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Schlichting!: Händeklatschen physikalisch gesehen

Wer besonders laut applaudieren will, findet mit Hilfe von Physik die optimale Technik. Denn beim Klatschen bilden die Hände einen Hohlraum, der sich mit Hilfe eines Helmholtz-Resonators beschreiben lässt.
Eine Gruppe von Menschen sitzt in einem Auditorium und applaudiert. Die Hände im Vordergrund sind scharf gestellt, während die Gesichter im Hintergrund unscharf sind.
Wer mit gewölbtem Handteller applaudiert, nutzt die Möglichkeiten der Schallerzeugung optimal aus.
Hinter zahlreichen alltäglichen Dingen versteckt sich verblüffende Physik. Seit vielen Jahren spürt H. Joachim Schlichting diesen Phänomenen nach und erklärt sie in seiner Kolumne. Schlichting ist Professor für Physik-Didaktik und arbeitete bis zur Emeritierung an der Universität Münster. Alle seine Beiträge finden sich auf dieser Seite.

Als wir aus einem Konzert kamen, das uns zu Begeisterungsstürmen hingerissen hatte, klang dieses in Form leichter Schmerzen in meinen Händen noch eine Weile nach. Falsche Technik, kommentierte ein Freund. Er meinte damit, dass man auch auf schonendere Weise laut klatschen könne. Dafür müsse man den mechanischen und akustischen Aspekten der aufeinandergeschlagenen Hände etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Und schon befanden wir uns in einer physikalischen Diskussion einer alten Menschheitstechnik. Klatschen wurde und wird bei zahlreichen Anlässen eingesetzt, sei es bei religiösen Zeremonien, in der Musik oder eben als Geste der Wertschätzung bei Aufführungen.

Beim Klatschen lässt man die Hände heftig aufeinanderprallen. Das verdrängt die dazwischen befindliche Luft. Wie jede Substanz ist allerdings auch die Luft träge, und deswegen entweicht sie nicht augenblicklich, sondern wird zuerst stark zusammengedrückt. Anschließend dehnt sie sich wieder aus und komprimiert unmittelbar darauf die angrenzende Luft. So geht es immer weiter: Eine Schallwelle breitet sich in die Umgebung aus.

Das Aufeinandertreffen der Hände erfolgt physikalisch gesehen mit großer Kraft in kurzer Berührzeit. Das regt zahlreiche Schallfrequenzen an. Experimentelle Untersuchungen zeigen eine Frequenzverteilung im Bereich von 500 Hertz bis 10 Kilohertz oder mehr. Das exakte Frequenzspektrum hängt von der Form der Hände, dem Luftpolster dazwischen und der Geschwindigkeit ab. Eine flache Hand erzeugt höhere Frequenzen, während eine leicht gewölbte Hand einen dumpferen Ton hervorbringt. Die Hauptenergie des Klatschens liegt oft im Bereich von zwei bis fünf Kilohertz, in dem das menschliche Ohr besonders empfindlich ist.

Den genauen Klang hat man im Wesentlichen selbst in der Hand. Dabei kommt es nicht nur auf die Orientierung der Finger relativ zueinander an, sondern auch darauf, ob man die Handflächen flach oder gezielt gekrümmt aufeinandertreffen lässt.

»Der Menge Beifall ist nie der Wahrheit Grund«Gotthold Ephraim Lessing, deutscher Dichter

Auf die einfachsten Figuren reduziert, lassen sich dabei drei Fälle unterscheiden. Werden beide Hände so stark gespannt, dass sie ein wenig nach außen gewölbt sind und eine leicht konvexe Form annehmen, dann fallen die Berührflächen relativ klein aus. Das erzeugt einen vergleichsweise leisen Ton. Wenn man hingegen die eine Hand konkav und die andere konvex passend aufeinanderstoßen lässt, ist die gemeinsame Berührfläche groß. Es entsteht ein kurzer, heller Klang. Den lautesten Effekt erreicht man schließlich, wenn sich die Hände nicht parallel zueinander, sondern leicht gekreuzt begegnen und dabei jeweils eine konkave Form annehmen. Dann bilden sie beim Aufeinandertreffen einen erstaunlich gut abgegrenzten Hohlraum. Das führt zu einem vollen Sound mit einer dominierenden Frequenz. Sie kann gezielt verändert werden, indem man die Krümmung der Hände und damit das eingeschlossene Luftvolumen anpasst.

Grundformen des Klatschens | Für das Aufeinanderprallen der Hände gibt es drei verschiedene idealisierte Geometrien. Im ersten Fall wird ein sehr leiser Ton erzeugt, im zweiten ein scharfer heller Ton, beim dritten ein lauter mit tieffrequenter Resonanz.

Wie genau sich die akustische Wirkung eines solchen Hohlraums beim Klatschen steuern lässt, hat ein Forschungsteam aus den USA und Japan genauer untersucht. Das Team um Bioingenieur Sunghwan Jung von der Cornell University in Ithaca beschrieb in seiner Publikation vom März 2025 insbesondere, wie sich die Größe und Form des Hohlraums auf die dominierende Frequenz des erzeugten Klangs auswirkt.

Das grundlegende akustische System wird nach dem deutschen Universalgelehrten Hermann von Helmholtz als Helmholtz-Resonator bezeichnet. Es besteht im Wesentlichen aus einem Hohlraum mit einer halsartigen Öffnung. Wenn Luft hinein- oder herausströmt, schwingt die Luftmasse im Hals wie ein Kolben, während das Volumen im Inneren wie eine Feder wirkt. Die Schwingungsfrequenz hängt vom Volumen des Hohlraums sowie von der Querschnittsfläche und der Länge des Halses ab.

Helmholtz-Resonator | Die Luft wird in den Hohlraum gepresst und gerät im Hals in charakteristische Schwingungen.

Ein einfaches Beispiel für einen Helmholtz-Resonator ist eine Flasche. Wenn man diese an der Öffnung des Halses anbläst, bringt man den Luftpfropfen im Hals zum Schwingen. So entsteht ein charakteristischer Ton, entsprechend den jeweiligen Abmessungen des Systems.

Handgemachter Klangkörper

Auf die klatschenden Hände übertragen heißt das: Der Hohlraum beim Zusammentreffen entspricht dem Volumen des Resonators. Die Öffnung zwischen den Händen oder Fingern ist der Hals. Allerdings sind die geometrischen Verhältnisse hier kompliziert. Die genauen Abmessungen des Halses lassen sich aber bestimmen, indem man die Luftbewegung und die Druckverteilung direkt visualisiert. Das haben die Forscher um Jung getan.

Bei ihrer Studie experimentierte die Arbeitsgruppe mit echten menschlichen Händen und künstlichen, aus Silikon gefertigten Exemplaren. Auf die Weise sowie durch Computersimulationen zeigte sie: Tatsächlich lässt sich die Schallerzeugung beim Klatschen mit Hilfe eines Helmholtz-Resonators beschreiben, der durch die Luftströmung angeregt wird. Insbesondere gelang es den Wissenschaftlern, die Frequenz des Klatschens unter experimentellen Bedingungen genau vorherzusagen.

Die Untersuchung bestätigt, was die meisten schon selbst beim Applaudieren herausgefunden haben dürften, nämlich dass die effektivste Art der Schallproduktion das Klatschen mit einem bewusst erzeugten Hohlraum ist. Sie zeigt darüber hinaus: Bei aller Emotionalität nutzt man handfeste physikalische Prinzipien. Sie können gesteuert und im Prinzip exakt vorhergesagt werden.

Beim euphorischen, spontanen Applaudieren denkt man an solche Zusammenhänge vermutlich nicht. Aber für ein optimales Sounderlebnis spielt auch das Händeklatschen eine wichtige Rolle. Bei der akustischen Planung und Diagnostik von Räumen könnten solche Erkenntnisse also durchaus nützlich sein.

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  • Quellen
Yicong Fu et al., Physical Review Research 10.1103/PhysRevResearch.7.013259, 2025

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