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Freistetters Formelwelt: Pandemie-Probleme für echte Genies

Wenig zu tun wegen Corona? Kein Problem! Man kann ja die Zeit nutzen, um ein paar große ungelöste Fragen der Mathematik zu beantworten.
Eine Person löst mathematische Gleichungen

Isaac Newton hatte laut eigenen Aussagen die besten Ideen während der »Großen Pest von London«. In den Jahren 1665 und 1666 musste er wegen der Seuche die Universität Cambridge verlassen und lebte quasi vom Rest der Welt isoliert in seinem Heimatdorf Woolthorpe. Und auch wenn die Entstehung seiner berühmten mathematischen Beschreibung der universalen Gravitation kein singulärer »Geistesblitz« war, sondern ein langer Prozess, kann es durchaus sein, dass die durch die Epidemie erzwungene Isolation seiner Forschung gutgetan hat.

In der heutigen stark vernetzten globalen Welt der Wissenschaft ist Isolation eher von Nachteil. Aber, wer weiß? Vielleicht gibt es auch jetzt den einen oder anderen inspirierenden Gedanken, der später zu einer großen Entdeckung führt. Ungelöste Probleme in der Mathematik gibt es jedenfalls noch genug. Zum Beispiel eines, das mit dieser Formel zusammenhängt:

Diese simple Formel sieht nicht gerade so aus, als könne sie die Welt der Mathematik nachhaltig vor Probleme stellen. Sie tut es jedoch, seit sie von den Mathematikern Paul Erdős und Ernst Gabor Straus im Jahr 1948 aufgestellt wurde. Die Frage: Besitzt die Gleichung für jede natürliche Zahl n, die größer oder gleich 2 ist, eine Lösung, wobei a, b und c ebenfalls natürliche Zahlen sein müssen?

Man sieht sofort, dass das mit vier Stammbrüchen immer funktionieren muss. Aber klappt es auch mit drei? Genau das ist die immer noch ungelöste »Erdős-Straus-Vermutung«. Für n = 2 lässt sich leicht eine Lösung finden: 4 / 2 = 1 / 1 + ½ + ½. Für n = 3 kann man die Vermutung mit 4 / 3= 1 / 1 + ¼ + 1 / 12 bestätigen. Für n = 5 kann man sogar zwei unterschiedliche Lösungen finden; für n = 8 sind es sechs Lösungsmöglichkeiten. Man hat die Vermutung schon für Zahlen bis n = 1017 überprüft, ein allgemeiner Beweis für alle natürlichen Zahlen steht noch aus.

Der perfekte Ziegel

Wer mit dieser Frage noch nicht ausgelastet ist, kann sich als Nächstes der Suche nach einem perfekten Euler-Ziegel widmen. Ein nicht perfekter Euler-Ziegel ist ein Quader, bei dem sowohl die Längen der Kanten als auch die Diagonalen seiner Flächen ganzzahlige Werte haben. Anders gesagt: Der Quader wird durch drei Dreiecke aufgespannt, deren Kantenlängen so genannte »Pythagoreische Tripel« sind, also drei natürliche Zahlen a, b und c für die a² + b² = c² gilt. Ein Quader besteht aus sechs rechteckigen Seitenflächen, die im rechten Winkel aufeinanderstehen – wobei jeweils zwei dieser Rechtecke gleich groß sind. Hat der Quader die Kantenlängen a, b und c, dann haben zwei Rechtecke die Seitenlängen a und b, zwei die Längen a und c und zwei die Längen b und c. Durch alle Rechtecke kann man Diagonalen ziehen, deren Länge mit d, e und f bezeichnet werden. In einem Euler-Ziegel gilt dann: a² + b² = d², a² + c² = e² und b² + c² = f².

Entsprechende Quader hat man schon entdeckt, der kleinste Euler-Ziegel etwa wird durch die Kantenlängen 44, 117 und 240 mit den Diagonalen 125, 244 und 267 gebildet. Damit ein solcher Quader aber »perfekt« ist, muss auch die Raumdiagonale eine ganze Zahl sein. Also die Strecke, die zwei Ecken des Quaders miteinander verbindet, aber weder mit einer Kante noch einer der Diagonalen der Seitenflächen zusammenfällt. Mathematisch ausgedrückt muss hier also zusätzlich noch gelten: a² + b² + c² = g², wobei g die Länge der Raumdiagonalen ist.

Bis jetzt hat noch niemand einen perfekten Euler-Ziegel konstruiert. Es hat allerdings auch noch niemand bewiesen, dass es unmöglich ist. So oder so: Es bleibt auf jeden Fall genug Raum für neue Entdeckungen. Die Liste der unbewiesenen Vermutungen in der Mathematik ist lang und bietet genug Material zur Zerstreuung. Es gibt keinen Grund für Langeweile, auch wenn die Chancen gering stehen, der nächste Isaac Newton zu werden.

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