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Angemerkt!: Stürme in den Zeiten des Internets

Richard Zinken
"Kyrill" ist vorbei. Während er über unser Land fegte, war das Bedürfnis nach Information immens, die Zahl der Informationsquellen auch – theoretisch. Was wir aber in Deutschland beim größten Sturm seit acht Jahren erleben mussten, war letztlich ein Versagen der Informationswege – verglichen zumindest mit dem, was uns heute zur Verfügung steht.

Im Vorfeld haben die Wetterdienste diesmal gute Arbeit geleistet, alle waren gewarnt und weitestgehend gut vorbereitet. Als es dann aber ernst wurde, waren die Wetterdienst-Server der Flut der Anfragen nicht gewachsen. Ähnlich erging es einem mit der Internetseite der Bahn.

Verkraften können solche Besucherstürme die Öffentlich-Rechtlichen und die großen Onlinemagazine. Sie versorgten uns Besorgte mit Sturmtickern. Nachrichtenticker aber führen sich selbst ad absurdum, wenn sie nicht mehr zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden.

Wenn relevante Informationen wie
+++ Autobahn A 46 bei Düsseldorf gesperrt +++
+++ Bahn sperrt Fernverkehrsstrecke zwischen Hamburg und Hannover +++
+++ Deutsche Bahn stellt Betrieb in NRW ein +++


von Meldungen wie
+++ Rushhour in Berlin fällt aus +++
+++ Zebras und Giraffen vor Sturm in Sicherheit gebracht +++
+++ Aufregung in Kita +++
in den Hintergrund gedrängt werden.

Fast bedauernd schon klingt in Zeiten des Katastrophenjournalismus dann:
+++ Siegburg bislang verschont +++
+++ "Alles normal" in Frankfurt am Main und München +++
+++ Baum stürzt beinahe in Wohnhaus +++


Selbstverständlich finden auch die guten Seiten eines "Monstersturms" eine würdige Erwähnung:
+++ Früher Feierabend +++
+++ Berliner Kinder kriegen Schulfrei +++
+++ Gerichtsprozess in Würzburg unterbrochen +++
Das dürfte zumindest den Angeklagten gefreut haben.

Was aber will uns eigentlich eine Meldung sagen, wonach
+++ Sturm, Regen und Sonne auf Husum +++
herrschen? Dies dürfte an 165 von 365 Tagen im Jahr zutreffen.

Was bleibt? Das schale Gefühl, dass sich Onlinemedien mit Ereignissen wie einem Orkan eher wie mit einem Event zur Traffic-Generierung befassen, als dass sie ihre stabile Serverarchitektur zur echten Informationsweitergabe nutzen.

Neben Spiegel und Co haben ARD und ZDF die nötigen – gebührenfinanzierten – Systeme und Rechnerkapazitäten, um extreme Mengen an Seitenabrufen zu bewältigen. Und sie haben einen Informations-, keinen Unterhaltungsauftrag. Wenn deren Mitarbeiter es nicht schaffen, zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden, wer dann? Dann bliebe nur, in ruhigen Zeiten Mitarbeiter jener Institutionen, die in Krisen etwas mitzuteilen haben – also der Wetterdienste, Verkehrsbetriebe, Stromversorger, des Katastrophenschutzes – in die entsprechenden Systeme einzuweisen, damit sie im Falle eines Falles selbstständig und schnell die Internetseiten der Öffentlich-Rechtlichen mit Informationen aus erster Hand versorgen können. Danach mag die distanzierte Aufbereitung und Bewertung der Ereignisse in den Händen von uns Journalisten weiter gut aufgehoben sein.

Der Sturm ist vorbei. Die Ruhe danach sollten die Medienanstalten und Politiker nutzen, um ein nationales Informationsportal aufzubauen, das frei ist von Sensationsjournalismus und Katastrophenstimmung, wenn es wirklich einmal zur Katastrophe kommt.

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