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In Bestform: Wie hoch sollte der Puls gehen?

»Es kommt auf das Trainingsziel an«, sagt Burkhard Weisser von der Universität zu Kiel. Im Interview erklärt der Sportmediziner, welche Rolle der Puls im Sport spielt.
Pulsuhr am Arm

Bis an die Grenze gehen – oder doch lieber laufen, ohne zu schnaufen? Burkhard Weisser, Professor für Sportmedizin und Trainingswissenschaft an der Universität zu Kiel, über den optimalen Puls für Ausdauer- und Krafttraining.

»Spektrum.de«: Herr Professor Weisser, viele Menschen schwören auf das Training mit Pulsuhr. Ist es wirklich notwendig, beim Sport ständig den Puls zu kontrollieren?

Burkhard Weisser: Bei bestimmten Fragestellungen, zum Beispiel im Reha-Bereich, beim Herzsport oder auch im Leistungssport ist das auf jeden Fall notwendig. Im Gesundheits- und Hobbysport hingegen nicht unbedingt, da kann man sich ein bisschen mehr auf sein Gefühl verlassen.

Burkhard Weisser | Der Facharzt für Sport- und Innere Medizin leitet das Institut für Sportwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel sowie die medizinische Untersuchungsstelle am Olympiastützpunkt Schleswig-Holstein.

Als Neueinsteiger hat man das vielleicht noch nicht und braucht einen Richtwert. Wie hoch darf der Puls denn maximal steigen? Die Faustregel besagt: 220 minus Lebensalter. Ist das richtig?

Nein, da stimme ich nicht zu. Das Maximum ist individuell extrem unterschiedlich. Ein 50-Jähriger kann einen Maximalpuls von 190 oder auch nur 150 haben. Deswegen wollen wir Sportmediziner diese Formel nicht mehr anwenden. Wenn man sich dafür interessiert und sich beim Training nach dem Puls richten möchte, muss das im Rahmen einer Leistungsdiagnostik individuell bestimmt werden.

Es gibt aber für jeden Menschen ein Maximum. Ist es ungesund, wenn der Puls darüber geht – oder will man das in manchen Fällen sogar?

Es kommt darauf an, was das Trainingsziel ist. Will man die Fettverbrennung ankurbeln und abnehmen, sind niedrige Pulsbereiche besser. Wenn man sich richtig auspowern und an seine Grenzen gehen will, kann man den Puls auch mal in die Höhe treiben.

Wird das nicht irgendwann gefährlich?

Bei jungen, gesunden Menschen ist die Ermüdung, also dass man schlicht nicht mehr kann, ein ausreichender Ratgeber. Wenn man bereits etwas älter ist und womöglich unerkannte Erkrankungen hat, kann man sich aber natürlich schon überlasten. Insbesondere, wenn Herzerkrankungen vorliegen oder auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes. Man kann beispielsweise unterzuckern oder Durchblutungsstörungen des Herzens bekommen. Da muss man also aufpassen. Sonst hängt aber alles, wie gesagt, stark vom Trainingsziel ab.

Angenommen, ich bin gesund und möchte beim Laufen schneller werden. Sollte ich dann versuchen, meinen Puls hochzutreiben, indem ich so schnell laufe, wie ich kann?

Da bietet sich ein so genanntes Intervalltraining an: Man läuft eine bestimmte Strecke, zum Beispiel eine Runde im Stadion. Dabei kann man sich bis zum Maximalpuls belasten. Danach erholt man sich kurz und dreht dann die nächste Runde.

Ist es nicht schlecht für den Kreislauf, wenn man zwischendurch Pausen macht, also den Körper immer von 0 auf 100 und umgekehrt bringt?

Nein, Intervalltraining ist eine Methode, die im Sport schon seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet wird. Anfängern oder Laien empfehle ich aber nicht, das alleine durchzuführen. Das sollte man möglichst nur unter Aufsicht und nach einer entsprechenden Leistungsdiagnostik tun. Das ist nicht unbedingt etwas für den Hobbybereich.

Ich kenne aber viele Hobbyläufer, die das machen und ihre Rundenzeiten und Pulswerte in den sozialen Medien posten.

Das kann man schon machen, wenn man jung und gesund ist. Für manche Sportler und Sportlerinnen können die sozialen Medien durchaus auch motivierend sein.

»Nicht nur lange und langsame Einheiten sind gut für die Ausdauer, sondern auch kurze und knackige«

Wenn ich nun statt Schnelligkeit lieber Ausdauer trainieren möchte: Sollte ich dann eher im niedrigen Pulsbereich bleiben, also »laufen ohne schnaufen«, wie man umgangssprachlich sagt?

Für die Ausdauer gibt es unterschiedliche Trainingsmethoden. Da gibt es die Dauermethode, wo man mit 70 bis 80 Prozent des individuellen Maximalpulses trainiert – das wäre in etwa das, was Sie meinen. Aber auch die Intervallmethode lässt sich hier anwenden, beispielsweise wenn sich jemand das Ziel setzt, fünf Kilometer in einem ordentlichen Tempo laufen zu können. Dann könnte man ihn im Training dreimal 1000 Meter laufen lassen oder fünfmal 400.

Und das aber nicht so schnell wie möglich, sondern in einem bestimmten, moderaten Tempo?

Das kann man nicht so pauschal sagen. Man kann auch mal sagen: Heute laufe ich fünfmal 400 Meter, so schnell ich kann.

Von Sportler zu Sportlern

Früher sei zur Gesundheitsförderung nur der Ausdauersport empfohlen worden, sagt Sportmediziner Burkhard Weisser. Gerade mit zunehmendem Alter sei aber ein dosiertes und gut angeleitetes Kräftigungstraining sinnvoll und wichtig. Nicht nur, um Stürze zu vermeiden, sondern auch, um den Stoffwechsel anzuregen und ganz allgemein die Gesundheit zu stärken. Er selbst setzt auf Krafttraining. Daneben betreibt er viele andere Sportarten, darunter Laufen, Rad- und Skifahren.

Auch das käme letztlich der Ausdauer zugute?

Ja, auf jeden Fall. Nicht nur lange und langsame Einheiten sind gut für die Ausdauer, sondern auch kurze und knackige.

Man spricht in diesem Zusammenhang von aerobem und anaerobem Training. Können Sie kurz erklären, was das bedeutet?

Die Muskulatur kann auf zweierlei Arten Energie gewinnen, entweder aerob, also mit Sauerstoff, oder anaerob, ohne Sauerstoff. Bei einer aeroben Belastung werden Fette und Kohlenhydrate mit Sauerstoff verbrannt. Der über die Atmung aufgenommene Sauerstoff reicht demnach aus, um den Muskel zu versorgen. Eine solche Intensität kann man ohne Probleme 30 bis 60 Minuten durchhalten. Das bietet sich an, um Grundlagenausdauer und Stoffwechsel zu trainieren. Bei einer anaeroben Belastung ist die Intensität wesentlich höher. Der Körper braucht in kürzester Zeit mehr Energie, die aerobe Energiegewinnung reicht dafür nicht mehr aus. Deshalb wandelt der Muskel die Kohlenhydrate nun ohne Sauerstoff – also anaerob – in Energie um, und dabei entsteht Milchsäure oder Laktat. Weil dieser Stoffwechselweg weit weniger effektiv ist, lässt sich eine solche Belastung nur einige Minuten durchhalten, etwa für 400- oder 800-Meter-Läufe. In den Bereich kommt man beim Intervalltraining.

Wenn man älter wird, steigt ja häufig der Blutdruck. Hat das Auswirkungen darauf, wie man trainieren sollte?

Wenn man einen hohen Blutdruck hat, ist eher die Dauermethode empfehlenswert, also »laufen ohne schnaufen«. Man kann sich da an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation orientieren. Idealerweise macht man ein Belastungs-EKG und lässt sich beraten. Der Blutdruck sollte unter Belastung, also auch beim Training, nicht über 200 steigen.

Wie hängen Puls und Blutdruck zusammen?

Der Puls – genauer gesagt: die Herzfrequenz – gibt an, wie häufig das Herz innerhalb von einer Minute schlägt. Der Blutdruck hingegen beschreibt den Druck, der auf die Gefäße wirkt, wenn sich der Herzmuskel zusammenzieht (Systole) oder erschlafft (Diastole). Wenn das Herz öfter schlägt, also der Puls höher ist, muss nicht zwangsläufig auch der Blutdruck steigen. Bei körperlicher Belastung wird allerdings mehr Blut in die Muskeln gepumpt, woraufhin der Blutdruck steigt. Das kann bei Menschen, die ohnehin unter Bluthochdruck leiden, zum Problem werden. Das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und andere Organschäden steigt. Moderate Bewegung kann aber langfristig helfen, den Blutdruck zu senken.

Mein Puls ist jedoch nicht automatisch höher, wenn ich einen höheren Blutdruck habe, oder?

Nein, auf keinen Fall. Nur muss man mit einem hohen Blutdruck generell etwas vorsichtiger sein. Mit zunehmendem Alter wird der Ruhepuls meist etwas höher, aber der Maximalpuls sinkt ab. Das steckt ja auch in der Formel drin, die Sie vorhin genannt haben. Diese ist zwar sehr ungenau, doch die Tendenz stimmt.

Woran liegt das – können Sie das wissenschaftlich erklären?

Es liegt wahrscheinlich an einem Phänomen, das man als Herzfrequenzplastizität bezeichnet. Es beschreibt, wie das Herz auf einen bestimmten Reiz reagiert, zum Beispiel auf Adrenalin oder eben körperliche Belastung. Diese Reaktionsfähigkeit nimmt mit dem Alter ab, der Herzschlag kann sich nicht mehr so schnell anpassen.

Wie lässt sich Muskelkater vermeiden? Wie viel sollten Sportler trinken? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Biochemikerin Annika Röcker in ihrer Kolumne »In Bestform«. Mit Expertinnen und Experten aus der Sportmedizin diskutiert sie, was beim Sport im Körper vorgeht und wie ein gesundes Training aussieht.

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