Die fabelhafte Welt der Mathematik: Wie Mathematik den sächsischen Landtag beeinflusst

Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen geriet aus mehreren Gründen in die Schlagzeilen. Zum einen sorgt das Wahlergebnis an sich für heftige Debatten, zum anderen musste die Sitzverteilung des sächsischen Landtags nachträglich korrigiert werden. »Sächsische AfD doch ohne Sperrminorität«, konnte man in vielen Nachrichtenportalen lesen. Das bedeutet: Die AfD hat weniger als ein Drittel aller Sitze inne und kann somit nicht im Alleingang wichtige Abstimmungen blockieren. Grund für den Patzer war nicht – wie man vielleicht zuerst vermuten würde – eine Korrektur der ausgezählten Stimmen. Nein, die Ursache war offenbar ein Softwarefehler.
Schnell kursierten Gerüchte: 2023 hatte Sachsen das Verfahren zur Berechnung der Sitzverteilung geändert; eventuell sei das nicht berücksichtigt worden. Aber die Spekulation erwies sich als falsch. Nach offiziellen Angaben wurden »ab der Zuteilung des 117. Sitzes die Sitze nicht mehr an den mathematisch höchsten Teiler zugewiesen«, berichtete »Die Zeit«. Offenbar mussten die Wahlleiter das Ergebnis deshalb per Hand nachrechnen und korrigieren. Aber wie kann es sein, dass es bei einer Wahl – ein sehr einfach erscheinendes Problem – zu Fehlern kommt?
Tatsächlich trügt der Schein. Aus mathematischer Sicht ist es gar nicht so einfach, eine faire Sitzverteilung für ein Parlament zu bestimmen. Es gibt zahlreiche Sitzzuteilungsverfahren – und leider ist keines perfekt. Hat man sich jedoch für ein bestimmtes Verfahren entschieden, ist dieses nicht besonders schwierig anzuwenden. Sorry Sachsen, der Softwarefehler ist leider doch etwas peinlich.
Mathematik und Wahlen
Die Mathematik hinter Wahlsystemen ist ziemlich kompliziert. Ich hatte in der Vergangenheit schon einmal erklärt, dass es kein perfektes Abstimmungssystem gibt und faire Wahlen meist einen Diktator haben. Und natürlich gibt es insbesondere in den USA (aber auch in Deutschland) Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Wahlbezirke, ein Problem, das als Gerrymandering bekannt ist.
Hier soll es um folgendes Problem gehen: Es haben Wahlen stattgefunden, und die Stimmen wurden ausgezählt. Nun will man die abgegebenen Stimmen möglichst fair auf eine begrenzte Zahl von Sitzplätzen in einem Parlament verteilen. Wie kann das gelingen?
Am Besten lässt sich das anhand eines konkreten Beispiels durchrechnen: die Landtagswahl in Sachsen, die am 1. September 2024 stattfand. Dort haben fünf Parteien (CDU, AfD, SPD, die Grünen und BSW) die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Zudem haben zwei Parteien (die Linke und die Freien Wähler) Direktmandate erhalten, weshalb auch sie in den Landtag einziehen. Und dann greift noch eine Besonderheit des sächsischen Landtags: Da die Linke mehr als zwei Direktmandate hat, darf sie mit der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Landtag einziehen – obwohl sie weniger als fünf Prozent aller Stimmen gesammelt hat.
Der sächsische Landtag hat 120 Sitze, von denen einer an die Freien Wähler geht; bei der Verteilung der restlichen 119 Sitze spielt diese Partei aber keine Rolle, daher ignoriere ich die Partei im Folgenden und rechne mit 119 statt 120 Sitzen weiter. Für die übrigen sechs Parteien wurden insgesamt 2 142 517 Wählerstimmen abgegeben. Das Ergebnis sah folgendermaßen aus:
| Partei | Stimmen | Prozent |
|---|---|---|
| CDU | 749 216 | 34,97 |
| AfD | 719 274 | 33,57 |
| BSW | 277 173 | 12,94 |
| SPD | 172 002 | 8,03 |
| Die Grünen | 119 964 | 5,60 |
| Die Linke | 104 888 | 4,90 |
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