Unwahrscheinlich tödlich: Tod durch Qualle

Sommer ist für viele Menschen Haupturlaubszeit – und wer wie ich das Meer liebt, den zieht es in den heißen Monaten vorzugsweise in Richtung Strand. Ich genieße den feinen Sand zwischen meinen Zehen, die kühle, salzige Brise im Gesicht und das rhythmische Dröhnen der Brandung. Nur eines macht mir hier ein etwas mulmiges Gefühl: der Ozean selbst. Denn unter den Wellen lauert für uns nahezu unsichtbar so manche Gefahr. »Der weiße Hai« hat mich schon jung das Fürchten vor bissigen Fischen gelehrt. Doch heute weiß ich, dass das größte Risiko nicht von ihnen ausgeht. Es sind vielmehr giftige Meeresbewohner wie Quallen, die einem Sorge bereiten können.
Ein solches Nesseltier wurde im August 2010 einer Frau in Sardinien zum Verhängnis. Laut Medienberichten spürte sie beim Baden im Meer plötzlich einen scharfen Schmerz im Bein, etwa so, als hätte jemand sie mit einer Peitsche geschlagen. Sie schwamm sofort zurück zur Küste und alarmierte einen Strandwächter. Dann kollabierte sie. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht, doch die Ärztinnen und Ärzte konnten sie nicht mehr retten. Sie verstarb infolge eines anaphylaktischen Schocks, also einer besonders schweren allergischen Reaktion gegen das Gift des Lebewesens, das sie berührt hatte. Der Übeltäter dürfte eine Portugiesische Galeere gewesen sein.
Diese sieht aus wie eine Qualle und wird auch häufig als solche bezeichnet. Wenn man es ganz genau nimmt, ist sie allerdings ein Zusammenschluss von Individuen einer Art von Nesseltieren. Zahlreiche Polypen von Physalia physalis bilden gemeinsam den Körper des Tiers aus, wobei jeder einzelne dort eine bestimmte Aufgabe übernimmt. In jenen, die sich zu Tentakeln entwickeln, sprießen Nesselzellen. Sie erzeugen einen Giftcocktail, der vor allem aus Proteinen und Peptiden besteht. Bei Kontakt mit einem Fremdkörper explodiert ein Teil der Zelle, wodurch eine Art Haken austritt. Dieser schießt die Toxine direkt unter die Haut des Opfers.
Tausende winzige Giftpfeile
Kleine Fische tötet das sofort, bei Menschen tut es in der Regel allemal höllisch weh – man wird dabei praktisch von unzähligen Mininadeln gestochen und mit Neurotoxinen vollgepumpt. Sie wirken direkt und indirekt auf Nervenzellen und hindern diese an ihrer Arbeit. Das verursacht entsetzliche Schmerzen an den Eintrittsstellen, wo sich ein Hautausschlag in Form von Quaddeln ausbildet. In schlimmeren Fällen kommen Kopfschmerzen, Übelkeit, Muskelschmerzen und Atembeschwerden dazu.
Im Mittelmeer ist die Portugiesische Galeere eigentlich nicht heimisch. Sie kommt vor allem in den großen Ozeanen vor, wo Wind und Strömungen sie an der Oberfläche hin und her treiben. In Europa läuft sie daher häufiger an der Atlantikküste auf. Nur gelegentlich schaffen es die Nesseltiere durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer. Die Wahrscheinlichkeit, den Tieren hier beim Baden zu begegnen, ist also sehr gering. Die Frau in Sardinien hatte gleich doppelt Pech: Nicht nur kollidierte sie mit einem dort seltenen Meereslebewesen, sie reagierte auch noch allergisch auf sein Gift. Diese Kombination kostete sie das Leben.
Höllenqual(l)en
Begegnungen mit Portugiesischen Galeeren enden nur selten tödlich. Anders sieht es mit einer weiteren Gruppe von Nesseltieren aus, den Würfelquallen. Einige ihrer Vertreter gehören zu jenen mit den gefährlichsten Giften im Tierreich. Das höchste Risiko geht von der Seewespe (Chironex fleckeri) aus. Ein einzelnes Individuum verfügt über genug Gift, um mehr als 50 Personen zu töten. Die darin enthaltenen Toxine verursachen ebenfalls heftigste Schmerzen. Sie können außerdem Gewebe zum Absterben bringen und einen Herzinfarkt auslösen.
Wer in europäischen Gewässern schwimmt, muss sich glücklicherweise nicht vor ihr fürchten, denn die Qualle ist in küstennahen Abschnitten des Pazifiks beheimatet. Allein in Südostasien fordert sie jährlich dutzende Opfer - vor allem Einheimische, aber gelegentlich auch Touristen. So starb vor etwa zehn Jahren eine junge deutsche Urlauberin, nachdem sie im Meer vor der beliebten thailändischen Ferieninsel Ko Samui mit einer Seewespe aneinandergeraten war.
Im Mittelmeer lebt zwar ebenfalls eine Art von Würfelqualle, Carybdea marsupialis. Doch im Vergleich zu ihren Cousins im Pazifik ist sie geradezu harmlos. Ja, der Kontakt mit ihren Tentakeln ist ebenfalls extrem schmerzhaft, die Gifte schädigen das Gewebe und lösen eine Nesselsucht aus. Die Beschwerden bleiben aber in der Regel auf die Kontaktstellen begrenzt und weiten sich nicht auf das Herz oder das Gehirn aus. Die meisten Betroffenen erholen sich ohne Behandlung innerhalb einiger Stunden bis weniger Tage.
Gar keine Angst muss man vor den mittlerweile häufiger auftretenden Süßwasserquallen in heimischen Badeseen haben. Sie leben schon seit mehreren Jahrzehnten in europäischen Gewässern, brauchen allerdings Wassertemperaturen von mindestens 25 Grad Celsius, um ihr Medusenstadium zu erreichen – die Form des Tiers, die wir gemeinhin als Qualle bezeichnen. Mit den zunehmenden Hitzesommern bekommen wir sie nun immer häufiger zu sehen. Und beim Schwimmen eventuell auch zu spüren. Dieser Kontakt ist jedoch vollkommen schmerzlos und höchstens unangenehm glitschig. Wer Quallenstiche ganz vermeiden will, ist also im nächstgelegenen See weiterhin gut aufgehoben.
- Bitte nicht streicheln!© Miriana / stock.adobe.com (Ausschnitt)Blaue Ozeanschnecke | Putzig, aber keineswegs harmlos: Die Blaue Ozeanschnecke nutzt das Gift ihrer Nahrungsquelle zur Selbstverteidigung. Eine Berührung der Winzlinge kann ordentlich weh tun und selbst erwachsene Menschen ins Krankenhaus verfrachten.
Ich habe eine Faustregel, die mich selten im Stich lässt: Halte einen respektvollen Abstand zu Wildtieren – und wenn sie aussehen wie ein Pokémon, fass sie auf keinen Fall an. Die Blaue Ozeanschnecke ist ein gutes Beispiel dafür, warum das sinnvoll ist. Sie ist winzig, auffällig blau gefärbt und sieht mit ihren händchenartigen Flossen irgendwie surreal und niedlich aus. Doch lassen Sie sich von dieser knuffigen Fassade nicht täuschen, das kleine Tierchen kann ordentlich austeilen. Sein liebstes Mahl besteht aus Portugiesischen Galeeren, von denen es gleich mehrere verspeisen kann. Einen Teil davon verdaut es als Nahrung. Die Nesselzellen aus den Tentakeln hebt es sich allerdings auf und nutzt sie zur eigenen Verteidigung. Vor allem in seinen Extremitäten lagert es die Giftpakete ein, die auch Tage nach dem Tod ihres ursprünglichen Besitzers aktiv bleiben. Berührt man also eine Blaue Ozeanschnecke, kann das ähnlich wie ein Kontakt mit einer Portugiesischen Galeere ziemlich schmerzhaft ausgehen.
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