte Schmerzwahrnehmung«

Welche Sportart ist denn besonders gut geeignet?

Das ist eine ganz individuelle Sache. Denn nur, wenn ich eine bestimmte Sportart gerne mache, stellt sich ein gewisser Entspannungseffekt ein. Was nützt es also, wenn ich sage: Schwimmen ist das Allerbeste, und jemand, der nicht gerne schwimmt, quält sich deshalb durchs Wasser? Die mechanischen Reize treten bei jeder körperlichen Aktivität auf. Es dürfte ziemlich egal sein, ob man läuft, Fahrrad fährt oder eine Workout-Session absolviert. Das ist aber meines Wissens noch nicht differenziert untersucht worden.

Wie oft muss ich trainieren, um eine schmerzlindernde Wirkung zu spüren?

Auch dazu gibt es keine konkreten Daten. Wahrscheinlich braucht es aber schon eine gewisse Regelmäßigkeit. Ich würde mich an den allgemeinen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zum Sporttreiben orientieren. Das heißt: dreimal pro Woche Ausdauersport, am besten kombiniert mit Krafteinheiten, für jeweils etwa eine Stunde. So kommt man auf drei Stunden Sport pro Woche. Das ist aus meiner Sicht das Minimum.

Anspruch auf Menstruationsurlaub?

Laut der Techniker Krankenkasse sind die Menstruationsbeschwerden bei einer von zehn Frauen so stark, dass sie für ein bis drei Tage nicht in der Lage ist, ihren normalen Alltag zu bewältigen. In manchen Ländern, etwa Japan, Indonesien und Taiwan, steht es Frauen zu, sich auf Grund von Regelschmerzen ein bis drei Tage zusätzlichen Urlaub zu nehmen. Auch deutsche Politikerinnen haben sich bereits für menstruationsfreundlichere Arbeitsbedingungen ausgesprochen.

Sollte ich lieber Sport treiben, bevor ich meine Tage bekomme oder währenddessen?

Auch da ist es eher ein Bauchgefühl, aber ich würde sagen: Beides hat seine Effekte. Was wirkungsvoller ist, lässt sich so nicht sagen. Wenn ich die ganze Zeit nichts mache und nur dann trainiere, wenn ich schon Schmerzen habe, hilft das wahrscheinlich nicht viel. Genauso wenig bringt es, nur einmal kurz vorher laufen zu gehen.

Es geht also eher darum, trotz der Menstruation regelmäßig weiterzutrainieren?

Sofern das möglich ist. Manche Frauen haben während ihrer Regel so starke Schmerzen, dass sie einfach nur liegen wollen. Dann bringt Sport vermutlich nichts. Aber in den allermeisten Fällen würde ich dazu raten, sich weiterhin viel zu bewegen – so gut es eben geht. Da muss man halt auf seinen Körper hören und die Intensität des Trainings entsprechend anpassen.

Wie lässt sich Muskelkater vermeiden? Wie viel sollten Sportler trinken? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Biochemikerin Annika Röcker in ihrer Kolumne »In Bestform«. Mit Expertinnen und Experten aus der Sportmedizin diskutiert sie, was beim Sport im Körper vorgeht und wie ein gesundes Training aussieht.

Sie selbst haben ein Trainingsprogramm gegen Rückenschmerzen entwickelt. Wie funktioniert das?

Ja, ich habe an einem Rückenprojekt im Rahmen des deutschlandweiten Forschungsverbunds MiSpEx mitgearbeitet, das steht für »Medicine in Spine Exercise«. Wir haben ein Trainingsprogramm entwickelt, das die Rückenmuskulatur kräftigt und Rückenschmerzen reduzieren kann. Es basiert auf Störreizen. Während man die Übungen absolviert, werden bestimmte Instabilitäten induziert, etwa durch einen wackligen Untergrund. Wenn ich versuche, die Körperposition trotzdem zu halten, wird mein gesamtes Stabilisierungssystem sehr viel stärker angesprochen. Wir konnten nachweisen, dass der Effekt deutlich größer ist als bei Menschen, die ein normales Muskeltraining machen.

Hilft das ebenso gegen Regelschmerzen?

Das haben wir nicht untersucht. Ich würde vermuten, dass es bei regelmäßiger Durchführung, also mindestens dreimal pro Woche, positive Effekte hat.

Kann ich das Programm auch zu Hause durchführen?

Ja, das kann jeder selbst zu Hause machen. Auf der MiSpEx-Homepage finden Sie die Anleitungen und Videos dazu. Das Programm umfasst vier Grundübungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Wir empfehlen es für Menschen jeden Alters, die unter unspezifischen Rückenschmerzen leiden.

Wie entstehen solche unspezifischen Schmerzen?

Man muss sich den Rücken als ein Konglomerat verschiedenster Strukturen vorstellen: Zur Stabilisierung der Wirbelsäule braucht es Hunderte von winzigen Muskeln, jeder davon ist an seinem Anfang und Ende mit Sehnen und Knochen verbunden. Zudem gibt es viele kleine Gelenke, die von einem Kapsel- und Bandapparat umgeben sind. All diese Strukturen sind mit Schmerzrezeptoren ausgestattet, die getriggert werden können.

Wodurch zum Beispiel?

Wenn dauerhaft Zug auf sie ausgeübt wird. Bestimmte Muskeln müssen dann permanent arbeiten, um das Ganze stabil zu halten. Sie kennen das sicherlich vom Nacken: Schauen Sie ständig nach unten oder nach oben, verspannt er sich, die Muskulatur wird hart. Dasselbe kann mit den winzigen Muskeln im Rücken passieren. Durch falsche Belastung werden die Strukturen zu stark und einseitig beansprucht. Unspezifischer Rückenschmerz ist häufig die Folge von falscher Haltung und Dysbalancen. Hier ist regelmäßiger Sport das Mittel der Wahl: Das beugt Fehlbelastungen und Verletzungen vor.

Von Sportlerin zu Sportlern

Petra Platens Passion war einst das Handballspielen. Wegen der sehr hohen Belastungen und einer genetischen Disposition habe sie heute zwei künstliche Kniegelenke, berichtet die Sportmedizinerin. Daher treibt sie inzwischen eher moderat Sport, geht viel wandern, spazieren und walken, ab und zu auch mal joggen. Dabei ist sie gerne länger unterwegs: Die Spaziergänge mit ihren Hunden könnten durchaus mehrere Stunden dauern, erzählt sie. Die Bewegung draußen in der Natur verschaffe ihr oft intensive Glücksgefühle.

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