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Unwahrscheinlich tödlich: Tod durch Kurkuma

Viele Menschen nehmen Nahrungsergänzungsmittel ein, um ihrer Gesundheit etwas Gutes zu tun. Manchmal erreichen sie damit aber genau das Gegenteil, wie die zunehmende Zahl an Vergiftungen zeigt, die mit der Einnahme von Kurkumapräparaten in Verbindung stehen.
Ein Holzlöffel liegt auf einer Oberfläche aus leuchtend gelbem Pulver, das sich um den Löffel herum verteilt. Das Bild zeigt eine Nahaufnahme von Kurkumapulver, das für seine intensive Farbe und Verwendung in der Küche bekannt ist.
Als Bestandteil von Currys muss man sich vor dem gelben Pulver nicht fürchten – aber konzentrierte Extrakte in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten manchmal gefährliche Dosen seines Inhaltsstoffs Curcumin, zum Teil in Kombination mit anderen Wirkstoffen.
Eines ist sicher: Irgendwann geben wir alle den Löffel ab. Weniger absehbar ist das Wie. Denn es gibt eine schier unendliche Zahl an Wegen, die einen Menschen ins Grab bringen können – manche von ihnen außergewöhnlicher, verblüffender und bizarrer als andere. In der Kolumne »Unwahrscheinlich tödlich« stellen wir regelmäßig solche Fälle vor, von bissigen Menschen über giftige Reisbällchen bis hin zu lebensgefährlichem Sex.

Es klingt so verlockend: Man nimmt ein paar Pflanzenextrakte und Vitamine als Tabletten oder in Pillen ein – und schon fühlt man sich gesünder, ausgeglichener und voller Energie. Doch meist sind die Werbeversprechen für Nahrungsergänzungsmittel weitaus rosiger als die Realität. Denn wenngleich einige Präparate mitunter tatsächlich positive Wirkungen auf Körper und Psyche haben können, sind sie nicht immer ungefährlich – selbst wenn »100 Prozent natürlich« oder »rein pflanzlich« auf dem Label steht. Was aus der Natur kommt, ist eben nicht automatisch nebenwirkungsfrei. Recht eindrücklich zeigt sich das bei einem aktuell sehr beliebten »Wundermittel«, dem aus der Gelbwurz (Curcuma longa) hergestellten Gewürzpulver Kurkuma und seinem Inhaltsstoff Curcumin. Entsprechende Produkte führen nicht nur zu einer zunehmenden Zahl an Vergiftungen, sondern haben einige Menschen sogar schon das Leben gekostet.

Ein derartiger Tod führte 2023 zu einer Warnung der australischen Regierungsbehörde für therapeutische Mittel, der TGA. Sie hatte 18 Berichte über Leberschädigungen bei Personen erhalten, die Präparate mit Kurkuma oder Curcumin zu sich genommen hatten. Die Fallbeschreibungen von neun der Patientinnen und Patienten ließen den Schluss zu, dass die Supplemente der wahrscheinliche Auslöser der Beschwerden waren. Eine dieser Betroffenen war die Verstorbene.

Eine Untersuchung aus demselben Jahr, diesmal in den USA, weist in eine ähnliche Richtung. Hier stießen die Fachleute auf zehn Fälle, bei denen die Leber nach der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Kurkuma massiv gelitten hatte. In Biopsien von vier Betroffenen fand das Team Anzeichen auf akute Hepatitis, zum Teil mit einer zusätzlichen Gallenstauung. Fünf mussten im Krankenhaus versorgt werden und eine Patientin starb infolge eines Leberversagens. Die Forschenden stellten außerdem fest, dass die Zahl an solchen Vergiftungen offenbar zunimmt. Während sie zwischen 2004 und 2011 keinen Fall fanden, waren es 2011 bis 2017 vier und zwischen 2017 und 2022 sechs.

Zunehmender Hype um Kurkuma

Sie äußern auch einen Verdacht, wie die Häufung zustande kommen könnte: Entsprechende Produkte erfreuen sich in den USA wachsender Beliebtheit. Kurkuma wird allerdings bereits seit Tausenden Jahren in der traditionellen chinesischen Medizin und in indischen Ayurveda-Heilpraktiken eingesetzt. Dabei zeigte sich, dass selbst eine über Wochen andauernde tägliche orale Einnahme von mehreren Gramm Kurkumapulver sicher und gut verträglich war. Wie kommt es also nun zu den teils tödlichen Vergiftungsfällen?

Auch dafür haben die Forschenden eine mögliche Erklärung. In so manchen heute erhältlichen Nahrungsergänzungsmitteln wird Kurkuma nämlich in konzentrierter Form als Extrakt angeboten und zudem mit schwarzem Pfeffer oder dessen Inhaltsstoff Piperin kombiniert. Eine Untersuchung in Deutschland fand die Chemikalie, die den Körnern ihre Schärfe gibt, in rund 65 Prozent der getesteten Kurkuminkapseln, -tabletten und -pulver. Piperin wirkt sich auf die Aufnahme von Curcumin in den Körper aus. Nur wenige Milligramm des Stoffs reichen aus, um die Konzentration von Curcumin im Blutserum 20-fach zu erhöhen. Dies, so spekulieren die Studienautoren, könnte das Risiko für Leberschäden in die Höhe treiben und zu den beobachteten Todesfällen beitragen.

In traditionellen Heilpraktiken kommt Kurkuma bei mehreren unterschiedlichen Beschwerden zum Einsatz. Es soll bei Hauterkrankungen und Augeninfektionen helfen, Atemwegsprobleme lindern und Verdauungsstörungen beseitigen. Präparate der Wurzel und seines Hauptwirkstoffs hat man bereits in zahlreichen wissenschaftlichen Studien untersucht. Die Ergebnisse zum Nutzen fallen jedoch unterschiedlich aus. Besonders vielversprechend ist die Evidenz für positive Effekte auf Blutdruck und Blutfette sowie bei der Behandlung von Schmerz und Arthrose. In vielen anderen Einsatzgebieten mangelt es noch an belastbaren Daten.

Curcumin ist kein Wundermittel

In westlichen Ländern wird der Stoff allerdings selten zu den oben genannten Zwecken genutzt. Zum Teil werden Kurkumaprodukte hier als eine Art Wundermittel gegen fast alles angepriesen: Sie sollen das Immunsystem boosten, Entzündungsherde bekämpfen, Gewebe vor oxidativen Schäden bewahren, das Wohlbefinden fördern, depressive Gedanken vertreiben, die Gelenke und das Gehirn schützen. Zum Teil werden die Präparate sogar als natürliche Waffe gegen Krebs beworben – obwohl es auch dafür an Evidenz fehlt.

Die deutsche Verbraucherzentrale warnt deshalb vor überzogenen Erwartungen an Kurkuma-Nahrungsergänzungsmittel. Nicht nur seien viele vermeintliche Vorzüge nicht durch geeignete klinische Studien belegt. Die Produkte unterscheiden sich zudem stark in ihrer Zusammensetzung und der Konzentration der enthaltenen Stoffe, sodass man sie kaum miteinander (und auch nicht mit den in wissenschaftlichen Arbeiten genutzten Präparaten) vergleichen könne. Oft kommen in Nahrungsergänzungsmitteln Kurkuma-Extrakte zum Einsatz, die besonders reich an Curcumin und mit ihm verwandten Verbindungen sind. Bei einem 2024 durchgeführten Produkttest enthielt fast die Hälfte der getesteten Produkte mehr als die maximal empfohlene Tagesdosis an dem Stoff. Diese beträgt etwa 200 Milligramm Curcumin – so viel, wie in ungefähr sieben Gramm Kurkumapulver enthalten ist. Insbesondere Menschen, deren Leber bereits vorbelastet ist, können hochdosierte Präparate gefährlich werden, warnt der Verbraucherschutz.

Ein unklarer Nutzen, gepaart mit den möglichen schwerwiegenden Risiken, macht die Produkte zumindest in meinen Augen nicht besonders attraktiv. Zumal denjenigen, die etwaige Vorzüge von Kurkuma genießen möchten, auch ein einfacher Weg dafür zur Verfügung steht: Die zermahlene Wurzel ist Bestandteil vieler Currymischungen und lässt sich damit gut in den Speiseplan integrieren. In dieser Form ist ihr Verzehr bisherigen Studien zufolge sicher und zudem noch schmackhaft.

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