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Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte von Monopoly und warum wir es heute verkehrt spielen

»Monopoly« steht wie kein anderes Gesellschaftsspiel für den Kapitalismus: Alle versuchen ihren Gewinn zu maximieren, und am Ende räumt einer alles ab. Das war nicht im Sinn der Erfinderin.
Großvater und Enkelkinder spielen Monopoly.

Es war während der großen Depression – der Weltwirtschaftskrise, die am 24. Oktober 1929 mit dem »Schwarzen Donnerstag« in den USA begann. Der arbeitslose Charles Darrow saß zu Hause mit seiner Frau und zwei Kindern und hatte eine Idee: »Wenn ich meine Familie schon nicht ernähren kann«, soll er sich gesagt haben, »dann will ich sie zumindest unterhalten.« Er nahm ein Wachstuch und zeichnete darauf ein Spielbrett mit den Straßennamen von Atlantic City – der Ort an der Atlantikküste in New Jersey, wo die Darrows ihren letzten Urlaub verbracht hatten.

Die Familie war begeistert und spielte jetzt Tag und Nacht das Spiel, das wir als »Monopoly« kennen. Darrow beschloss, seine Idee zu vermarkten und schickte sie an die zwei großen Spielehersteller jener Zeit, Parker Brothers und Milton Bradley. Beide zeigten kein großes Interesse. Wer möchte sich schon mitten in einer Weltwirtschaftskrise mit einem Spiel über Immobilienspekulationen beschäftigen? Davon unbeeindruckt, vertrieb Darrow das Spiel erst einmal selbst – und zwar so erfolgreich, dass bald Parker Brothers doch bei ihm anklopfte und ihm die Rechte abkaufte.

Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner bringen jede Woche »Geschichten aus der Geschichte« auf ihrem gleichnamigen Podcast. Auch auf »Spektrum.de« blicken sie mit ihrer Kolumne in die Vergangenheit und erhellen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind.
Alle bisherigen Artikel der Kolumne »Hemmer und Meßner erzählen« gibt es hier.

Die Erfinderin von »Monopoly«

So beginnt die offizielle Geschichte eines der erfolgreichsten Gesellschaftsspiele der Welt. Und sie ist auch an sich nicht falsch. Aber sie lässt eine entscheidende Episode unerwähnt: die Vorgeschichte. Sie beginnt 30 Jahre vor Charles Darrow, der das Spiel nicht erfunden, sondern nur als Erster erfolgreich vermarktet hatte. Die eigentliche Erfinderin heißt Elizabeth Magie (1866–1948). Und die Idee des Spiels keimte aus einer Kapitalismuskritik.

Elizabeth Magie | Die Erfinderin des Spielprinzips von »Monopoly« wurde 1866 im US-Bundesstaat Illinois geboren. Sie starb 1948.

Magie arbeitete um 1900 in den USA als Stenografin. Wichtiger als der Job war ihr allerdings, Interessierte von ihren politischen und wirtschaftlichen Theorien zu überzeugen. Sie gab Kurse und hielt Vorträge, suchte aber nach neuen Mitteln, Menschen ihre Ansichten näherzubringen. Das brachte sie auf die Idee, ein Brettspiel zu gestalten.

Doch welcher Theorie hing Magie an? Sie war bekennende Georgistin. Damit ist eine Wirtschaftstheorie gemeint, die nach Henry George (1839–1897) benannt ist. Er war Vertreter der Single-Tax-Theorie (Einheitssteuer) und forderte, dass alle Steuern abgeschafft werden sollten, bis auf eine – die auf Land- oder Grundbesitz. Der Ökonom machte für die Armut in den Städten nämlich Landeigentum und Monopole verantwortlich. Kapitalismus sei gut, um Reichtum zu erzeugen, aber äußerst schlecht darin, ihn zu verteilen, lautete das Kredo von Henry George. Und Georgisten wie Elizabeth Magie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, seine Ideen zu verbreiten.

Aus »The Landlord’s Game« wird »Monopoly«

Magie entwarf »The Landlord’s Game«. Das Spiel ließ sie 1904 patentieren. Es gilt als Vorläufer von »Monopoly«, das sich zwar bis zum Patent von Parker Brothers im Jahr 1935 noch veränderte, aber viele Elemente, die wir heute kennen, waren bereits vorhanden: Bahnhöfe, Grundstücke zum Kauf und Verkauf, Spielgeld oder auch das Feld »Gehen Sie in das Gefängnis« (»Go to Jail«). Magie bot das Spiel auch Parker Brothers an, die es aber als zu kompliziert ablehnten.

Für »The Landlord’s Game« gab es zwei Anleitungen: Bei der Variante mit Einheitssteuer wurden alle Mitspieler belohnt, wenn einer Geld eingenommen hatte. Bei der Monopolvariante war das Ziel, alle anderen in den Ruin zu treiben. Eine der beiden Varianten geriet aber bald in Vergessenheit.

Der Weg über Atlantic City

Das Spiel verbreitete sich in den nächsten Jahrzehnten in unterschiedlichen Gemeinschaften, etwa in der »Village of Arden« in Delaware. Diese Gemeinde beruht auf den Prinzipien von Single Tax. Auch an einigen Colleges erfreute es sich in den 1920er Jahren großer Beliebtheit. Den meisten war da der Ursprung des Spiels aber schon unbekannt. Viele der Fans hatten sich eigene Spielbretter und Figuren gebastelt. Doch der Name »Monopoly« hatte sich bereits etabliert.

»The Landlord's Game« | So nannte Elizabeth Magie ihr Gesellschaftsspiel. Heute ist es besser bekannt als »Monopoly«. Das Spielbrett stammt aus dem Jahr 1906.

Eine Gruppe soll das Spiel maßgeblich geprägt haben: die Quäker, die in den 1920er Jahren in Atlantic City lebten. Die Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft veranstalteten regelmäßig Spieleabende, und »Monopoly« war sehr beliebt. Die Quäker modifizierten das Spiel an einigen Stellen: Sie führten ein »Frei parken«-Feld ein und benannten die Straßen nach denen in Atlantic City – so lauten noch heute die Straßenbezeichnungen der US-Fassung. In der deutschen Version waren es ursprünglich Berliner Straßennamen. Nachdem das Spiel von den Nationalsozialisten verboten wurde, kam es 1953 wieder auf den Markt – diesmal mit generischen Straßennamen.

Über die Quäker gelangte das Spiel nun in die Hände von Charles Darrow, der die Atlantic-City-Namen inklusive eines Schreibfehlers (Marvin Gardens statt Marven Gardens) übernahm, das Spielfeld etwas umgestaltete und sich daran machte, es zu vermarkten. 1935 verkaufte er »Monopoly« schließlich an Parker Brothers. Der Hersteller kontaktierte daraufhin Elizabeth Magie mit dem Angebot, »The Landlord’s Game« als eigenes Spiel herauszubringen. Man wollte sichergehen, keine Rechte zu verletzen. Magie sagte begeistert zu, aber das Spiel floppte und wurde bald wieder vom Markt genommen – im Gegensatz zu »Monopoly«.

So kam es, dass ein Gesellschaftsspiel, das als Kapitalismuskritik gedacht war, zu einem positiven Symbol für den Kapitalismus wurde – und in dieser Variante heute weltweit gespielt wird.

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