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Die fabelhafte Welt der Mathematik: Schinken-Sandwich-Theorem: Wie lässt sich Essen gerecht teilen?

Eine Pizza zu halbieren, klingt einfach. Wenn der Belag aber auch noch gerecht aufgeteilt werden soll, ist Streit vorprogrammiert – selbst mit Hilfe des Schinken-Sandwich-Theorems.
Junk Food auf einem Tisch
Die Mathematik verrät, wie man Essen gerecht teilen kann – auch wenn man gerade gar nicht teilen möchte.

Eigentlich teile ich mein Essen nicht gerne. Doch manchmal kommt es vor, dass ich trotzdem ein belegtes Brötchen oder eine Pizza halbieren muss. Wenn die andere Person gleichermaßen hungrig ist, wird sie peinlich genau darauf achten, dass die Teilung gerecht verläuft. Dabei sollte alles ausgewogen sein, schließlich möchte niemand eine Brötchenhälfte ohne Belag oder eine karge Pizza haben. Wenn die besagten Speisen nun aber nicht ordentlich belegt wurden, stellt sich die Frage, ob eine faire Aufteilung überhaupt möglich ist.

Mit dieser Frage hat sich eine Gruppe polnischer Mathematiker in den 1930er und 1940er Jahren beschäftigt. Damals fanden sich die Kollegen regelmäßig im Café »Kawiarnia Szkocka« (Deutsch: Schottisches Café) in Lwiw ein und diskutierten mathematische Probleme. Aufgabe Nummer 123 formulierte Hugo Steinhaus (1887–1972) im Jahr 1938: Ist es immer möglich, drei Körper durch eine Ebene zu halbieren? Um die Frage zu veranschaulichen, wählte der Mathematiker eine alltagsnahe Formulierung: Kann man ein Sandwich, bestehend aus zwei Brotscheiben und Schinken, so mit einem Messer zerschneiden, dass alle drei Komponenten genau halbiert werden?

Die fabelhafte Welt der Mathematik
Viele Menschen denken, Mathematik sei kompliziert und öde. In dieser Serie möchten wir das widerlegen – und stellen unsere liebsten Gegenbeispiele vor: von schlechtem Wetter über magische Verdopplungen hin zu Steuertricks. Die Artikel könnt ihr hier lesen.

Seine Kollegen kamen ins Grübeln. Die Aufgabe mag auf den ersten Blick einfach wirken, die Lösung erfordert aber etwas Hintergrundwissen in der Topologie und den richtigen Ansatz. Steinhaus merkte an, dass das Problem in zwei Dimensionen mit zwei Komponenten bereits gelöst sei: Jede Salamipizza lässt sich mit einem Messer fair halbieren, wobei beide Hälften gleich viel Belag besitzen. Der Mathematiker führte damals den Beweis in dem kleinen Café vor.

Wie halbiert man eine Pizza, so dass jeder gleich viel Belag hat?

Der Einfachheit halber kann man sich zunächst eine runde Pizza vorstellen, die einen perfekten Kreis bildet. Diese ist gleichmäßig mit Käse und Tomatensauce belegt, die Salamischeiben sind hingegen willkürlich darauf verteilt. Nun kann man einen geraden Schnitt ansetzen, der den Teig, die Tomatensauce und den Käse halbiert. Dafür muss man den Pizzaroller zwangsläufig durch den Mittelpunkt führen. Angenommen es befinden sich auf der linken Hälfte 30 Prozent der Salami und auf der rechten 70 Prozent. Diese Teilung wäre nicht gerecht, eine Person hätte mehr Belag als die andere.

Wie teilt man eine Pizza? | Der senkrechte Schnitt erzeugt zwei Hälften mit sieben Salamischeiben auf der linken und zehn auf der rechten Seite. Rotiert man die Schnittgerade im Uhrzeigersinn um 180 Grad, ergibt sich die umgekehrte Situation: Die linke Hälfte hat dann zehn Scheiben, die rechte sieben. Dazwischen muss es daher einen Schnitt geben, der die Pizza fair aufteilt.

Wenn man die Schnittkante entlang des Mittelpunkts dreht, etwa im Uhrzeigersinn, variiert man das Verhältnis von Salami auf beiden Hälften. Nach einer Rotation von 180 Grad hat sich die Situation gerade umgekehrt: Auf der linken Hälfte (aus Sicht der schneidenden Person) befinden sich 70 Prozent des Belags, auf der rechten bloß 30. Der Salamianteil kann sich während der Drehung nur kontinuierlich ändern. Das heißt, der Anteil auf der linken Seite muss stetig von 30 auf 70 Prozent zugenommen haben – dabei gab es also zwangsläufig einen Punkt, an dem beide Seiten exakt 50 Prozent des Belags besaßen!

Das ist eine Folge des Zwischenwertsatzes: Wenn eine stetige Funktion (also eine, die man mit einem Stift ohne abzusetzen zeichnen kann), beispielsweise die Werte f(8) = −3 und f(15) = +3 annimmt, muss an irgendeinem Punkt 8 < z < 15 den Wert f(z) = 0 annehmen. Anschaulich ausgedrückt: Wenn die Temperatur um 8 Uhr morgens −3 Grad Celsius beträgt und um 15 Uhr +3 Grad, dann gab es einen Zeitpunkt zwischen 8 und 15 Uhr, an dem es genau 0 Grad kalt war.

Zwischenwertsatz | Wenn eine stetige Funktion mal den Wert f(a) und mal f(b) annimmt, muss sie jeden Wert s zwischen f(a) und f(b) auch im Intervall [a, b] annehmen.

Ebenso verhält es sich mit der Pizza und der darauf verteilten Salami. Allerdings ist eine echte Pizza nicht immer kreisrund. Vor allem wenn sie von Hand geformt wurde, kann sie Einbuchtungen aufweisen. In diesem Fall ist es immer noch möglich, sie gerecht aufzuteilen. Das Beweisverfahren ist dabei fast identisch: Man startet mit einem Schnitt, der den Teig, Käse und Tomatensauce halbiert. Dann lässt man das Messer (oder den Pizzaroller) rotieren – allerdings nicht mehr um einen festen Punkt. Dreht man die Schnittlinie ein bisschen, muss man unter Umständen das Messer ein wenig nach oben, unten, rechts oder links verschieben, damit man den Teig weiterhin halbiert. Das Hauptargument bleibt aber gleich: Nachdem die Schnittgerade um 180 Grad rotiert ist, befindet man sich wieder in der Ausgangslage mit umgekehrten Salamianteilen für die linke und die rechte Hälfte. Man kann damit erneut den Zwischenwertsatz heranziehen, um die Vermutung zu beweisen: Ja, jede Salamipizza lässt sich gerecht in zwei Hälften aufteilen.

Das Teilen eines Schinkenbrötchens

Wenn man jetzt allerdings noch ein Basilikumblatt auf die Pizza legt, also eine dritte Komponente hinzufügt, ist die gerechte Halbierung im Allgemeinen nicht mehr möglich – zumindest, falls man die gesamte Pizza als flache Ebene ansieht. In zwei Dimensionen kann man also genau zwei Objekte exakt durch einen geraden Schnitt halbieren. Und so fragte sich Steinhaus, ob sich das auf drei Dimensionen übertragen lässt: Kann man eine Schnittebene finden, um drei Objekte im dreidimensionalen Raum zu halbieren?

Beim dreidimensionalen Fall kommt man mit dem Zwischenwertsatz allein leider nicht weiter. Denn dafür müsste man eine Ausgangsebene definieren, zu der man durch Rotation um eine Achse zurückkehrt. Dabei würde man beweisen, dass an irgendeinem Punkt der Drehung die Objekte halbiert wurden. In drei Dimensionen gibt es jedoch keine eindeutige Drehachse, sondern gleich mehrere, weshalb das Argument nicht ohne Weiteres funktioniert. Doch einer von Steinhaus' Schützlingen, Stefan Banach (1892–1945), fand einen anderen Weg, die Vermutung zu beweisen. Dafür nutzte er den Satz von Borsuk-Ulam, den ich in dieser Kolumne bereits vorgestellt habe.

Der Satz von Borsuk-Ulam besagt unter anderem, dass es immer zwei diametral entgegengesetzte Punkte auf der Erde gibt, an denen die gleiche Temperatur und der gleiche Luftdruck herrschen. Ähnlich wie bei der Halbierung einer Pizza hat dieses Theorem mit stetigen Funktionen (in diesem Fall Temperatur und Luftdruck) und Geometrie (die Erde als Kugel) zu tun. Formaler ausgedrückt besagt der Satz von Borsuk-Ulam: Für jede zweidimensionale stetige Funktion f(x,y) auf einer Kugel gibt es einen Punkt (a,b) auf ihrer Oberfläche, für den gilt f(a,b) = f(−a, −b). Banach erkannte, dass man beim Schinken-Sandwich-Problem ebenfalls eine Kugel heranziehen kann, um die drei Komponenten zu halbieren.

Eine Kugel und ein anderes Theorem als Hilfe heranziehen

Dafür denkt man sich eine Kugel, die das Sandwich einschließt. Nun pickt man sich eine Komponente, etwa die untere Brotscheibe, und einen Punkt p =(x,y) auf der Oberfläche der Kugel heraus. Anschließend bildet man die Gerade, die p und den Mittelpunkt der Kugel verbindet. Diese ermöglicht es, eine Ebene Ep zu konstruieren, die senkrecht zur Geraden steht und gleichzeitig die untere Brotscheibe halbiert. Tatsächlich ist das für jeden Punkt p auf der Oberfläche der Kugel möglich.

Wie teilt man ein Schinkensandwich? | Um ein Schinkenbrötchen zu teilen, muss man es in eine Kugel setzen und die Schnittebenen Ep zu verschiedenen Geraden zu den Punkten p untersuchen.

Damit der Satz von Borsuk-Ulam zum Einsatz kommen kann, brauchte Banach noch eine zweidimensionale, stetige Funktion. Die definierte er ganz analog zum Pizza-Fall, indem er das Volumen der beiden übrigen Komponenten, des Schinkens und der oberen Brotscheibe, betrachtete. Die Funktion f ist demnach: f(p) = (Volumen des Schinkens oberhalb der Ebene Ep, Volumen der oberen Brotscheibe oberhalb der Ebene Ep). Nun musste er nur noch den Satz von Borsuk-Ulam anwenden: Demnach gibt es einen Punkt f(q), für den f(−q) (der also diametral gegenüberliegt) genau denselben Wert hat, also f(q) = f(−q). Die Punkte q und −q beschreiben aber die gleiche Ebene Eq, der einzige Unterschied ist die Ausrichtung: Der Anteil des betrachteten Volumens der Komponenten in der Funktion f(q) ist das Umgekehrte von f(−q). Wenn beide gleich sind, müssen die Anteile der Volumina von Schinken und Brotscheibe ober- und unterhalb der Schnittebene genau gleich sein.

Damit ist man am Ziel angekommen: Denn die Ebene Eq halbiert sowieso immer die untere Brotscheibe – zudem zerlegt sie auch den Schinken und das obere Brot in zwei gleiche Teile. Wie die Mathematiker Arthur Harold Stone (1916–2000) und John Tukey (1915–2000) im Jahr 1942 bewiesen, lässt sich das Schinken-Sandwich-Theorem auf beliebige Dimensionen erweitern: Im n-dimensionalen Raum kann man n Objekte immer durch einen geraden (n−1)-dimensionalen Schnitt halbieren. Da in höheren Dimensionen jedoch die Analogie mit Essen fehlt, hat das Ergebnis den schönen Namen »Schinken-Sandwich-Theorem« behalten.

Leider ist das Ergebnis sehr theoretisch: Man weiß dadurch, dass eine perfekte Teilung möglich ist, doch wie man diese findet, erklärt es nicht. Einen Streit beim Halbieren von Essen kann die Mathematik also nicht völlig verhindern.

Was ist euer Lieblingsmathetheorem? Schreibt es gerne in die Kommentare – und vielleicht ist es schon bald das Thema dieser Kolumne!

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