Die fabelhafte Welt der Mathematik: Das schönste Zahlensystem der Welt – und warum kein Computer es nutzt

Die Babylonier hatten für jede einzelne Zahl von 0 und 59 ein eigenes Symbol. Klingt ziemlich unübersichtlich, oder? Sie orientierten sich offenbar an Zeiteinheiten und rechneten mit der Basis 60. Wie einfach erscheint dagegen unser Dezimalsystem, in dem wir nur zehn Ziffern von 0 bis 9 benötigen, um jede erdenkliche andere Zahl auszudrücken.
Computer kennen sogar nur zwei Ziffern, null und eins. Doch das war nicht immer so. Tatsächlich haben Fachleute in der Vergangenheit Rechenmaschinen entwickelt, die mit drei Ziffern rechnen. Die Hoffnung damals: Durch die zusätzliche Ziffer könnten die Informationen effizienter verarbeitet werden. Doch inzwischen sind Computer, die bis drei zählen können, nur noch Hobbyprojekte für Tüftler und Nerds.
Im Prinzip kann man jede Zahl durch jedes beliebige Zahlensystem darstellen. Völlig egal, ob Basis 10, Basis 60, Basis 3 oder Basis 2 – die Mathematik funktioniert für alle diese Auswahlmöglichkeiten einwandfrei. Im gewohnten Dezimalsystem zeigt die Zahl 17 (also eine Eins gefolgt von einer Sieben) an, dass man einmal zehn plus siebenmal eins rechnen muss, also 17 = 1·10 + 7·100. Möchte man 17 in der Basis 3 ausdrücken, sieht das folgendermaßen aus: (Die tiefer gestellten Zahlen symbolisieren die genutzte Basis.) Und in binärer Schreibweise lautet die Zahl
Betrachtet man die Länge der jeweiligen Zahlen, dann ist die Dezimaldarstellung am effizientesten: Es sind nur zwei Ziffern nötig, um die Zahl zu notieren. Für einen Computer könnte das vorteilhaft sein. Andererseits müsste die Maschine dazu mit einem Grundstock aus zehn verschiedenen Ziffern arbeiten – was in der Praxis problematisch ist. Denn wie soll man zehn Ziffern unterschiedlich codieren? In herkömmlichen Computern werden die Nullen und Einsen durch einen Stromfluss oder dessen Ausbleiben dargestellt – easy. Für das Dezimalsystem müsste man zehn Abstufungen wählen: kein Strom, ein bisschen Strom, ein bisschen mehr Strom und so weiter. Eine solche Wahl könnte aber leicht zu Fehlern führen; denn sobald der Strom etwas schwankt, wird das Ergebnis verfälscht. Zudem bräuchte man maßgeschneiderte Bauteile, welche die einzelnen Signale passend verarbeiten.
Die Dezimaldarstellung scheidet als Basis für einen Computer also aus praktischen Gründen aus. Zu viele Ziffern. Aber gäbe es vielleicht ein Zahlensystem, das zur Informationsverarbeitung besser geeignet wäre als das heute allgegenwärtige Binärsystem?
Die perfekte Basis für Computer
Um das zu ermitteln, muss man einen Kompromiss zwischen der Darstellungslänge l einer Zahl n und der Anzahl b der verwendeten Ziffern einer Basis finden. Hierfür kann man das Produkt aus beiden Größen, b· l, betrachten und sich fragen, für welche Basis dieses am kleinsten ist. Die Länge einer durch die Basis b dargestellte Zahl n entspricht in etwa dem Quotienten log(n)⁄log(b). Die Frage lautet daher: Für welche Basis b ist das Produkt b·log(n)⁄log(b) am kleinsten?
Falls Sie sich an die Schulzeit zurückerinnern, dann wissen Sie vielleicht noch, wie sich der optimale Wert von b berechnen lässt: Man leitet das genannte Produkt nach b ab, setzt es gleich null und löst dann die Gleichung nach b auf. Alternativ kann man die Gleichung (also y = b·log(n)⁄log(b)) auf ein Blatt Papier zeichnen und den Punkt auf der Kurve identifizieren, der am nächsten zur x-Achse steht. Egal, für welche Variante man sich entscheidet – falls man sich nicht verrechnet, lautet der optimale Wert für b = e ≈ 2,718, also die eulersche Zahl.
Ein irrationales Ergebnis mag auf den ersten Blick verwirrend wirken. Wie soll man ein Zahlensystem zu einer Basis aufbauen, die irrational ist? Betrachtet man die Gesamtheit aller Zahlen, also auch irrationale Werte wie π, dann mag ein Zahlensystem zur Basis e vielleicht Vorteile haben. Aber möchte man auf diese Weise ganze Zahlen wie 1, 2 oder 3 darstellen, wird es schnell kompliziert. Deswegen bietet es sich an, die eulersche Zahl zu runden: Unter den ganzen Zahlen scheint also 3 die optimale Basis zu sein, um Informationen zu verarbeiten.
Ternärsystem: in perfekter Balance
Ein solches Zahlensystem mit drei Ziffern wie 0, 1 und 2 wird als Ternärsystem bezeichnet. Dieses lässt sich aber auch anders darstellen – balancierter, wie Mathematiker es ausdrücken – indem man auf die drei Zahlen -1, 0 und 1 zurückgreift. In diesem »balancierten Ternärsystem« sieht die Zahl 1710 folgendermaßen aus:
Das balancierte Ternärsystem empfanden Fachleute auf Grund seiner Symmetrie besonders attraktiv. Zum Beispiel beschrieb es der Informatiker Donald E. Knuth als »das schönste Zahlensystem von allen«.
Nicht nur in der Theorie begeistert das Ternärsystem. Im Jahr 1840 baute der englische Erfinder Thomas Fowler eine Rechenmaschine, die mit dem balancierten Ternärsystem arbeitete – einen mechanischen Computer, der mit den Zahlen -1, 0 und 1 rechnet. Dieser nutzt damit auch eine andere Logik als heutige Rechner. Verknüpft man nämlich zwei Ziffern im Ternärsystem miteinander, kann nicht nur 0 oder 1 (die im Binärsystem oft mit wahr oder falsch gleichgesetzt werden) herauskommen, sondern auch noch ein drittes Ergebnis. Manche Berechnungen lassen sich dadurch abkürzen: Möchte man zum Beispiel zwei Zahlen miteinander vergleichen, lässt sich mit dem Ternärsystem in nur einem Schritt herausfinden, ob die eine Zahl kleiner, größer oder gleich der anderen ist. Im Binärsystem sind dafür hingegen zwei Rechenschritte nötig: Erst wird geprüft, ob sie unterschiedlich sind, und dann, welche größer oder kleiner ist.
Ein ternärer Computer hinter dem Eisernen Vorhang
Der mechanische Apparat von Fowler blieb nicht der einzige bis drei zählende Computer. Zu Beginn des Kalten Kriegs versuchte auch die Sowjetunion, erste elektronische Computer zu entwickeln. Weil es aber sehr schwer war, an Transistoren heranzukommen (die elektronischen Bauteile, auf denen herkömmliche Rechner basieren), suchten sie nach anderen Optionen, um möglichst kostengünstig zum Ziel zu kommen. Im Jahr 1958 wurde an der Universität in Moskau der erste elektronische ternäre Computer namens Setun gebaut, der mit Magnetkernen und Dioden Informationen – so genannte »Trits« – verarbeitete. Im Lauf der Jahre wurden um die 50 Setun-Exemplare gefertigt.
Trotzdem setzten sich ternäre Computer nicht durch. Hauptgrund dafür ist die Hardware. Es ist schwierig, elektronische Bauteile mit drei verschiedenen Zuständen zu codieren. Bei Setun griffen die Forschenden auf je zwei magnetische Bauteile pro Trit zurück – damit hätten sie aber doppelt so viele Bits codieren können.
Inzwischen arbeiten alle Computer mit Transistoren. Diese besitzen zwei Eingänge, durch die entweder Strom fließen kann (das codiert eine Eins) oder nicht (eine Null), und einem Ausgang, der entweder Strom weitergibt (eine Eins) oder nicht (eine Null). Indem man Transistoren geschickt zusammenschaltet, lassen sich logische Gatter bauen, mit denen sich alle berechenbaren Operationen durchführen lassen.
Immer mal wieder gibt es Projekte von Bastlern, ternäre Computer zu entwickeln. Doch solche Bemühungen werden wohl auch künftig Spaßprojekte bleiben. Denn es gibt keine sinnvolle Möglichkeit, eine ternäre Maschine, die auf einer völlig anderen Logik beruht und ganz andere Ziffern verarbeitet, sinnvoll mit einem binär arbeitenden Computer zu verbinden. Irgendwie schade, finde ich – auch wenn ein ternärer Computer nicht mehr leisten könnte als herkömmliche Geräte.
Erratum: In einer früheren Version des Artikels wurde behauptet, dass Setun mit Leuchtdioden arbeitete – das wurde zu »Dioden« korrigiert./p>
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