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Weitemeiers Widerspruch: Smoothie-Detox: Entgiftung ohne Effekt

Wer regelmäßig eine Smoothie-Kur einlegt, entschlackt, befreit den Körper von lästigen Giften – und kriegt einen wahren Antioxidanzien-Boost, so heißt es. Nur: Das Wenigste davon stimmt.
Was ist grün und wird auf Knopfdruck, äh, grün und matschig? Grüne Smoothies sind ein sehr profitabler Gesundheitstrend geworden.

Ich wage eine Prognose: Anklang finden wird diese Kolumne bei Menschen, die morgens um sechs vom ambitionierten Mixer-Lärm ihres Partners aus dem Schlaf gerissen werden. Bei frisch Verliebten, die in anfänglicher Ergebenheit ihr Abendessen durch mit Spirulina angereicherte Grünkohl-Smoothies ersetzen. Und bei denen, die ohnehin zweifeln. Bei allen Überzeugten aber werden diese Zeilen auf Ablehnung stoßen. Denn: Viele wollen es einfach glauben – dass Detox funktioniert.

Allein bei Instagram kumulieren unter dem Hashtag #detox beachtliche 15,2 Millionen Fotos: grüne Smoothies, pinke Smoothies, selbst gemachte Smoothies und Smoothies in Flaschen, glückliche Frauen mit straffen Bäuchen, glückliche Männer mit noch strafferen Bäuchen, Fläschchen mit Nahrungsergänzungsmitteln, Illustrationen des Darms vor und nach der Entgiftung. Es gibt mittlerweile eigene Detox-Party-Formate mit Smoothies und Ingwer-Shots statt Cosmopolitan und Bier, Energiebällchen statt salziger Erdnüsse. Die Industrie macht derweil Milliarden mit vorgefertigten Detox-Plänen, mit Smoothie-Lieferungen für die zweiwöchige Entgiftungskur und den passenden Nahrungsergänzungsmitteln.

Zweifelhafte Versprechen

Jetzt könnte man annehmen, die schiere Fülle an Suchergebnissen bei Google, Pinterest und Co. spiegle sich auch in Datenbanken wissenschaftlicher Studien. Tut sie nicht. Neben ein paar Treffern zur Entgiftung für Alkoholiker oder Methamphetamin-Süchtige findet man exakt eine Übersichtsarbeit. Ihre wesentliche Aussage: Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage, die hinreichend belegt, dass Detox-Diäten irgendeinen Effekt haben: »Although the detox industry is booming, there is very little clinical evidence to support the use of these diets.«

So lehnen auch Ernährungsforscher die Sinnhaftigkeit solcher Entgiftungsdiäten einhellig ab – mit ungewohnter Vehemenz. Auf den Punkt bringt es Prof. Dr. Hans Hauner, Leiter des Instituts für Ernährungsmedizin an der TU München: »Detox ist eine Art Beschäftigungstherapie für Menschen, die meinen, sie würden sich für Ernährung interessieren.«

Das Detox-Versprechen ist aus mehrerlei Gründen zweifelhaft.

  1. Der Körper braucht keine Hilfe bei der Entgiftung
    Er schafft das sehr gut allein. Die Niere filtert wasserlösliche Giftstoffe aus dem Blut, die Leber wandelt nicht wasserlösliche Substanzen in die lösliche Variante um – und so verlassen sie den Körper durch den Urin, fettlösliche über den Stuhl. Das Wichtigste aber ist: Es gibt nichts, was diesen Entgiftungsmodus entscheidend beschleunigt.
  2. Es ist nicht einmal klar, welche Gifte gemeint sind
    Kämpft man sich durch die zahllosen Detox-Versprechen, kann man kaum anders, als zu dem erstaunlichen Schluss zu kommen: Detox hilft quasi gegen alles. Es soll den Körper von den Folgen unseres hedonistischen Lebensstils befreien, von zu viel Zucker, von Bewegungsmangel, von Alkohol und Kaffee, von Pestiziden und schlechter Luft gleich mit. Die ganze Palette also, vereint unter einem Stichwort: Schlacke. Etwas, was beim Fasten verschwinden soll – von dem aber eigentlich niemand weiß, was es überhaupt ist.
    Seit einer Weile kursiert unter einigen Wissenschaftlern die Theorie: Die AGEs (advanced glycation endproducts) sind's. Verzuckerte Proteine und Fette, die vor allem bei Stress und hohem Blutzucker im Körper entstehen können, die aber auch in gebratenen oder frittierten Lebensmitteln stecken. So gibt es Hinweise, dass sie bei echten Fastenkuren (nein, die Smoothie-Variante gilt nicht!) mit einer streng reglementierten Kalorienzufuhr über ein bis zwei Wochen zurückgehen. Nur: Weder ist das gut belegt noch weiß man, wie genau der Körper davon profitiert.
  3. Das Medium Smoothie ist nicht hilfreich
    Eher kontraproduktiv – aus zwei Gründen. Zum einen steckt in Smoothies jede Menge Zucker. Selbstredend gilt es hier zu differenzieren: Viele abgepackte Smoothies sind richtige Zuckerbomben. Einige enthalten mehr Zucker als Cola, der Vitamin-C-Gehalt: null. Aber auch bei selbst gemachten Smoothies nehmen wir meist mehr Zucker auf als durch das unpürierte Pendant Obstsalat. Es passt einfach mehr rein.
    Das zweite, oft angeführte Anti-Smoothie-Argument: Das Pürieren zerstört wichtige Nährstoffe. Beim Versuch, das zu überprüfen, stößt man auf eine Hand voll Studien, die das zu widerlegen scheinen. Sie postulieren: Alles Quatsch, die Nährstoffe bleiben weitestgehend erhalten – und Smoothies machen ebenso satt wie die gleiche Menge Obst. Wer aber etwas tiefer gräbt, dem fällt auf: Komischerweise heißt der Auftraggeber fast aller Studien genauso wie ein großer, unschuldiger Smoothie-Hersteller. Wirklich rehabilitieren können sie den Smoothie also nicht.
  4. Für Antioxidanzien gilt: Viel hilft nicht viel
    Die Blitzanalyse einer Auswahl unterschiedlicher Detox-Versprechen im Rahmen dieser Recherche zeigt, dass jedweder Effekt des Detoxens offenbar durch zwei Worte vollumfassend zu erklären ist: Antioxidanzien-Boost. Antioxidanzien sind quasi der Raketenabwehrschild gegen freie Radikale. In ihrer natürlichen Form stecken sie etwa in Obst, Gemüse und Kräutern, sind aber auch als zugesetzte Nahrungsergänzungsmittel höchst begehrt.
    Dabei sind die Superkräfte der zugesetzten Antioxidanzien mitnichten belegt. In Studien behinderten hohe Dosen an Vitamin E in Nahrungsergänzungsmittel-Form den Trainingseffekt von Sportlern. In anderen Studien stieg das Tumorrisiko. Dr. Stephan Kabisch, Studienarzt am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, erklärt es so: »Wenn man dem körpereigenen Schutzsystem über längere Zeit die ganze Arbeit abnimmt, lehnt es sich faul in der Hängematte zurück – eventuell auch in Bereichen, wo die Supplemente gar nicht hinkommen.» Aber keine Angst: Während wir uns mit dem ambitionierten Einsatz zugesetzter Antioxidanzien durchaus überdosieren können, ist eine Überdosis durch natürliche Quellen äußerst unwahrscheinlich.

Ernüchternde Erkenntnis

Und jetzt? Die erste Erkenntnis mag ernüchtern: Erst ausschweifen, dann entspannt entgiften klappt nicht. Schade eigentlich. Gleichwohl lässt sich doch eine ganze Reihe sehr entspannender Schlüsse ziehen.

Erstens: Sparen Sie sich Ihr Geld für Antioxidanzien und teure Detox-Pakete. Detox ist ein reines Werbeversprechen – einer Industrie, die mit unserer Entgiftungspassion sehr viel Geld verdient.

Falls Sie sich übrigens wundern, wieso die Hersteller Detox nicht einmal richtig schreiben können: Der Bundesgerichtshof hat 2017 beschlossen, dass »Detox« eine gesundheitsbezogene Aussage darstellt und daher nur auf Produkten stehen darf, die eine gesundheitsbezogene Zulassung haben. Die haben, Überraschung, wenige – und so heißen sie nun eben de-tox, d-tox oder anti-tox.

Zweitens: Wenn Sie Smoothies mögen, trinken Sie Smoothies (gerne auch die leckere Variante ohne Algen und Grünkohl). Des Genusses wegen. Nicht für den Effekt.

Drittens, so simpel es klingt: Statt zu versuchen, Niere und Leber zu immer neuen Spitzenleistungen in puncto Entgiftung zu treiben – gönnen Sie ihnen lieber mal eine Auszeit. Heißt: Snacken Sie nicht ständig (auch keine Smoothies), sondern machen Sie echte Essenspausen. Essen Sie mehr Obst und Gemüse. Trinken Sie weniger Alkohol, dafür umso mehr Wasser. Und lassen Sie die Zigaretten weg. Klingt zwar weit weniger glamourös als Detox, ist aber viel effektiver. Und dafür braucht man nicht mal zu pürieren.

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