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Freistetters Formelwelt: Warum KI nur lahme Witze erfindet

In der Regel ist Mathematik nicht lustig. Durch das Fach lässt sich einer KI die Kunst des Witzeerfindens zwar beibringen – bislang macht sie dabei aber Menschen noch keine Konkurrenz.
Übereinanderliegende Sprechblasen in verschiedenen Farben
Was ist Ihr Lieblingswitz?
Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Es ist nicht einfach, einen guten Witz zu machen. Doch wir merken es sofort, wenn wir einen guten Witz hören. Humor auf irgendeine Weise theoretisch zu erklären, ist bis heute schwierig. Es gibt keine einheitliche, unumstrittene Theorie, mit der sich verstehen lässt, weshalb wir manche Sachen lustig finden und andere nicht. Dementsprechend schwer ist es auch, einer künstlichen Intelligenz Humor nahezubringen. In einer 2025 erschienenen Arbeit haben italienische Forscher genau das probiert. Sie haben sich dem Witz dabei auf eine sehr formale Weise durch diese Formel genähert:

P=X,Y,XZ

Ein Wortspiel P (auf Englisch »pun«) ist durch drei Begriffe X, Y und XZ gegeben. X beschreibt dabei das Subjekt der Ausgangsfrage, Y den Verwendungszweck und XZ die Pointe, die gebildet wird, indem man ein Suffix Z an das ursprüngliche Subjekt X anhängt. Rein formal lautet die Witzstruktur also: »Wie nennt man ein X das Y? XZ!« Die Autoren geben dafür auch ein Beispiel, mit dem sich das Konzept leichter verstehen lässt; das Wortspiel funktioniert in diesem Fall aber nur auf Englisch: »How do you call a dog that is incontrovertibly true? Dogma!«

Man kann darüber streiten, ob das jetzt wirklich lustig ist. Aber es ist zumindest ein formal korrektes Wortspiel. Aus dem Subjekt »dog« ist durch das Anhängen von »ma« ein neues Wort geworden, das nichts mit dem ursprünglichen Begriff zu tun hat (dogma) – und es ist eine passende Antwort auf den Verwendungszweck Y (incontrovertibly true).

Für ihre Arbeit haben die Forscher über 300 solcher Witze konstruiert, zum Beispiel »What do you call a cat that is clear and obvious? Categorical!« oder »What do you call a rat that is obsessed with stats? Ratio!« Wie gesagt: Lustig im eigentlichen Sinn ist das alles nicht, doch zumindest eine gute Ausgangsbasis, um zu prüfen, ob Sprachmodelle wie ChatGPT zumindest prinzipiell in der Lage sind, das Konzept verstehen. Ausgehend von dieser Wortspiel-Datenbank wurden neun gängige Sprachmodelle verwendet, die eigene Witze nach der vorgegebenen Struktur konstruieren sollten. Das Ergebnis ist eher durchwachsen. Die KI-Modelle waren zum Teil noch nicht einmal in der Lage, die vorgegebenen Wortspiele zu verstehen, und noch schlechter darin, sich selbst neue Witze auszudenken. Darunter fanden sich »What do you call a van that draws maps? Cartographer!« Oder: »What do you call a bee that is a good listener? Beear!«

Der Weg zur Superintelligenz?

Im ersten Fall sind Frage und Antwort zumindest noch grammatikalisch korrekt und es handelt sich um echte Wörter, auch wenn das Wortspiel selbst weder der vorgegebenen Struktur folgt noch auf irgendeine Weise lustig ist. Im zweiten Fall hat das Modell offensichtlich die Wörter »bee« und »hear« zum nichtexistenten Wort »Beear« kombiniert. Und auch wenn Wortneuschöpfungen durchaus lustig sein können – zum Beispiel im bekannten Witz »Was liegt am Strand und redet undeutlich? Eine Nuschel!« –, fehlt dem Sprachmodell jegliches Verständnis dafür, was ein Mensch als lustig empfindet und was nicht.

Aber vielleicht ist es auch ganz gut, wenn die künstliche Intelligenz humorlos bleibt. Der lettische Informatiker Roman Yampolskiy von der Universität in Louisville hat in einem Artikel darauf hingewiesen, dass wir uns Sorgen machen sollten, wenn die KI plötzlich anfängt, wirklich gute Witze zu erfinden. Denn das könnte ein Zeichen sein, dass wir es mit einer echten universellen Intelligenz zu tun haben, die theoretisch in der Lage ist, unsere menschliche Intelligenz in allen Belangen abzuhängen. 

Sicherheitshalber habe ich ChatGPT gerade nach einem Witz über mathematische Formeln gefragt. Das Ergebnis: »Warum sind Dreiecke so schlechte Lügner? Weil sie immer einen rechten Winkel haben!« So wie es scheint, müssen wir uns vorerst also noch keine Sorgen machen.

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