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Masern im Kongo: Nothilfe allein reicht nicht

Das eigentliche Problem in der DR Kongo sind nicht Masern oder Ebola, sondern die allgemeine Gesundheitskatastrophe, die immer wieder neuen Seuchen den Boden bereitet.
Foto eines Krankenzimmers mit altertümlichen Hospitalbetten, in denen Patientinnen mit ihren Habseligkeiten sitzen und liegen.

Einmal mehr braucht die Demokratische Republik Kongo medizinische Nothilfe. Mit ausgebildeten Helfern und mehr Geld versucht die Weltgesundheitsorganisation, neben der Ebolaepidemie im Osten des Landes nun zusätzlich einen Masernausbruch mit bisher über 6000 Toten in den Griff zu bekommen. Die aktuelle Krise zeigt aber auch: Mit Katastrophenhilfe ist es nicht getan.

Systematisch und im großen Stil bekämpfen muss man vor allem die gigantische, chronische Krise, ohne die es die schlagzeilenträchtigen Epidemien so nicht gäbe. Von ihr allerdings hört man seltener – in der öffentlichen Wahrnehmung wird sie in den Hintergrund gedrängt von eben jenen Notfällen, die sie so regelmäßig auslöst.

Die große, chronische Krise hat viele Facetten. Etwa Parasiten oder Durchfall: Über die redet keiner, wenn sich Ebola ausbreitet und Nothelfer in Schutzanzügen hinter Zäunen Isolierstationen errichten. Aber man sollte es, denn auch jenseits großer Krankheitsausbrüche ist die medizinische Situation im Kongo eben dramatisch. In einer Studie von 2015 bezeichnete die Weltgesundheitsorganisation den Gesundheitszustand der 77 Millionen Menschen in der Demokratischen Republik des Kongo als »alarmierend«. Malaria, Durchfall- und Atemwegserkrankungen, aber auch Mangelernährung grassieren in dem Land.

Jahrzehnte der Krise

Hinter der andauernden medizinischen Krise steht eine ökonomische und politische. Seit den 1970er Jahren sind Staat und Wirtschaft kollabiert, und mit ihnen die medizinische Versorgung. Zwischenzeitlich gab es keinerlei staatliche Gelder mehr fürs Gesundheitssystem des damals Zaire genannten Staates; später verheerten bewaffnete Konflikte – insbesondere der gelegentlich als Dritter Weltkrieg bezeichnete zweite Kongokrieg von 1998 bis 2003 – das Land und seine Infrastruktur.

Ein Erbe dieses bis heute nachwirkenden Konfliktes sind die andauernden Kämpfe in der Region Kivu, die ein großes Problem bei der Bekämpfung der Ebolaepidemie sind – und natürlich auch für alle anderen Arten von medizinischer Fürsorge. Wegen all dieser Probleme schneidet die DR Kongo bei vielen Gesundheitsindikatoren schlechter ab als die meisten anderen Staaten des subsaharischen Afrika. Auch wenn die Regierung inzwischen wieder Geld für Gesundheit bereitstellt, gibt sie pro Kopf nach wie vor weniger aus als viele andere arme Staaten.

Das Gesundheitssystem kann deswegen seit geraumer Zeit nicht einmal annähernd die Bedürfnisse der Bevölkerung decken. Das führt nicht nur dazu, dass bei akuten Krisen die internationale Gemeinschaft Nothilfe leisten muss, sondern auch zu verschiedenen Problemen bei der Katastrophenhilfe selbst. Das lange gewachsene, tief sitzende Misstrauen gegenüber dem Gesundheitssystem behindert Impfkampagnen gegen Masern ebenso wie die auch heute noch für die Bekämpfung von Ebola wichtige Nachverfolgung von Patientenkontakten.

Die Grundlage fehlt

Umgekehrt ist die internationale Hilfe, die bei Notfällen wie Ebola oder Masern ins Land strömt, für das geschwächte Gesundheitssystem ein zweischneidiges Schwert. Denn Organisationen wie die WHO oder das US-Amerikanische CDC richten zwar neue Behandlungszentren ein und statten sie aus – das medizinische Personal allerdings werben sie an den Gesundheitszentren in der Region ab. Schließlich zahlen internationale Geldgeber deutlich besser als das einheimische Gesundheitssystem. Das verschärft nicht nur den Personalmangel in der regulären medizinischen Versorgung, sondern erzeugt auch Frust bei den Zurückgebliebenen.

Das Gesundheitssystem der DR Kongo ist ausgeblutet – es fehlt Geld, es fehlen Medikamente, es fehlt Infrastruktur. Bis heute müssen insbesondere im Osten des Landes viele Menschen ohnehin tagelang reisen, um eine der Gesundheitsstationen zu erreichen. Die sind dann nicht nur schlecht ausgestattet, sondern auch – siehe oben – oft unterbesetzt. Und in Zeiten von schlagzeilenträchtigen Seuchen verschärft sich das Problem: Impfkampagnen zur Krisenintervention binden dann noch mehr ausgebildetes Personal, das etwa einen Impfstoff gegen Ebola an den Mann bringt – und die Fachkräfte fehlen nun bei regulären Impfkampagnen, zum Beispiel eben denen gegen Masern und andere Kinderkrankheiten.

Natürlich ist Katastrophenhilfe wichtig – aber weder Ebola noch Masern hätten sich in dem Land so stark ausbreiten können, wenn nicht die chronische Krise des Gesundheitssystems und des Staates den Boden für solche Seuchen bereiten würden. Es gibt keine einfache und schnelle Antwort auf diese seit Jahrzehnten andauernde, von Instabilität und Rohstoffhunger geprägte Situation. Aber es ist ganz sicher auch keine Lösung, nur auf aufflammende Krisen zu reagieren und das Land mit Malaria, HIV und Kindersterblichkeit alleine zu lassen.

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