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Springers Einwürfe: Wie lebt es sich im Weltraum?

Pläne für dauerhafte Aufenthalte auf Mond und Mars werden konkreter. Auf die Weltraummedizin kommt damit einiges zu.
Illustration eines Astronauten oder einer Astronautin von hinten auf einem Wüstenplaneten mit rötlichem Sand und schwarzen Felsen. Der Himmel ist dunstig
Falls Menschen jemals auf anderen Welten spazieren, können sie es noch bei guter Gesundheit tun?
Ist die Energiewende sauber durchgerechnet? Kann die Forschung wirklich die Zukunft voraussagen? Und widerspricht die Quantenphysik sich selbst? In seinen Kommentaren geht der Physiker und Schriftsteller Michael Springer diesen und anderen Fragen am Rande des aktuellen Wissenschaftsgeschehens nach. Seit 2005 erscheint seine Kolumne »Springers Einwürfe«.

Menschen im All sind nichts Besonderes mehr. Die Internationale Raumstation ISS ist seit der Jahrtausendwende bewohnt und macht nur noch Schlagzeilen, wenn Besatzungsmitglieder länger als geplant an Bord bleiben müssen. Der Weltraum ist zwar das Gegenteil einer lebensfreundlichen Umgebung. Aber mit gewaltigem technischem Aufwand lässt es sich dort Jahre aushalten.

Hightech ist erst recht die Grundvoraussetzung für Pläne, demnächst Stationen auf dem Mond zu errichten und sogar zum Mars zu reisen. Doch selbst mit bester Ausrüstung muss der menschliche Organismus lange Schwerelosigkeit und hohe Strahlenbelastung erdulden.

Die ISS-Besatzungen scheinen beides ganz gut überstanden zu haben. Allerdings schirmt das irdische Magnetfeld im erdnahen Weltraum die kosmische Strahlung teilweise ab. Deswegen erkranken die Astro- und Kosmonauten nicht häufiger an Krebs.

Auf dem Mond oder unterwegs zum Mars droht größere Gefahr. Ein deutsches Messgerät an Bord der chinesischen Raumfähre, die 2019 erstmals auf der abgewandten Seite des Mondes landete, maß bedenkliche Strahlungswerte. Sie entsprachen dem Doppelten an Bord der ISS und dem bis zu 1000-Fachen auf der Erde.

Und die Schwerelosigkeit? Zu den Risiken der Mikrogravitation lieferte die ISS reiches Erfahrungsmaterial. Den Abbau von Knochen und Muskeln bremst konsequentes Geräteturnen, wobei elastische Bänder die Schwerkraft ersetzen.

Die Kosten und Risiken der Raumfahrt werden gern mit dem erzielten Erkenntnisgewinn gerechtfertigt. Gilt das auch für die Weltraummedizin?

Ja, meint der Mediziner Farhan Asrar von der University of Toronto und der International Space University in Straßburg. Letztlich gehe es im Weltraum unter enorm verschärften Bedingungen um dieselben Ziele wie daheim: körperliche Gesundheit und seelisches Wohlbefinden.

An Bord ist ein erkrankter Raumfahrer auf den fernmündlichen Rat irdischer Experten angewiesen. Per Telemedizin wird die Gesundheit der Crew von der Erde aus kontrolliert.

Der Haken dabei ist, dass die Kommunikation mit wachsender Entfernung erlahmt. Bei ungünstiger Konstellation von Erde und Mars braucht eine Nachricht mehr als 20 Minuten. In einem akuten Notfall, den die Crew allein nicht bewältigt, ist ein 40 Minuten langes Hin und Her lebensgefährlich.

Den Ausweg bietet der Einsatz von künstlicher Intelligenz an Bord; sie sorgt für schnelle Diagnose und Therapie – vorausgesetzt, die Maschine wird unterwegs nicht defekt. Bei langen Missionen ist zudem die medikamentöse Versorgung ein Problem. Auf der ISS nimmt jeder Insasse durchschnittlich vier Pillen pro Woche ein, etwa gegen Schmerzen, Schlaflosigkeit oder Verstopfung. Im Lauf einer jahrelangen Marsreise wird die Haltbarkeitsdauer vieler Medikamente überschritten. Die Weltraummedizin könnte da höchstens einen Anstoß zu sparsamem Gebrauch und zur Entwicklung lange brauchbarer Arzneien liefern.

Das nicht enden wollende Zusammensein auf engstem Raum – ohne die Chance, sich auf einsamen Spaziergängen zu erholen – schafft besondere psychische Probleme. Sie lassen sich anhand isolierter Gruppen von Testpersonen auf der Erde nur ansatzweise simulieren. Bessere Auskunft für jahrelange Marsmissionen wird der Aufenthalt auf künftigen Mondstationen liefern.

Je nach Mischung der Besatzungen könnten Partnerschaften und Eifersüchteleien zusätzliche Spannungen erzeugen. Allerdings hat die Sexualpsychologin Carol Rinkleib Ellison schon vor Jahren darüber spekuliert, dass Sex im Weltraum auch für Trost, Abwechslung und Harmonie sorgen kann. Überhaupt darf man bei all den Problemen nicht vergessen, dass Reisen zu Mond und Mars begehrte Abenteuer sind – in deren Verlauf man freilich mit öder Routine und Langeweile fertigwerden muss.

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  • Quellen
Asrar, F. M., Nature 10.1038/d41586–025–01691-y, 2025

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