Star-Bugs – die Kleine-Tiere-Kolumne: Pilze weisen ihnen den Weg

Hauptsache, der Pilz ist da. So scheinen die Weibchen der Holzwespen-Schlupfwespe (Rhyssa persuasoria) zu ticken, wenn sie ihre Eier ablegen. Denn der Duft des Braunfilzigen Schichtpilzes (Amylostereum areolatum) führt die Insekten zu ihrer Beute.
In der Zucht macht man sich diese Anziehung zu Nutze, um die Schlupfwespen mit einer einfachen Methode massenhaft zu vermehren. Denn sie bekämpfen effektiv Schädlinge für die Holzwirtschaft: In Ozeanien oder Amerika, wo der Mensch Holzwespen wie die Blaue Fichtenholzwespe (Sirex noctilio) eingeschleppt hat, können die Tiere als invasive Arten große Schäden in der Forstwirtschaft anrichten. In so einem Fall sind schnell viele Schlupfwespen nötig.
Dafür bedienen sich die Züchter der Biowaffen eines Tricks: Statt auch noch Holzwespen zu züchten, die bis zu zwei Jahre brauchen, ehe sie fertig entwickelt sind, nehmen sie die Larven eines Insekts, das ständig tausende Nachkommen produziert und leicht zu halten ist: die Honigbiene (Apis mellifera). Auf diese werden die Schlupfwespen angesetzt, denn wichtig für ihre »Jagd« sind die Pilze.
Holzwespen und der Schichtpilz sind untrennbar miteinander verbunden: Sie leben in einer Symbiose: Die Holzwespenweibchen legen den Pilz zusammen mit ihren Eiern unter die Rinde eines Baums. Der Pilz zersetzt das Holz, so dass die Larve es fressen kann. Die bohrt sich tief in den Baum und verteilt den Pilz dabei.
Ohne Pilz wachsen die Holzwespenlarven nicht
Der überlebenswichtige Pilz wird vielen Holzwespenlarven jedoch zum Verhängnis: Er weist der Holzwespen-Schlupfwespe den Weg. »Es ist verrückt, wie die Schlupfwespe die Holzwespenlarve aufspürt«, sagt der Biologe Thomas Schmitt, »denn von außen ist gar nichts zu sehen.«
Aber die Schlupfwespe weiß, wonach sie suchen muss. Die Bohrlöcher, durch die die Holzwespe ihr Ei abgelegt hat, lässt sie links liegen. Geräusche und Vibrationen der Larve spielen bei der Suche offenbar ebenso wenig eine Rolle; die Schlupfwespenweibchen spüren nämlich selbst Holzwespenlarven auf, die sich bereits verpuppt haben, also still liegen, oder sogar tot sind. Das haben ein Wissenschaftler der australischen Forschungsbehörde CSIRO und eine Forscherin der University of Canberra schon Ende der 1960er Jahre gezeigt.
Die Weibchen von Rhyssa persuasoria erschnuppern vielmehr den Schichtpilz. Dazu laufen sie über die Rinde des befallenen Baums und klopfen die Borke mit den Fühlern ab. Interessante Stellen pieksen sie ein paar Millimeter tief mit dem Legebohrer an. Hat das Weibchen eine Larve aufgespürt, hebt es seinen Hinterleib in die Höhe, setzt den Bohrer senkrecht an und dringt damit bis in den Gang der Larve vor – bis zu 50 Millimeter tief. Die mühsame Angelegenheit kann sich 30 Minuten hinziehen. Hat die Schlupfwespe die Holzwespenlarve in ihrem Gang erreicht, lähmt sie das Würmchen mit einem Stich und legt ein Ei darauf ab.
In der Natur kommt der Schichtpilz nur in Verbindung mit Holzwespen vor. Aber offenbar können sich die Schlupfwespen auch auf Larven anderer Insekten entwickeln. Darum funktioniert der Trick der Züchter: Sie pudern Honigbienenlarven mit dem Schichtpilz ein. »Die Holzwespen-Schlupfwespe nimmt die Bienenlarven bereitwillig als Wirte an und legt ihre Eier daran ab«, bestätigt Schmitt: »Man kann die Insekten also mit relativ geringem Aufwand in großem Stil züchten und dann frei lassen.«
Eine Schlupfwespenlarve lässt sich Zeit dabei, ihr Opfer zu verspeisen: Sie hat Mundwerkzeuge wie lange Sicheln, mit denen sie sich an ihrem Opfer festhält und dessen Hülle ansticht. Zuerst ernährt sie sich von der Flüssigkeit, die aus diesen Löchern austritt. Erst wenn sie gewachsen ist und sich dreimal gehäutet hat, beginnt sie, den Wirt komplett aufzufressen. Nach etwa fünf Wochen spinnt die Larve im Fraßgang einen feinen Kokon aus Seide und Holzfasern, verpuppt sich und überwintert im Fraßgang tief im Holz.
Schlupfwespe ist Insekt des Jahres 2025
Schmitt ist von der Schlupfwespe begeistert: »Rhyssa persuasoria ist ein ganz tolles Tier.« Der Biologieprofessor leitet das Senckenberg Deutsche Entomologische Institut (DEI) in Müncheberg und steht dem Kuratorium vor, das jedes Jahr das »Insekt des Jahres« auswählt. Für 2025 fiel die Wahl auf die Holzwespen-Schlupfwespe.
Die Wespe zu finden, sei gar nicht so schwierig, sagt Thomas Schmitt: »Man muss irgendwo hingehen, wo es Nadelholz gibt, und nach kränklichen oder toten Bäumen Ausschau halten.« Außerdem ist die Holzwespen-Schlupfwespe einmalig im Aussehen: An dem Insekt ist alles lang und schlank, der tiefschwarze Körper mit seinen großen, weißen Tupfen, die Fühler mit vielen Segmenten, die rotbraunen Beine. Auf bis zu 35 Millimeter bringt es eine ausgewachsene Holzwespen-Schlupfwespe – ohne den Legebohrer. Der ist sogar noch etwas länger als der Körper der Weibchen.
Symbiose
Die Blaue Fichtenholzwespe (Sirex noctilio) und der Braunfilzige Schichtpilz (Amylostereum areolatum) bilden eine Symbiose. Die Wespenweibchen verbreiten den Pilz mit ihren Eiern, und die Larven transportieren ihn tief ins Holz der befallenen Bäume. Der Pilz wiederum zersetzt das Holz, so dass die Wespenlarven es fressen können. Bis sie sich fertig entwickelt haben, können zwei Jahre vergehen. Wenn ein Holzwespenweibchen schlüpft, nimmt es das Myzel, also Pilzzellen, mit seinem Legebohrer auf und ist damit gerüstet, um seinen eigenen Nachkommen die Nahrungsgrundlage zu sichern. Der Name allerdings täuscht: Die Blaue Fichtenholzwespe befällt vor allem Kiefern.
Die Gemeine Holzwespe (Sirex juvencus) und Sirex nitobei aus Ostasien haben ebenfalls eine solche enge Verbindung zu dem Schichtpilz entwickelt.
Jetzt, im späten Frühjahr, kann man die frisch geschlüpften ausgewachsenen Tiere beobachten. Sie fliegen bis in den Spätsommer hinein und ernähren sich von Honigtau oder dem Saft von Kiefernnadeln. Die Holzwespen-Schlupfwespe ist weit verbreitet und spielt eine wichtige Rolle im Gleichgewicht der Lebensräume. Denn Schlupfwespen sind so genannte Parasitoide. Weltweit sind mehr als 23 000 Arten bekannt – mehr als in jeder anderen Hautflügler-Familie, also mehr als bei Bienen, Ameisen oder den anderen Wespen.
So wie der Pilz der Schlupfwespe den Weg weist, so unterstützt Rhyssa persuasoria ihren eigenen so genannten Kleptoparasiten unfreiwillig bei der Suche nach Beute: Weibchen der Schlupfwespe Pseudorhyssa nigricornis spähen Rhyssa-Weibchen bei der Eiablage aus. Geduldig warten sie, bis die Holzwespen-Schlupfwespe ihre Arbeit erledigt hat. Denn Pseudorhyssa hat zwar auch einen langen Legebohrer, allerdings ist der viel zu schwach, um in Holz einzudringen.
Stattdessen benutzt sie das Bohrloch der Konkurrenz, um ihr eigenes Ei ebenfalls auf der Holzwespenlarve abzulegen. Die Pseudorhyssa-Larve verspeist dann gleich alle Nachkommen in der Röhre. Thomas Schmitt vom DEI schwärmt: »Ich denke mir dabei: Evolution ist schon äußerst faszinierend.«
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