Zukunft der NASA: Schlechte Aussicht für Trittbrettflieger

US-Präsident Donald Trump ist seit dem 6. Januar 2025 im Amt, und schon nach den ersten 100 Tagen seiner Regierungszeit beginnt in Sachen Raumfahrt wieder das Spiel, das alle neuen US-Präsidenten spielen. Alles, was unter Vorgängern in langjähriger Arbeit angedacht, durchgeplant und teilweise schon realisiert wurde, wirft der neue im Weißen Haus über Bord. Das war schon vor Trump die Regel. Alle vier bis acht Jahre marschiert der Tross im US-amerikanischen Raumfahrtprogramm folglich aufs Neue los und wechselt die Richtung.
Wäre das US-Raumfahrtprogramm seit Ronald Reagan kontinuierlich, ungestört und moderat finanziert weitergelaufen, würde heute vielleicht schon die US-Flagge auf dem Mars wehen. Stattdessen sitzen die Amerikaner weiterhin vor allem im Erdorbit fest.
Trump hat sich zusätzlich die Sanierung des US-Staatshaushalts auf die Fahnen geschrieben, weshalb auch die NASA nicht ungeschoren davonkommen soll. Indem er den NASA-Haushalt um satte 25 Prozent kürzt, verpasst Trump seiner Raumfahrtbehörde die prozentual größten Einschnitte ihrer Geschichte. Das ist zumindest im so genannten Budget Proposal vorgesehen, das der US-Präsident Anfang Mai vorlegte. Darin streicht er die Mittel von derzeit etwa 25 Milliarden auf 19 Milliarden zusammen. Die Kürzungen betreffen vor allem die Bereiche Weltraumwissenschaften, Erdbeobachtung und NASA-Zentren.
Was werden die Folgen sein?
Werden Trumps Vorschläge umgesetzt, sieht es allerdings auch für Europas Raumfahrt düster aus, da viele Projekte zusammen mit der NASA laufen sollten: das Orion-Service-Module, der Lunar Gateway, europäische Astronauten auf dem Mond, das Mars-Sample-Return-Programm und womöglich der US-Beitrag für Europas ExoMars-Rover. Sie alle könnten nun dem Rotstift zum Opfer fallen.
Über die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit bei der ISS – die durchaus im starken Eigeninteresse der USA erfolgte – wird gerne vergessen, dass die USA sich in der Vergangenheit bereits regelmäßig als unzuverlässiger Partner erwiesen. Verträge wurden oft urplötzlich und ohne Rücksprache mit den Europäern aufgekündigt, wann immer es opportun erschien. Die Ausstiegsklausel war stets einer der wichtigsten Vertragsbestandteile bei Vereinbarungen mit den USA.
Noch bevor ich meine Laufbahn in der Raumfahrtindustrie angetreten hatte, gab es beispielsweise das legendäre Symphonie-Desaster: zwei Kommunikationssatelliten, die in den frühen 1970er Jahren in deutsch-französischer Zusammenarbeit entstanden. Der Start war ursprünglich mit der Europa-Rakete geplant. Doch dieses Programm scheiterte krachend, was man durchaus wörtlich nehmen kann, denn sämtliche Orbitalstartversuche der Rakete misslangen.
Vor allem die deutsche Bundesregierung war strikt gegen eine Beteiligung an einem Nachfolgeprogramm für einen europäischen Träger (der späteren Ariane), denn man hatte die Zusage der Amerikaner, jederzeit europäische Nutzlasten in die Umlaufbahn zu transportieren. Tatsächlich wurden die Symphonie-Satelliten mit zwei Delta-Raketen von Cape Canaveral aus gestartet. Allerdings machte die US-Regierung zur Auflage, dass die Satelliten nur für Testzwecke und nicht praktisch verwendet werden dürften. Das eigene Monopol für Nachrichtensatelliten hatte Priorität für Washington.
Bei der International Solar Polar Mission in den frühen 1980er Jahren erlebte ich selbst ebenfalls die zweifelhafte Vertragstreue mit. Die NASA zog ihre zugesagte Beteiligung mit einem eigenen Raumfahrzeug zurück, so dass nur die Sonde Ulysses als europäischer Beitrag verblieb, und der wissenschaftliche Output halbiert wurde. Auch bei der so genannten Halley-Armada für das Jahr 1986 stieg die NASA kurzfristig wieder aus. Und genauso war es beim X38-Raumgleiterprogramm, wo Europa schon für viel Geld erhebliche Mengen an Hardware entwickelt und gebaut hatte, als die NASA von einem Tag auf den anderen den Stecker zog. Ähnlich war es im ExoMars-Programm (das Anfang der 2000er Jahre noch ESA-Aurora-Programm hieß), bei dem die NASA eigentlich mit von der Partie sein sollte. Die Streichung ging damals auf Barack Obama zurück. Und es gäbe noch einige Beispiele mehr.
Welche Auswirkungen hat Trumps Kürzungsvorschlag nun konkret, etwa auf Europas Anteil am Artemis-Programm? Die Hardware für die Flüge Artemis II und Artemis III ist fertig produziert, zum Teil sogar schon komplett integriert. An diesen beiden Missionen soll zwar nicht gerüttelt werden, doch ein großer Teil der Komponenten und Baugruppen für Artemis IV ist ebenfalls schon fertig, wenngleich nicht zusammengebaut. Die Orion-Servicemodule bis Artemis IX sind vertraglich ausgehandelt und befinden sich ebenfalls in Produktion oder in Planung. Und bei Airbus und der ArianeGroup in Bremen hat man sich sogar schon auf die Verträge zur Lieferung der Orion-Servicemodule 10 bis 13 vorbereitet. Ausgang eher ungewiss.
Und die geplanten Einsparungen an der ISS werden die Europäer empfindlich treffen. Trump will dem ISS-Programm 500 Millionen Dollar weniger geben als bisher. Wo die eingespart werden sollen, ist nicht klar. Eine der Möglichkeiten bestünde darin, die Crew-Rotation zu reduzieren und die Besatzungen länger oben zu lassen. Das bedeutet für Europa: weniger Plätze für die eigenen Astronauten und weniger Experimente.
Zieht endlich die Lehren daraus!
Die Lehre, die Europa aus diesem Schlamassel ziehen muss, wäre seit Jahrzehnten stets die gleiche: »Werdet endlich selbstständig!« Steckt richtig Kapital in die Zukunftstechnologie Raumfahrt, nicht nur Kleingeld. Schafft eigene Kapazitäten für bemannte Raumfahrt. Seid mit vorne dabei. Bestimmt selbst, wo es langgeht und fliegt nicht immer nur auf US-amerikanischen Trittbrettern mit.
Denn Europa ist – hier hat Donald Trump völlig Recht – tatsächlich ein Trittbrettfahrer: zu nachlässig, überbürokratisiert und zu geizig, um gehaltvoll Eigenständiges auf die Beine zu stellen und ins Risiko zu gehen.
Das gilt selbst dann, wenn Trumps Haushaltsentwurf auf dem langen Weg durch die Instanzen noch entschärft wird, bis ihn der US-Kongress später endgültig verabschiedet.
Die Chancen stehen ziemlich gut, dass die Kürzungen am Ende nicht so dramatisch ausfallen, wie sie jetzt aussehen. Manches, das Obama bereits vor 15 Jahren stornieren wollte, wurde vom US-Kongress am Ende gerettet. Doch in Europa allein darauf zu hoffen, ist zu wenig.
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