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Lobes Digitalfabrik: Politiker auf Autopilot

Der Turing-Test muss umgekehrt gedacht werden: Die Frage ist nicht, ob Maschinen menschenähnlich werden, sondern ob der Mensch maschinenähnlich wird.
Trump hinter den Kulissen

Am 6. Februar 2016 kam es bei einer Debatte im Vorwahlkampf der Republikaner zu einer kuriosen Szene: Der Präsidentschaftsbewerber Marco Rubio wiederholte innerhalb weniger Minuten dreimal denselben Satz, als hätte jemand auf die Wiederholungstaste gedrückt. Je öfter man sich die Szene anschaut, desto irritierter ist man, wer da eigentlich spricht. Rubio? Seine Berater? Eine Maschine? Ein Hybrid? Die Sequenz erinnert an eine Szene aus dem Film "Die Frauen von Stepford" aus dem Jahr 1975, in dem eine Roboterfrau mechanisch den Satz "Ich dachte, wir wären Freunde" ("I thought we were friends") wiederholt und damit ihr Roboterwesen offenbart. Gepaart mit seiner steifen Mimik und seinem starren Blick wirkten Rubios aufgesagte Sätze wie das Skript eines Automaten.

In den sozialen Netzwerken spottete die Community über den "Robot Rubio". Die Beobachter zogen denn auch Vergleiche mit Robotern. "Rubio klang wie ein dysfunktionaler Cyborg", kommentierte Eugene Robinson in der "Washington Post". Kevin Drum schrieb im Onlinemagazin "Mother Jones": "Er lernt einen Haufen Karteikärtchen auswendig, und sobald man ihm eine Frage stellt, führt er eine Datenbanksuche durch und rezitiert, was aufpoppt." Im Grunde würde Rubio wie eine Maschine operieren.

Der Rechtswissenschaftler Brett Frischmann und der Philosoph Evan Selinger stellten in einem Beitrag für den "Guardian" die These auf, dass der Turing-Test heute umgekehrt gedacht werden müsse: Die Frage sei nicht, ob Maschinen irgendwann menschenähnlich werden, sondern ob der Mensch maschinenähnlich und programmierbar werden könnte. In Amazons Logistikzentren arbeiten die Angestellten, Amabots genannt, mechanisch Skripte ab. Ein "Picker" sagte der "BBC": "Wir sind Maschinen, wir sind Roboter, wir stöpseln unsere Scanner ein und halten sie in der Hand, aber wir könnten den Stecker auch in uns selbst hineinstecken."

Man könnte den DrumpfBot die erste Präsidentschaftsansprache verlesen lassen – vermutlich würde es niemand merken.

Während der Mensch automatengerecht wird, bekommt auch die Festplatte der Politik eine Neuformatierung. Auf die Frage, ob Donald Trump oder ein Roboter einen besseren Präsidenten abgäben, antworteten in einer nicht repräsentativen Umfrage des britischen Boulevardblatts "Daily Mirror" 81 Prozent: der Roboter. Man weiß nicht, wer an dieser Abstimmung teilgenommen hat und ob hier möglicherweise Meinungsroboter (Social Bots) im Spiel waren. Doch die Frage ist auch unfreiwillig komisch, weil der Unterschied zwischen Trump und einem Roboter gar nicht so groß ist.

Die US-Firma Chatprime hat einen Chatbot namens DrumpfBot entwickelt, der auf Knopfdruck programmatische Sätze ausspuckt. Der DrumpfBot, ein automatisiertes Skript, wurde mit im Netz auffindbaren Aussagen von Trump gefüttert und so programmiert, dass er auf bestimmte Fragen Antworten generiert. In einem Textfeld kann man Fragen ("Ask the Donald a Question") absenden, zum Beispiel: "Was sind Ihre Ansichten über China?" Daraufhin eröffnet sich ein Chatverlauf ("The Donald is typing"), und der DrumpfBot antwortet: "Übrigens, ich habe großen Respekt für China. Ich habe viele chinesische Freunde. Sie leben überall in meinen Gebäuden." Trumps Rhetorik ist so simpel, dass sie von einem Chatbot imitiert werden kann. Man könnte den DrumpfBot getrost die erste Präsidentschaftsansprache verlesen lassen – vermutlich würde es niemand merken.

Die Datenwissenschaftlerin Cathy O'Neil, Autorin des Buchs "Weapons of Math Destruction", hat die These aufgestellt, dass Trump ein verzerrter, maschinell lernender Algorithmus sei. Der US-Präsident operiere wie eine Maschine nach der Methode Trial and Error. Er experimentiere damit, den Diskurs in die eine oder andere Richtung zu lenken, und "lerne", wie die Masse reagiert. Gibt es keine Reaktion, spricht Trump das Thema nicht mehr an. Reagiert die Menge mit Empörung, registriert Trump den Impuls und lernt dazu. Das Problem, so O'Neil, bestehe darin, dass Trump mit verzerrten Daten trainiert würde, weil die Leute auf seinen Kundgebungen "Spinner" seien. Zum anderen sei Trump wie ein Algorithmus agnostisch, er habe keine festen Überzeugungen. "In diesem Sinn ist er vollkommen objektiv, moralisch neutral", konstatiert O'Neil. Er folge nur den Zahlen. Trump könnte durch einen Roboter ersetzt werden. Man weiß nicht, was beunruhigender ist: die Vorstellung, von einem Bot, oder die, von einem Demagogen wie Donald Trump regiert zu werden.

Die amerikanische Schriftstellerin Carol Vanderveer Hamilton zieht in einem 2004 erschienenen Essay für das Journal "CTheory" ("Being nothing – George W. Bush as Presidential Simulacrum") Parallelen zwischen dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush und Chance, einer Figur aus Jerzy Kosinskis Roman "Being There" (1970). Der geistig zurückgebliebene Gärtner kennt die Realität nur aus dem Fernsehen und wird durch eine Reihe kurioser Zufälle und Missverständnisse zum Vize-Präsidentschaftskandidaten befördert. Ihre These: Bush war nicht real, sondern ein Simulakrum, eine "virtuelle Figur, das Upgrade eines Prototypen wie Chance". Hamilton erinnert an Momente, in denen Bush junior grinsend auf dem Podium saß, "unfähig, über eine Antwort nachzudenken, als hätte ein Computervirus seine persönliche Software infiziert".

Das Problem an diesem auf Autopilot geschalteten Politikmodus ist nicht nur, dass der Diskurs immer computerisierter wird – Trump hat Herrschaft in 140 Zeichen umkodiert –, sondern dass Politik zu einer Simulation verkommt, bei der Programme in Nutzenfunktionen festgelegt werden. Politik wird programmierbar. Rubios roboterhaftes Auftreten sollte uns mindestens so beunruhigen wie die Meinungsroboter in sozialen Netzwerken.

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