Freistetters Formelwelt: Was ist Licht?

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Isaac Newton war davon überzeugt, dass Licht aus kleinen Teilchen besteht. Mit diesem Ansatz konnte er das Snelliussche Brechungsgesetz herleiten und dachte sogar, damit das Phänomen der Polarisation erklären zu können. Gleichzeitig gab es aber auch jede Menge Experimente, die nahelegten, dass sich Licht wie eine Welle verhält. Newtons Zeitgenosse Christiaan Huygens entwickelte daraus die Grundlagen der Wellenoptik. Welle oder Teilchen: Es war klar, dass Licht nicht beides sein konnte.
Im 17. Jahrhundert gab es noch keine Möglichkeit, herauszufinden, welche Theorie korrekt war. Erst als der Engländer Thomas Young 1802 mit dem Doppelspaltexperiment zeigte, dass Licht durch Interferenz ausgelöscht werden kann, war für so gut wie alle klar: Licht muss eine Welle sein.
Knapp 100 Jahre später kam Albert Einstein und machte sich an eine Erklärung des photoelektrischen Effekts: Licht kann Energie auf die Elektronen eines Metalls übertragen, die sich daraufhin aus dem Material lösen. Die Energie dieser gelösten Teilchen hängt aber von der Frequenz des Lichts ab – und nicht von dessen Intensität. Das, so Einstein, lässt sich nur erklären, wenn man die zuvor von Max Planck postulierten »Lichtquanten« ernst nimmt. Licht gibt es nur in diskreten Päckchen mit diskret verteilter Energie. Und nur, wenn genug Energie da ist, wird ein Elektron aus dem Metall gelöst.
Einstein bekam dafür zwar den Nobelpreis, aber für ein Revival der Teilchentheorie des Lichts hat es nicht gereicht. Die Wellenbeschreibung funktionierte in vielen anderen Fällen immer noch zu gut. Und 1924 veröffentlichte der französische Physiker Louis de Broglie auch noch diese Formel:
Die Idee von de Broglie war simpel und revolutionär zugleich: Wenn Licht sich mal wie eine Welle und mal wie ein Teilchen verhält, vielleicht kann sich ein Teilchen dann auch wie eine Welle verhalten? Ausgehend von Einsteins Gleichungen stellt de Broglie also seine Formel für »Materiewellen« auf. Die Wellenlänge λ ist gleich dem planckschen Wirkungsquantum h, geteilt durch den Impuls p. Aber was soll das in der Realität bedeuten?
Felder statt Teilchen oder Wellen
De Broglie hatte die Probleme mit dem Welle-Teilchen-Dualismus aus damaliger Sicht nur noch schlimmer gemacht. Jetzt stand auf einmal auch die bisher sicher geglaubte Natur der Materie zur Disposition. Abgesehen davon hat bis dahin niemand beobachtet, dass sich Materie wie eine Welle verhält. Aber zumindest dieser Widerspruch findet in de Broglies Gleichung eine Erklärung. Der Impuls p ist das Produkt aus Geschwindigkeit und Masse. Und die Masse der Objekte in unserem Alltag ist so groß, dass die daraus berechnete Wellenlänge winzig ist. Ein Mensch mit einer Masse von 70 Kilogramm, der sich mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde bewegt, hätte eine Wellenlänge von nur 10-36 Metern. Aber wenn man es mit Elektronen zu tun hat, so de Broglie, dann sollten ihre Welleneigenschaften im Bereich des Nachweisbaren liegen. Ein Strahl aus Elektronen müsste bei genauer Betrachtung Wellenphänomene wie Beugung zeigen. Genau das konnten die US-amerikanischen Physiker Clinton Davisson und Lester Germer im Jahr 1927 nachweisen und zwei Jahre später erhielt Louis de Broglie den Physik-Nobelpreis.
Mittlerweile konnten Beugungs- und Interferenzeffekte auch schon bei Molekülen aus Hunderten von Atomen beobachtet werden. Die Frage »Welle oder Teilchen?« ist aber unbeantwortet geblieben. Die Quantenmechanik hat diesen Widerspruch aber insofern aufgelöst, als dass sie die Frage gar nicht mehr stellt. Das, was wir als Teilchen bezeichnen – und auch die Wechselwirkung zwischen ihnen – wird im Rahmen der Quantenfeldtheorie als Anregung von Quantenfeldern beschrieben. Ob wir etwas als Teilchen oder Welle wahrnehmen, hängt nur davon ab, wie wir die Objekte betrachten.
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