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Hirschhausens Hirnschmalz: Aufgewacht!

Wer weniger Zeit mit sozialen Medien verbringt, hat mehr Zeit für Dinge, die guttun. Schon 20 Minuten weniger pro Tag können die Gesundheit verbessern. Eine Kolumne.
Social Media

Auf die Frage, wer der schärfste Konkurrent von Netflix sei, antwortete Firmenchef Reed Hastings: »Der Schlaf!« Dass wir immer noch etwa ein Drittel des Tages mit geschlossenen Augen verbringen, macht dem Streaming-Anbieter offenbar mehr Sorgen als die Angebote von Amazon und Disney. Geschweige denn von ARD und ZDF. O-Ton Hastings: »Wenn du eine Show auf Netflix siehst und süchtig danach wirst, bleibst du bis spät in die Nacht wach. Wir konkurrieren mit dem Schlaf, das ist ein sehr großer Zeitpool.«

Ich traue mich das gar nicht öffentlich zu sagen: Ja, auch ich schaue hin und wieder Netflix. Dokumentationen wie »Unser Planet« etwa oder Auftritte amerikanischer Comedians. Aber ich habe keine Ahnung von Netflix-Serien, habe noch nie eine geschaut und weiß daher nicht, was mir alles entgeht. Wahrscheinlich viel, für das ich wach bleiben würde; ich fange erst gar nicht damit an, dann muss ich auch nicht wieder davon loskommen.

Anders mit Social Media, wo ich tatsächlich viel zu viel Zeit mit Posten und Kommentarlesen verbrachte, bis mich der Psychologe und Podcaster Leon Windscheid auf eine Studie hinwies. Demnach tut es der Gesundheit gut, wenn man einfach seine Facebook-Nutzung reduziert: Dann raucht man weniger, bewegt sich mehr und fühlt sich überhaupt besser. Gäbe es das als Medikament, wäre es ein Blockbuster. In dem Experiment galt es, zwei Wochen lang 20 Minuten weniger pro Tag auf Facebook zu verdödeln.

Die Forscher von der Ruhr-Universität Bochum untersuchten 286 Leute, die das soziale Netzwerk im Durchschnitt eine Stunde täglich nutzten, mindestens aber 25 Minuten – sonst hätte eine Reduktion um 20 Minuten ja wenig Sinn gemacht. Während die Kontrollgruppe weiter »facebookte« wie immer, reduzierten die anderen um rund ein Drittel. So wie man aktiv und passiv rauchen kann, wurde auch hier verglichen, wie viel man selbst postete oder einfach nur inhalierte, was andere so von sich gaben. Beides ging zurück. Gleichzeitig nahmen suchtartige Symptome der Onlinenutzung ab. Diese Effekte blieben noch drei Monate nach dem Experiment erhalten.

»Besonders die passive Nutzung führt dazu, sich mit anderen zu vergleichen, und senkt das Wohlbefinden«, so Erstautorin Julia Brailovskaia. Da helfe nur Verzicht: »Die emotionale Bindung an die soziale Onlineplattform kann pathologischen Charakter annehmen, vor allem wenn Facebook zur einzigen wahrgenommenen Quelle positiver Emotionen wird. Beteiligt man sich nicht auf Facebook, entsteht oft das Gefühl, Wichtiges zu verpassen und nicht mehr Teil des Ganzen zu sein.«

Hab ich schon erwähnt, dass ich dringend mehr Freunde brauche, damit ich irgendwann so viele habe wie Dieter Nuhr und Kai Pflaume? Und wenn du schon online bist, abonnier mich gleich auf Insta, damit du nichts verpasst. Außerdem habe ich dann das Gefühl, dass meine Popularität noch etwas hält und ich Teil des Ganzen bin. Das wäre toll, geht ganz schnell.

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  • Quellen
Brailovskaia, J. et al.: Less Facebook use – more well-being and a healthier lifestyle? An experimental intervention study. Computers in Human Behavior 108, 2020

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