Unwahrscheinlich Tödlich: Tod durch hart gekochte Eier

Hart gekochte, bunt gefärbte Eier gehören zu Ostern wie der Messwein in die Kirche. Bei mir zu Hause in Österreich gibt es sogar den Brauch des »Eierpeckens«, in anderen Regionen »Ostereiertitschen« genannt. In meiner Familie läuft das Ganze so ab: Anfangs sucht sich jeder ein hübsches, robust wirkendes Ei aus. Dann findet man einen Partner und schlägt es zuerst Spitze an Spitze auf dessen Ei. Anschließend macht man das Gleiche noch einmal mit der abgeflachten Seite. Derjenige, dessen Ei zerdepscht wurde, hat sozusagen verloren. Der Gewinner steigt in die nächste Runde auf und kämpft gegen eine Person, deren Ei ebenfalls bereits eine Konfrontation überstanden hat. Das Ganze läuft so lange, bis nur noch ein Ei heil ist, das dann als Sieger-Ei verschont wird. Der Rest wird im Anschluss vertilgt. Ein harmloser Spaß, der dazu dient, die bemalten Ostereier schnell wieder loszuwerden. Zumindest ist er meistens harmlos. Außer, die Eier warten mit einer bösen Überraschung auf.
So geschah es etwa 2019 in den Vereinigten Staaten. Acht Menschen in fünf unterschiedlichen Bundesstaaten hatten sich eine Lebensmittelvergiftung zugezogen. Als die amerikanischen Gesundheitsbehörden ihre Nachforschungen aufnahmen, gingen sie von einer gemeinsamen Quelle aus. Sie identifizierten schnell einen Verdächtigen, nämlich hart gekochte Eier eines bestimmten Produzenten. Mehrere der Patienten hatten angegeben, Speisen mit diesen konsumiert zu haben, bevor ihre Beschwerden eingesetzt hatten. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren bereits fünf Menschen im Krankenhaus behandelt worden und eine Person war an den Folgen des Infekts verstorben. Auch ein Baby hatte sich angesteckt, und zwar im Mutterleib. Es entwickelte nach der Geburt Beschwerden, überlebte diese aber.
Von ein bisschen Bauchweh bis hin zur Hirnhautentzündung
Wahrscheinlich waren noch viele weitere Menschen betroffen – in den meisten Fällen lösen die Bakterien, die hinter dem Ausbruch stecken, nämlich allenfalls vorübergehende Magen-Darm-Beschwerden aus. Nach zwei bis drei leidvollen Tagen ist der Spuk dann in der Regel auch ohne Behandlung wieder vorbei. Doch bei einem kleinen Teil der Infizierten schaffen die Keime es, sich über den Verdauungstrakt hinaus auszubreiten. Diese Personen entwickeln ein bis zwei Wochen später eine fiebrige, grippeähnliche Erkrankung, die mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, kognitiven Beeinträchtigungen und Krampfanfällen einhergehen kann. Ältere Menschen sind besonders gefährdet, aber auch Schwangere. Sie leiden zwar selbst nicht stark unter dem Infekt, doch die Bakterien können dem Fötus im Mutterleib schaden. In der Folge kann es sogar zu einer Totgeburt oder zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Neugeborenen kommen.
Von dem Übeltäter hat der eine oder die andere von Ihnen sicher schon gehört: So genannte Listerien der Art Listeria monocytogenes lösten den Ausbruch aus, die Betroffenen litten also an einer Listeriose. Wenn man (so wie ich) Produktrückrufe im deutschsprachigen Raum verfolgt, begegnen einem die stäbchenförmigen Bakterien immer wieder. Käse aus Rohmilch und Weichkäse sowie Räucherlachs und Rohwürste sind gelegentlich damit kontaminiert. Die Keime sind der Grund, warum Schwangeren zum Schutz ihres ungeborenen Babys empfohlen wird, auf diese Speisen zu verzichten.
Hart gekochte Eier sucht man auf der Liste der verbotenen Lebensmittel allerdings vergebens. Rohe Eier und Produkte, die solche enthalten (wie Mayo oder Tiramisu), sind vor allem wegen anderer Bakterien tabu: Sie können Salmonellen oder Campylobacter beherbergen, die mitunter schwere Lebensmittelvergiftungen auslösen. Beim Listerienausbruch in den USA handelt es sich aber um einen Sonderfall. In Deutschland hat meine Recherche jedenfalls kein vergleichbares Ereignis aufgedeckt.
Eine folgenschwere Eierspeise
Doch zurück zu dem Vorfall in den Vereinigten Staaten. Zwei Wochen nachdem die dortigen Behörden ihre Jagd auf den Ursprung des Ausbruchs aufgenommen hatten, wiesen sie diesen abschließend nach. In den Produktionsflächen eines lebensmittelverarbeitenden Betriebs im Bundesstaat Georgia entdeckten sie Listerien, deren Erbgut so eng mit dem in Patientenproben nachgewiesenen verwandt war, dass der Ausbruch darauf zurückgehen musste. Die Firma, die für Gastronomiebetriebe geschälte, hart gekochte Eier in Großpackungen verkaufte, rief daraufhin ihre Eierprodukte zurück. Es kam zu keinen weiteren Krankheitsfällen.
Und obgleich Listerien in Eiern wohl eine Ausnahme sind, kann man die Keime auch hier zu Lande mit diversen Lebensmitteln in sein Zuhause einschleppen. Wer Produkte gekauft hat, die wegen Listerienverunreinigung zurückgerufen werden, tut gut daran, nach deren Entsorgung auch ihren Lagerort zu desinfizieren. Die Keime können sich nämlich selbst im Kühlschrank vermehren. Es ist ratsam, alle möglicherweise kontaminierten Oberflächen gründlich zu reinigen. Listerien sind säureempfindlich, verdünnter Essig eignet sich also gut als Putzmittel. Speisen, die direkt mit dem Infektionsherd in Kontakt kamen, sollten mindestens zwei Minuten lang auf über 70 Grad Celsius erhitzt werden, um etwaige Keime abzutöten.
- Steckbrief: Listeriose© ggw / stock.adobe.com (Ausschnitt)Listeriennachweis per Bakterienkultur | … diese Überraschung wartet zum Glück nicht in jedem siebten Ei auf Sie.
Auslöser: grampositive, stäbchenförmige Bakterien der Art Listeria monocytogenes
Ansteckung: Die Mehrheit der Infektionen erfolgt über kontaminierte Lebensmittel, meist rohe Speisen tierischen Ursprungs; es ist jedoch ebenfalls möglich, sich bei erkrankten Tieren und Menschen anzustecken. Diese müssen nicht einmal selbst Symptome entwickeln, sondern können die Bakterien auch als stille Träger verbreiten.
Komplikationen: Bei etwa 30 Prozent der Listeriosen kommt es zu schweren Verläufen, bei denen eine Blutvergiftung oder eine Hirnhautentzündung entstehen kann. Im Schnitt sterben trotz Therapie 7 von 100 Patienten an den Folgen der Erkrankung.
Häufigkeit: In Deutschland treten pro Jahr zwischen 200 und 800 registrierte Listeriosen auf. Die Krankheit ist meldepflichtig, bei positivem Nachweis muss also das Gesundheitsamt informiert werden. Meistens sind Personen über 50 Jahre und jene mit bestimmten Vorerkrankungen betroffen, die mit Immunschwächen einhergehen (dazu zählen etwa HIV und Diabetes sowie Autoimmunerkrankungen).
Behandlung: In der Regel bekommen Patienten eine Kombination aus zwei oder mehr Antibiotika. Die Therapie ist vergleichsweise langwierig; die Medikamente müssen meist drei bis sechs Wochen lang eingenommen werden. Dennoch kommt es gelegentlich zu Todesfällen.
Besonderheiten: Die Bakterien verändern die Konsistenz von Lebensmitteln nicht und sie produzieren keine Geruchs- oder Geschmacksstoffe, weshalb sie sich nicht aus kontaminierten Speisen »herausschmecken« lassen.
Das große Spektrum-Oster-Ei-Special
In unserem Ei-FAQ finden Sie Antworten auf Fragen, die Sie sich vielleicht noch nie gestellt haben. Darunter: Was ist das älteste bekannte Ei? Was passiert, wenn man Eier in der Mikrowelle erwärmt? Welche Hühnerhaltung führt zu den besten Eiern?
Für einen Text hat die Redaktion Tausendjährige Eier verkostet. Das Fazit und Information über deren Herstellung lesen Sie in der Kolumne »Eine Prise Chemie«.
Dass Eier Listerien verbreiten, ist zwar die Ausnahme – aber nicht selten schlummern andere gefährliche Keime in und auf ihnen, wie ein Videobeitrag von »Wir werden alle sterben« verdeutlicht.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben