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Storks Spezialfutter: Raus aus der Klimalethargie

Die Warnungen über einen versiegenden Golfstrom machen zu Recht Angst. Zu viel Emotionalität tut dem Klima aber auch nicht gut, findet unser Kolumnist Ralf Stork.
Die Klimakrise ist wie ein wirres Wollknäuel

Katastrophenfilme wie »Armageddon« oder »The Day After Tomorrow« scheinen angesichts der neuesten Entwicklungen in Sachen Klimakrise gar nicht mehr so weit hergeholt. Im 1998 erschienen Film »Armageddon« rast ein riesiger Asteroid auf die Erde zu und droht den Planeten in 18 Tagen zu zerstören. Zum Wohl der Menschheit sprengt Bruce Willis am Ende des Films den riesigen Brocken und sich selbst in die Luft. Im Film »The Day After Tomorrow« aus dem Jahr 2004 kann die drohende Katastrophe dagegen nicht mehr abgewendet werden: Zwar mahnt Dennis Quaid als Klimatologe anfangs vor einem unmittelbar bevorstehenden plötzlichen Klimawandel, findet aber kein Gehör. Kurz darauf kommt der wärmende Golfstrom tatsächlich zum Erliegen und die Katastrophe nimmt ihren Lauf: Gewaltige Wirbelstürme toben durch die USA, New York City wird von einer riesigen Flutwelle überrollt, die dann in Sekundenbruchteilen zu Eis gefriert. Von der Freiheitsstatue ragt nur noch die Hand mit der Fackel aus dem Eis. Wir haben versagt, sagt der Präsident am Ende des Films sinngemäß. Wir hätten handeln können, haben es aber nicht getan.

Schon der Titel des Films – auf Deutsch übersetzt »Übermorgen« – verweist auf eine nahe Zukunft, in der das Endzeitszenario die Welt erschüttert. Die scheint jetzt in Teilen ein großes Stück näher an die Gegenwart herangerückt zu sein: Anfang August hat Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in der Zeitschrift »Nature Climate Change« vor dem Versiegen des Golfstroms gewarnt. Die einst stabile Strömung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgeschwächt; ein kritischer Punkt könnte bald schon erreicht oder sogar überschritten sein.

Der Welt steht ein Umbruch bevor – ob die Menschheit will oder nicht: Landwirtschaft, Verkehr und Energiegewinnung müssen nachhaltig und fit für den Klimawandel werden, gleichzeitig gilt es, eine wachsende Weltbevölkerung mit wachsenden Ansprüchen zu versorgen. Was bedeutet das für uns und unsere Gesellschaft? Und was für die Umwelt und die Lebewesen darin?
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.

Für einen kurzen Moment haben mich die Berichte in Panik versetzt, weil sie konkret an das Szenario des Katastrophenfilms erinnern. Ich weiß natürlich, dass »The Day After Tomorrow« ein rechter Schmarrn ist. Dass der Schock, den der Film auslöst, gerade nur in der Verdichtung und Dramatisierung funktioniert. Die Realität sieht anders aus: Da verändert sich das Klima nicht schlagartig von einem Tag auf den anderen, sondern von Jahr zu Jahr oder von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, je nach Region mal mehr oder weniger spürbar. Glück gehabt – oder?

Man stelle sich nur mal vor, die Situation mit dem stotternden Golfstrom wäre tatsächlich so ähnlich wie im Katastrophenfilm »Armageddon«. Der Welt bleiben genau 18 Tage, um die Klimakatastrophe noch abzuwenden. Die Uhr tickt. Man kann sich die hektische Betriebsamkeit gut vorstellen: Die Weltgemeinschaft würde vermutlich Millionen Tonnen Salz ins Meer kippen. Alle Flugzeuge würden am Boden bleiben, um den CO2-Gehalt nicht weiter zu erhöhen. Alle Fabriken zu, kein Auto auf der Straße. Dank dieser drakonischen Maßnahmen würde sich die Menschheit kurz vor knapp dann doch noch vor der schlimmsten Katastrophe retten. Das wäre dann tatsächlich mal eine gute Nachricht!

Aktiv werden geht auch ohne eine direkte Gefahr

Im Angesicht einer unmittelbaren Bedrohung reagieren Menschen oft schnell und entschlossen. Wie früher in der Steinzeit: Da ist ein Säbelzahntiger? Nichts wie weg! Ist die Gefahr allerdings weniger greifbar, sind viele Menschen emotional weniger betroffen und handeln auch nicht so entschlossen. Siehe Klimawandel.

Dieses emotionale Nichtbegreifen wird immer wieder als Erklärung (und Entschuldigung) für das Nichthandeln ins Feld geführt. Andererseits bringt ein zu viel an Emotionen im Umgang mit dem Klimawandel die Menschheit auch nicht wirklich weiter: Vielfach wurde als Reaktion auf den aktuellen Weltklimabericht argumentiert, dass ein strengerer Klimaschutz bloß der heimischen Wirtschaft schade, solange die USA oder China nicht mit im Boot seien. Also Finger weg. Die Angst, von anderen Mächten abgehängt zu werden, verhindert also ebenfalls ein rechtzeitiges Handeln. Vielleicht finden viele Menschen das ganze Thema auch einfach so deprimierend, dass sie gar nicht genau wissen wollen, was da alles auf sie zukommt.

Vielleicht können sich die Menschen stattdessen anhand von rationalen Überlegungen aus der Klimalethargie befreien: Wer sich etwa daran stört, dass der eigene Fleischkonsum zur Abholzung des Regenwaldes beiträgt, kann sich dieser Mitverantwortung durch den Verzicht auf tierische Produkte entziehen. Wer es dann schafft, seine Mitmenschen zum Mitmachen zu bewegen und gemeinsam Initiativen und Parteien zu unterstützen, die sich für nachhaltige Landwirtschaft stark machen, hat eine Chance, auch über das persönliche Umfeld hinaus etwas zu verändern.

Das heißt nicht, dass eine unvorstellbare Katastrophe wie in »The Day After Tomorrow« auf jeden Fall abgewendet werden kann. Aber das Narrativ von der eigenen Handlungsunfähigkeit – trotz guten Willens – und der eigenen Überforderung angesichts der großen Herausforderung ist oft eine bloße Schutzbehauptung. Der Klimawandel gleicht einem verworrenen Wollknäuel – aber alle, die es entwirren wollen, finden auch ein Ende, an dem sie ziehen können. Wer keines findet, will meist nicht. Einer aktuellen Umfrage der FOM Hochschule zufolge fürchten etwa drei Viertel der Befragten, dass die Menschheit auf eine riesige ökologische Katastrophe zusteuert, aber nur 35 Prozent von ihnen sind bereit, für das Klima die Ernährung wenigstens teilweise umzustellen. Das Klima retten und genauso weitermachen wie bisher? Funktioniert nicht.

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