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Storks Spezialfutter: Die EU auf dem Holzweg

Holz verbrennen ist nachhaltig? Ein verbreiteter Irrtum, dem jetzt auch – wen wundert das noch? – die EU unterliegt, sagt unser Umweltkolumnist Ralf Stork.
Ein Holz-Vollernter bei der Arbeit

Vor einigen Jahren habe ich Urlaub auf einem alten Bauernhof in Lappland gemacht. Es war Ostern und der Schnee lag noch hüfthoch. Es gab weder Strom noch fließend Wasser. In der Küche und in jedem Zimmer stand ein gusseiserner Ofen, der mit Holzscheiten gefüttert wurde. Ich mag das. Den roten Glimmer der Glut, das Knacken und Zischen der Holzscheite, die wohlige Wärme, die der Ofen verbreitet. Das ganze Drumherum: dieser bewusste Umgang mit den Ressourcen. Anders als bei einer normalen Heizung wird es nur warm, wenn man selbst für Nachschub sorgt, Holz hackt, Scheite einsammelt, den Ofen nicht ausgehen lässt.

Der Welt steht ein Umbruch bevor – ob die Menschheit will oder nicht: Landwirtschaft, Verkehr und Energiegewinnung müssen nachhaltig und fit für den Klimawandel werden, gleichzeitig gilt es, eine wachsende Weltbevölkerung mit wachsenden Ansprüchen zu versorgen. Was bedeutet das für uns und unsere Gesellschaft? Und was für die Umwelt und die Lebewesen darin?
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.

In dieser abgelegenen Winterwelt erschien mir das Verbrennen von Holz als etwas ganz Natürliches. Und nicht nur, weil es die einzige Möglichkeit war, die Bude warm zu bekommen. Das Holz kam direkt vom weitläufigen Grundstück, auf dem immer mal wieder ein einzelner Baum umstürzte oder gefällt wurde. Die Scheite mussten nicht über lange Strecken transportiert werden und Kahlschlag gab es auch nicht.

Auch damals war mir schon klar, dass das Verfeuern von Holz mit Emissionen verbunden ist: mit dickem Qualm zum Beispiel, mit Ruß und Feinstaub. Aber wie steht es eigentlich ums CO2?

»Nachhaltig« ist das Verbrennen von Holz, sagt beispielsweise die Europäische Union. Das geht aus der unlängst verabschiedeten so genannten Taxonomie hervor, mit der Investitionen in nachhaltige Technologien gefördert werden sollen. Gut, die EU hat dabei auch Atomkraft und Erdgas denselben Nachhaltigkeitsstempel aufgedrückt, entsprechend umstritten ist das Ganze. Aber bei der Holzverbrennung scheint die Sache doch recht klar: Sofern – gemäß Vorschrift – mindestens im gleichen Umfang Wald nachgepflanzt wie verfeuert wird, gelangt bei der Verbrennung nur so viel Kohlenstoff in die Luft, wie anschließend wieder aus der Atmosphäre aufgenommen wird, wenn ein neuer Baum wächst.

Aber die Rechnung geht nicht auf. Jede Verbrennung pustet sofort Kohlenstoff in die Atmosphäre. Bis das CO2-Konto vom nachwachsenden Holz wieder ausgeglichen wird, vergehen Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. In einem offenen Brief haben renommierte Klimawissenschaftler und Klimawissenschaftlerinnen vor einem Jahr beispielsweise darauf hingewiesen, dass beim Verbrennen von Holz pro Energieeinheit mindestens genauso viel CO2 produziert wird wie beim Verbrennen fossiler Energien. Der eingeschlagene Weg ist also ein Holzweg.

Kahlschlag für den Holzexport

Auch der schöne Gedanke von der lokal produzierten und lokal genutzten Energiequelle erfüllt sich in der Praxis nicht: Ein Großteil des Holzes wird in Form von Pellets über weite Strecken transportiert. Viel Holz wird aus dem Südosten der USA importiert. Dort hat der Energieriese Enviva seinen Sitz. Und die Berichte mehren sich, dass nicht nur Holzreste verarbeitet werden, sondern auch viele Bäume aus Kahlschlägen. Gleiches gilt für Holz aus Estland und Litauen, das zum Teil den Rohstoff für Kraftwerke in Dänemark und Großbritannien liefert.

»Das Verbrennen von Holz als nachhaltig einzustufen, ist vor allem eine politische Entscheidung«, sagt Jana Ballenthien von der Umweltschutzorganisation Robin Wood. Insbesondere die skandinavischen Staaten und Finnland – dort spielt die Holzwirtschaft traditionell eine große Rolle – hätten sich dafür stark gemacht. Aber auch für andere Staaten ist die Einstufung als nachhaltig attraktiv. Werden für das Verbrennen von Holz null Emissionen angesetzt, können die Staaten ihre Klimabilanz deutlich verbessern, freilich nur auf dem Papier.

Selbst wenn überall die Bäume sofort wieder durch neue ersetzt würden, bleibt das Vorgehen auch ökologisch eine Katastrophe: Wald ist nicht gleich Wald. Eine neu gepflanzte Monokultur kann ein strukturreiches, über Jahrhunderte gewachsenes Waldökosystem nicht ersetzen. Aber genau das passiert in vielen Teilen Europas: Auf der Iberischen Halbinsel, in den baltischen Staaten sowie in Skandinavien und Finnland ist der Kahlschlag besonders schlimm. Die Lücken werden anschließend wieder mit in Reih und Glied gepflanzten Nadelbaumplantagen gefüllt.

»Die EU-Taxonomie verstärkt den Druck auf die ohnehin schon knappe Ressource. Industrielle Holzverbrennung ist grundsätzlich keine sinnvolle Lösung«, sagt Ballenthien. Gemeinsam mit sechs anderen Naturschutzorganisationen aus Europa hat Robin Wood deshalb bei der EU-Kommission einen Antrag auf Überprüfen der Nachhaltigkeitskriterien für Forstwirtschaft und Bioenergie gestellt. Der Antrag leitet ein verbindliches Verfahren ein. Sollte sich die EU-Kommission weigern, die verlangte Überprüfung vorzunehmen, folgt eine Klage der NGOs vor dem Europäischen Gerichtshof.

Mit einer Entscheidung darüber ist frühestens im Sommer 2022 zu rechnen. Dass das Nachhaltigkeitssiegel für die Holzverbrennung wieder verschwindet, ist eher unwahrscheinlich. Zu wünschen wäre es aber nicht nur dem Klima und der Umwelt, sondern auch der EU selbst. Wer Greenwashing in so großem Umfang betreibt, hat ein akutes Glaubwürdigkeitsproblem.

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