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Volksbegehren Artenvielfalt: Sieg für die Bienen?

Wenige Umweltthemen haben die Bevölkerung in den letzten Jahren ähnlich aufgewühlt wie das Insektensterben. In Bayern könnte der Volkswille in einem Gesetz münden.
Hummel im Lavendel

Direkte Demokratie muss in Bayern hohe Hürden überwinden: Zuerst müssen Unterschriften gesammelt werden, um ein Volksbegehren zu beantragen (mindestens 25 000 gültige Stimmen). Ist dies gelungen, folgt ein Volksbegehren, bei dem sich mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten innerhalb von zwei Wochen in Listen (meist im Rathaus) eintragen müssen. Sobald diese Hürde genommen wurde, kann der Landtag die eingereichte Gesetzesänderung annehmen (was er meist nicht tut). Und schließlich folgt der Volksentscheid, bei dem dann immerhin die Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht. Seit der Jahrtausendwende gelang es in neun Versuchen nur zweimal auch tatsächlich einen Volksentscheid herbeizuführen: der heiß diskutierte »echte« Nichtraucherschutz und das »Nein zu Studiengebühren«. Alle anderen scheiterten schon im Ansatz, und das zum Teil krachend.

Nun ist es wieder so weit. Das Volksbegehren »Rettet die Bienen und die Bauern« weckt im Freistaat Emotionen und trieb die Menschen massenhaft in die Rathäuser, wo sie oft in langen Schlangen warten mussten. Bis zum Dienstag (12. Februar) hatten sich mindestens eine Million Bürgerinnen und Bürger in die Listen eingetragen, das Volksbegehren hat also auch diese Hürde genommen. In manchen Städten wie Nürnberg, Fürth, Erlangen und Würzburg fiel die Zehn-Prozent-Hürde bereits vor dem Wochenende, und selbst im ländlichen Raum hatten die Unterstützer schon vor dem Eintragungsende am 13. Februar in einigen Orten das nötige Quorum erreicht. Getragen wird das Bündnis von den beiden großen bayerischen Umweltschutzorganisationen BUND und Landesbund für Vogelschutz sowie den Parteien Die Grünen sowie der eher wertkonservativen und in Niederbayern starken ÖDP. Der Unterstützerkreis ist jedoch noch viel größer und umfasst offiziell sogar die Max-Planck-Gesellschaft.

1 Million Unterschriften | Agnes Becker (ÖDP), Norbert Schäffer (LBV), Ludwig Hartmann (Bündnis 90/Die Grünen) und Richard Mergner (Bund Naturschutz, von links nach rechts) beim Startschuss des Volksbegehrens

Zu den wichtigsten Forderungen des Volksbegehrens gehören das Schaffen von Biotopverbünden, um Insekten und anderen Tieren die Wanderung zwischen geeigneten Lebensräumen zu ermöglichen, der verringerte Einsatz von Pestiziden, eine deutliche Ausweitung des Biolandbaus auf 30 Prozent der Nutzfläche bis 2030 und mehr Blühwiesen, auf denen später gemäht und die Artenvielfalt gefördert wird. Sie sollen ein Zehntel des Grünlandes ausmachen. Und zu Gewässern soll zukünftig ein Abstand von fünf Metern gehalten werden, die nicht beackert oder gedüngt werden dürfen – in allen Bundesländern ist dies gesetzlich verankert, nur Bayern setzt auf Freiwilligkeit. Für Max-Planck-Forscher sind diese Maßnahmen geeignet, den Arten- und Bestandsschwund in Bayerns Kulturlandschaft nicht nur zu stoppen, sondern sogar wieder umzukehren. Auch im Freistaat starben in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Arten aus, die früher in der Kulturlandschaft zu Hause waren; zudem verschwanden Millionen Vögel aus der Region – wegen Nahrungs- oder Nistplatzmangel.

Was sagen die Landwirte?

Natürlich regt sich dagegen auch Opposition – vor allem aus Kreisen des Bayerischen Bauernverbands. Landwirte fürchten, dass das Volksbegehren sie zum alleinigen Sündenbock der Artenverluste macht, dadurch die staatlichen Fördermittel für Naturschutzmaßnahmen im ländlichen Raum ausgehebelt werden und schlicht kein Markt für die große Menge an Bioprodukten vorhanden ist, die mit der Ausweitung erreicht werden sollen. Bayerns Wirtschaftsminister (und Landwirt) Hubert Aiwanger befürchtet deswegen sogar ein Höfesterben, sollten die Maßnahmen eins zu eins umgesetzt werden. In manchen Regionen scheuten sich Gegner des Volksbegehrens auch nicht, Plakate der Initiative zu demolieren oder sogar zu entwenden.

Doch was ist dran an den Vorwürfen? In der Tat machten zehntausende Bauernhöfe in Bayern in den letzten Jahrzehnten dicht. Allein seit 1995 hat sich die Zahl der Betriebe fast halbiert, während im gleichen Zeitraum auch Artenvielfalt und Bestandszahlen auf Talfahrt gingen – und das ganz ohne Volksbegehren. Es ist also ohnehin etwas faul im ländlichen Raum, das unter anderem wohl mehr mit verfehlter Subventionspolitik als mit der »Knebelwirkung« des Naturschutzes zu tun hat. Auch der Sorge vor Gelderstreichungen treten die Initiatoren des Volksbegehrens vehement entgegen. Es könne nur für den gesetzlichen Rahmen sorgen, die Verteilung der Fördermittel obliege dagegen dem Freistaat – dieser könne also den Landwirten wie bisher auch kräftig unter die Arme greifen: nur dieses Mal eben mit einer klaren ökologischen Vorgabe.

Bei zwei weiteren Kritikpunkten laufen die Landwirte dagegen sogar offene Türen der Befürworter ein. Momentan stimmen zumindest in Teilen Nachfrage und Angebot bei Bioprodukten in Bayern nicht überein – etwa bei der Milch, wo laut dem Bayerischen Rundfunk fast alle Molkereien neue Biomilch-Produzenten abwiesen, weil der Markt gesättigt sei. Hier sind natürlich auch die Verbraucher gefordert: Es reicht nicht aus, per Unterschrift eine bessere Welt zu fordern, auch danach ist Handeln angesagt – eben durch den Kauf von Bioprodukten aus heimischer Erzeugung. Österreich macht dies vor, wo Stand 2017 bereits fast ein Viertel der Landesfläche ökologisch bewirtschaftet wird. Der Freistaat könne zudem als Vorbild vorangehen und beispielsweise Kantinen in seinen Einrichtungen auf bio umstellen.

Einig sind sich Umweltschützer und Landwirte beim Punkt, dass nicht nur die Bauern ihren Anteil am Artensterben haben – auch wenn sie ein wichtiger Grund dafür sind, bewirtschaften sie doch mehr als 40 Prozent der bayerischen Landesfläche. Auch Städter tragen zum Verlust an Tierleben bei, etwa durch Zersiedelung der Landschaft, Lichtverschmutzung oder indem sie Gärten in leblose Kieswüsten verwandeln. Die Vorgaben für Volksbegehren sind allerdings eng gesteckt, so dass der eingebrachte Gesetzesentwurf zum Beispiel nicht auch »grünere« Vorgaben für Gärten beinhalten kann.

Der bayerische Landtag kann das Volksbegehren jetzt einfach umsetzen oder einen eigenen Entwurf erarbeiten, so dass das Volk dann über zwei Vorschläge entscheiden kann. Der massenhafte Zulauf hat jedenfalls schon etwas in Gang gebracht. Ministerpräsident Markus Söder hat schon runde Tische und einen eigenes, »weit reichendes« Gesetz angekündigt, das den gesellschaftlichen Frieden wahren solle, so die »Süddeutsche Zeitung«. Auch viele Landwirte – und darunter beileibe nicht nur Biobauern – unterstützen das Volksbegehren. Sie zeigen, dass die Macht der Bauernfunktionäre bröckelt und dass auch viele Bauern nicht mehr tatenlos zusehen wollen, wie ihre Heimat ökologisch verarmt, während gleichzeitig die Höfe trotz bisheriger Subventionen sterben. Der starke Zulauf zum Volksbegehren bestätigt, dass zumindest ein erklecklicher Teil des Volks auch zukünftig (Wild-)Bienen und Vögel sehen will – ob die fehlenden Stimmen nun noch erreicht werden oder nicht. Die Politik ist am Zug.

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