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Storks Spezialfutter: Tempolimit statt Tankrabatt

Auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit steigenden Energiepreisen sollte mehr über zumutbare Zumutungen gesprochen werden, findet unser Kolumnist Ralf Stork.
Zapfsäulen

Vor ein paar Tagen bin ich übers Wochenende aufs Land gefahren. Es war mal wieder Zeit, nach langem Winter, Corona und Quarantänen. Also raus aus der Stadt, raus aus Berlin, rauf auf die Autobahn, ab nach Schleswig-Holstein zum altbekannten Ferienort. Es war die erste längere Fahrt seit Beginn des Ukraine-Kriegs und gerade während des Höhenflugs der Benzinpreise: Mehr als zwei Euro für den Liter, das ist schon heftig. Vergangenes Jahr lag der Durchschnittspreis für Super noch bei 157,9 Cent. Ein Unterschied von etwa 50 Cent, das merkt man bei jeder Tankfüllung.

Im Sog der Krise wird aber nicht nur Sprit teurer, sondern ähnlich drastisch auch Strom, Heizkosten und viele Lebensmittel; eine erhebliche Belastung für Verbraucher und Verbraucherinnen. Immerhin: Gerade hat die Koalition Entlastungen beschlossen; vorgesehen sind vergünstigte Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr und eine befristete Spritpreissenkung für drei Monate. Zuvor hatte Finanzminister Christian Lindner als Gegenmaßnahme schon einen Tankrabatt ins Feld geführt, der beim Bezahlen an der Kasse gleich vom horrenden Preis abgezogen wird. Die Tankstelle könne sich den gewährten Nachlass dann vom Staat wieder holen.

Der Welt steht ein Umbruch bevor – ob die Menschheit will oder nicht: Landwirtschaft, Verkehr und Energiegewinnung müssen nachhaltig und fit für den Klimawandel werden, gleichzeitig gilt es, eine wachsende Weltbevölkerung mit wachsenden Ansprüchen zu versorgen. Was bedeutet das für uns und unsere Gesellschaft? Und was für die Umwelt und die Lebewesen darin?
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.

Als Entlastung ist das natürlich nicht schlecht. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass so ein pauschaler Rabatt in die falsche Richtung weist. Überspitzt formuliert würde ein Superreicher, der eine seiner Luxuskarossen spazieren fahren will, genauso profitieren wie ein Handwerker, der sein Auto braucht, um damit zu seinen Kunden zu kommen. Und zahlen müssten dafür alle, auch umweltbewusste Nichtautofahrer.

Klar: Die Preisexplosion an der Zapfsäule kann existenzbedrohend sein, etwa für Speditionen, Berufspendler oder alle, die ihr Auto für die Arbeit brauchen. Ihnen muss der Staat unbedingt unter die Arme greifen! Nun wird das Auto allerdings oft auch eher aus Bequemlichkeit und in der Freizeit genutzt. Bei meiner Tour aufs Land ging es einzig und allein um mein Vergnügen. Ich finde ein schönes Wochenende ja bitter nötig und redlich verdient nach einer harten Woche Arbeit – aber rechtfertigt das schon einen Tankrabatt?!

Beim Autofahren kann jeder selbst Einfluss auf den Verbrauch und damit auf die entstehenden Kosten nehmen. Vor einigen Jahren habe ich mir aus Kosten- und Umweltgründen bereits ein persönliches Tempolimit von 130 Stundenkilometern auferlegt. Die aktuellen Höchstpreise habe ich bei der Fahrt nach Schleswig-Holstein zum Anlass genommen, meine Höchstgeschwindigkeit noch einmal auf 100 bis 110 Stundenkilometer zu drosseln.

Das Ergebnis war erschütternd eindeutig: Sonst war der Tank nach einer Fahrt immer schon fast halb leer, nun nach der Ankunft noch zu zwei Dritteln voll. Zugegeben, der Selbstversuch war mit einigen Ungenauigkeiten behaftet – das Resultat ist aber mit Blick auf Studien zum Thema nicht überraschend. So hatte etwa das Umweltbundesamt 2020 für eine Bewertung eines Tempolimits den Schadstoffausstoß von Pkw in Abhängigkeit zur Fahrgeschwindigkeit berechnen lassen. Auf meine Nachfrage war man dort so nett und hat zum Schadstoffausstoß auch den ungefähren Benzinverbrauch für den individuellen Fall berechnet: Mal angenommen, bei einer Geschwindigkeit von 130 Kilometer pro Stunde liegt der Verbrauch bei 7 Litern. Dann läge er, bei einem auf 110 Kilometer pro Stunde gedrosseltem Tempo, nur noch bei 5,78 Litern – und bei 100 Kilometern pro Stunde bei 5,36. Gebe ich dagegen Gas und fahre 140 oder 160, schnellt der Verbrauch auf 7,8 bzw. 9,77 Liter in die Höhe.

Bei der gut 500 Kilometer langen Hin- und Rückfahrt nach Schleswig-Holstein spare ich bei Tempo 110 statt 130 mehr als 6 Liter Benzin im Gegenwert von rund 12 Euro. Ganz ohne Tankrabatt, nur durch die Veränderung meines Verhaltens, kann ich so einen Großteil der Preissteigerung kompensieren. Okay, dafür bin ich dann theoretisch auch 20 Minuten länger unterwegs. Aber wenn wir bestimmte Ziele erreichen wollen – etwa eine Energieunabhängigkeit, wirksame Sanktionen gegenüber Russland oder das 1,5-Grad-Ziel –, dann wird es ohne Einschränkungen und Unannehmlichkeiten nicht gehen!

Noch mal: Den vielen Betrieben und Privathaushalten, die durch die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise in Existenznot geraten, muss dringend geholfen werden! Mich stört aber in der politischen Debatte über Tankrabatte, dass selbst vertretbare Zumutungen nicht einmal angesprochen werden, womöglich aus Angst vor den Wählerinnen und Wählern. Ein Tempolimit zum Beispiel wäre eines der Puzzlestücke, mit denen sich Energiebedarf, Kosten und Schadstoffe erheblich reduzieren ließen. Weniger Verkehrstote gäbe es obendrein – und es es würde Steuerzahlerinnen und Steuerzahler keinen einzigen Cent kosten.

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