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Bluttest auf Brustkrebs: Schweigen ist Gold

Krebsforscher stellen eine neue Diagnosetechnik vor. Sie hätten einen späteren Zeitpunkt wählen sollen: Halb fertig lässt ihre Arbeit viele Fragen offen und macht keinen guten Eindruck.
Junge Frau schaut konzentriert auf ein mit roter Flüssigkeit gefülltes Röhrchen

Ein »Meilenstein« für die Diagnose von Brustkrebs sei das neue Verfahren, verkündete am Donnerstag das Universitätsklinikum Heidelberg in einer Pressemitteilung. Ein paar Milliliter Blut reichten aus, um selbst kleine Tumoren an den von ihnen abgegebenen Molekülen zu erkennen, noch 2019 soll der Test einsatzbereit sein. Doch vielleicht, das wird bei näherer Betrachtung deutlich, hätte man mit der Erfolgsmeldung erst einmal warten sollen.

So ist die Studie, auf der die Meldung basiert, noch nicht einmal beendet. Kaum die Hälfte der angepeilten 2000 Probandinnen hat bisher teilgenommen, dennoch werden bereits Ergebnisse verkündet. Schon das ist fragwürdig, denn eine Studie sollte korrekterweise eigentlich vollständig zum vorgesehenen Ende geführt werden, bevor man über die Resultate redet – schon um den Eindruck zu vermeiden, die Zahlen seien bloß eine sorgfältig gewählte Momentaufnahme.

Aber auch die vorläufigen Ergebnisse der Untersuchung sind gemischt. Eine Sensitivität von 86 Prozent in der Altersgruppe unter 50 Jahren ist nicht zu verachten. Allerdings tritt in diesem Alterssegment nur ein kleiner Teil der Brustkrebserkrankungen auf. In den Altersklassen darüber, in der die allermeisten Fälle zu finden sind, ist die Trefferquote mit gerade einmal 60 Prozent sicher nicht gut genug für die klinische Anwendung. Methodisch ist das in Heidelberg entwickelte Verfahren eindrucksvoll, doch dafür, dass es schon bald eingesetzt werden soll, ist seine klinische Bedeutung bemerkenswert unklar. Ist der Test nur für eine kleine Patientinnengruppe überhaupt sinnvoll?

Völlig im Dunkeln ist derweil, wie oft der Test bei Gesunden fälschlicherweise anschlägt – und wie viele unnötige Nachfolgeuntersuchungen oder gar vermeidbare Behandlungen dadurch anfallen. Solche Fehldiagnosen verursachen nicht nur Kosten, sondern auch erhebliche psychische Belastungen bei den Betroffenen. Dass die Arbeitsgruppe hier betont vage bleibt, während sie ohne Weiteres konkrete Trefferquoten bei tatsächlich erkrankten Frauen verkünden kann, ist nur mäßig vertrauenerweckend.

Solche Daten werden, lässt das Team in diversen Medien durchblicken, in der noch zu veröffentlichenden wissenschaftlichen Publikation nachzulesen sein. Ebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wird es dann hoffentlich auch mehr Informationen dazu geben, unter welchen Umständen der Test überhaupt sinnvoll ist – und nicht zuletzt für wen. Bisher jedenfalls besteht der »Meilenstein« vor allem aus einem zweifellos spannenden Diagnoseansatz, einer neu gegründeten GmbH und einer ganzen Liste offener Fragen. Es wäre unter Umständen verdienstvoll gewesen, mit der Pressemitteilung zu warten, bis zumindest einige von ihnen beantwortet sind.

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