Gute Nacht - die Kolumne für besseren Schlaf: Raus aus dem Schlaflosigkeits-Teufelskreis!

Wenn Sie nicht genügend Schlaf bekommen, dann sind Sie nicht leistungsfähig. Wären Sie nicht ständig so erschöpft, dann würden Sie sich viel gesünder ernähren. Würden Sie besser schlafen, dann könnten Sie endlich mehr Sport machen. Wenn Sie am Wochenende nicht ausschlafen, dann wird Ihr Schlafmangel niemals besser. Wenn Sie diese Gedanken manchmal haben, dann denken Sie richtig, denn Schlaf ist wichtig. Doch sie können auch in einen Teufelskreis führen.
Fehlt der Schlaf, dann entsteht ein sich selbst verstärkender Zyklus aus Erschöpfung, Schonhaltung, Ängsten und Glaubenssätzen, die Sie abends wieder wach halten. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. »Erstmal besser schlafen« wirkt wie der effektivste Ansatzpunkt. Doch ihn können Sie nicht direkt beeinflussen. Auch die Glaubenssätze sind hartnäckig, wenn sich am Problem nichts ändert. Aussichtsreicher ist es, Ihr Verhalten am Tag zu ändern, um so der Schlaflosigkeit zu entkommen. Doch die sabotiert ausgerechnet zwei Eigenschaften, die Sie dabei gut gebrauchen könnten: Selbstkontrolle und Zuversicht.
Für den Zusammenhang von Schlaf und Selbstkontrolle macht die Schlafforscherin June Pilcher zwei Mechanismen verantwortlich: einerseits den Glukosestoffwechsel. Schlaf wirkt auf die Glukoseverwertung, ein niedriger Glukosespiegel senkt die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und diese wirkt auf das Gesundheitsverhalten am Tag. Der zweite Ansatz basiert auf den Überzeugungen: Wer an seine Willenskraft glaubt, dem steht sie eher zur Verfügung. Gelingt dies unter Schlafmangel nicht, dann fallen vernünftige Entscheidungen schwerer, schreibt Pilcher in einer Übersichtsarbeit in der Fachzeitschrift »Frontiers in Human Neuroscience«.
Ein Teufelskreis – aber nicht ohne Ausweg
Umgekehrt wissen wir, dass ungesunde Überzeugungen den Schlaf stören und das Gesundheitsverhalten in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielt. So werden Glaubensfragen wissenschaftlich. Dazu ziehe ich gern das »Cognitive Model of Insomnia« von Allison Harvey heran: Wer sich nach einer schlaflosen Nacht zu sehr schont, stärkt mit diesem Verhalten genau die Überzeugungen, die wach halten: »Wenn ich jetzt nicht schlafe, dann schaffe ich morgen nichts.« Über negative Gefühle entsteht Stress, aus dem Stress entsteht ein Fokus auf den Schlaf, direkt gefolgt von einer gestörten Wahrnehmung – gefühlt schlafen die Betroffenen dann gar nicht mehr. Und wenn die Überzeugung sitzt, dann wird es mit dem Einschlafen tatsächlich schwierig, und wie wir zum Beispiel aus der Arbeit von Pilcher wissen, wirkt das auf die Überzeugungen zurück.
Hier treffen sich Physiologie, Psychologie und Verhalten – und am Ende des Tages liegen Sie wieder wach im Bett. Ein Teufelskreis. Das Gute an Teufelskreismodellen ist, dass Sie an jeder Stelle einen Ausgang suchen können. Sie müssen sich nur überlegen, welcher Faktor für Sie passt. Spoiler: Verhalten ist in solchen Modellen für viele Menschen der zugänglichste.
Fake it till you make it
Zugegeben: Selbsthilfe dieser Art ist selten so einfach, wie sie dargestellt wird. Aussichtsreich ist der »Fake it till you make it«-Ansatz. Spielen Sie das Wenn-dann-Spiel einmal andersherum. Schreiben Sie den folgenden Satz auf einen Zettel oder in ein Dokument und dann schreiben Sie weiter:
»Wenn ich eine Woche am Stück gut geschlafen habe, dann werde ich …«
Schreiben Sie über Gefühle und über Dinge, die Sie tun werden. Schreiben Sie, was Ihnen wichtig ist, schreiben Sie aber auch die Gedanken auf, die sich sofort wie Unfug anfühlen. Schreiben Sie, bis Ihnen nichts mehr einfällt.
Wenn Sie fertig sind, dann suchen Sie sich einige Dinge aus, die Sie jetzt schon machen können. Wählen Sie vernünftig: Wenn Sie nicht genug geschlafen haben, dann können Sie nicht mit dem Auto fahren. Sie könnten zum Beispiel morgens 30 Minuten früher aufstehen und einen Spaziergang in der Sonne machen – sogar am Wochenende. Sie könnten vor der Arbeit Blätter harken. Sie könnten den vierten und fünften Kaffee durch Wasser und einen Spaziergang nach dem Mittagessen ersetzen. Sie haben sicher selbst viel passendere Ideen, nehmen Sie Ihre eigenen.
Machen Sie sich einen guten Tag – aus Prinzip
Wenn die Nacht schon Mist war, dann machen Sie sich wenigstens einen schönen Tag. Leben Sie so, als hätten Sie es geschafft. Und wenn es zunächst nichts bringt? Dann machen Sie weiter. Denken Sie ganz bewusst daran, wenn Sie nachts wach liegen: »Jetzt liege ich wach und ja, das fühlt sich grässlich an. Ja, schlafen wäre jetzt besser. Morgen werde ich trotzdem jemanden anlächeln und drei Spaziergänge machen. Aus Prinzip!« Aus diesen Überlegungen, kombiniert mit schlafförderlichem Verhalten am Tag, können neue Glaubenssätze entstehen. Zum Beispiel: »Ich neige gelegentlich zu Schlafstörungen. Aber mit einigen Tagen Disziplin bekomme ich sie in den Griff.«
Ein ähnliches Vorgehen wird in Akzeptanz und Commitment-Ansätzen gewählt. Und es lässt sich nicht einfach beschließen. Sie können das aber üben. Schlaf, Verhalten, Gefühle, Stress und Überzeugungen sind zu einem Teufelskreis verwoben. Selbst wenn es sich nicht direkt gut anfühlt, ist Ihr Verhalten der Faktor, an den Sie am leichtesten rankommen. Wenn Sie eine solche Haltung mit der Einhaltung der Schlafhygiene kombinieren, dann sind Sie zwar nicht gleich schockgeheilt. Sie sind aber dabei, sich selbst zu helfen. Ihr drei Jahre altes Ich hat auch nicht gesagt: »Ich würde ja Rad fahren, wenn ich es könnte.« Es ist so lange gegen den Zaun gerummst, bis es die Kurve gekriegt hat. Und das machen Sie jetzt auch. Mit dem Vorteil, dass Sie dabei im Bett liegen dürfen.
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