Unwahrscheinlich tödlich: Tod durch gebrochenes Herz

So manches, was einem im Leben widerfährt, tut einfach höllisch weh. Viele von Ihnen haben das sicher schon am eigenen Leib erlebt: Manchmal ist es eine Zurückweisung, andere Male eine Trennung oder der Verlust einer geliebten Person. Ich erinnere mich noch genau an die Gefühle meines fünfzehnjährigen Ichs, als mein Langzeitschwarm in der Schule mein Herz gefühlt in tausend Teile zersplittern ließ, indem er vor meinen Augen eine meiner Freundinnen küsste. Mit dem Liebeskummer bin ich trotz tiefstem Unglücklichsein in den darauf folgenden Wochen aber noch glimpflich davongekommen. Denn es gibt tatsächlich Menschen, die wegen eines »gebrochenen Herzens« ernste gesundheitliche Probleme entwickeln. Einige sterben sogar an den Folgen.
Dieses Schicksal ereilte zum Beispiel eine betagte Frau in den USA. Kurz vor Beginn ihrer Beschwerden hatte sie ein Familienmitglied durch einen Unfall verloren. Nachdem sie davon Nachricht erhalten hatte, war sie ohnmächtig geworden. Sie wurde in die Notaufnahme im Jamaica Hospital Medical Center in Queens gebracht. Dort erzählte sie den Ärztinnen und Ärzten, dass sie unter starken Brustschmerzen, Übelkeit und Erbrechen litt. Ihr Blutdruck war im Keller, ihr Körper gebadet in kaltem Schweiß. Als das Team ihr Herz untersuchte, fanden sich mehrere Auffälligkeiten. Das Organ pumpte nicht ausreichend Blut, es war bauchig verformt, und insbesondere die linke Herzkammer wirkte vergrößert. Plötzlich begann dann auch noch ihr Rücken zu schmerzen, in Scans des Brustraums war Flüssigkeit zu sehen. Zusätzliche Tests bestätigten einen schlimmen Verdacht: Die Dehnung des Herzmuskels hatte ein Loch hineingerissen. Eine Notoperation konnte das Leben der Frau nicht retten. Nach mehreren Wiederbelebungsversuchen verstarb sie noch am selben Tag.
Ein Herz wie eine Oktopusfalle
Man könnte jetzt meinen, die Patientin hätte einen Herzinfarkt erlitten. Doch in ihren Herzkranzgefäßen war keinerlei Verstopfung sichtbar, die auf eine solche Erkrankung hinweisen würde. Stattdessen legten die Veränderungen in der Herzform und die Symptome der Frau eine andere Diagnose nahe: Sie hatte ein Takotsubo-Syndrom, auch bekannt als »Broken-Heart-Syndrome«. Der erste Name geht auf die Form des betroffenen Herzens zurück, das traditionellen japanischen Oktopusfallen (Tako-Tsubo) ähnelt. Besonders im Bereich seiner Spitze legt das Organ dabei an Volumen zu, während seine Pumpleistung sinkt. Der Effekt ist im Normalfall von kurzer Dauer; das Herz erholt sich meist innerhalb weniger Tage und nimmt wieder seine ursprüngliche Form an. Sofern man die akute Phase überlebt, versteht sich. Das gelingt auch einem Großteil der Patientinnen und Patienten, denn nur etwa drei bis vier Prozent der Fälle gehen tödlich aus.
Häufig trifft das Syndrom wie im oben beschriebenen Beispiel Frauen, die ihre Menopause bereits hinter sich haben: Sie machen ungefähr neun von zehn Fällen aus. Warum das so ist, weiß man noch nicht. Als mögliche Trigger kommen zahlreiche Umstände in Frage, von hochemotionalen Erlebnissen über physische Belastung bis hin zu starkem Stress. Bei etwa einem Drittel der Patientinnen und Patienten findet man keine offensichtlichen Auslöser.
Der Weg ins Grab ist gepflastert mit Kummer, Streit und Ärger
Ein häufiger Verursacher sind wenig überraschend andere Menschen. 2016 veröffentlichte ein internationales Team aus Fachleuten eine große Untersuchung, für die es Daten von 1750 Betroffenen gesammelt hatte. Bei 485 von ihnen ließ sich ein emotionales Erlebnis ausmachen, das den Beschwerden vorausging. Dazu zählten häufig partnerschaftliche Probleme, der Tod von Familienmitgliedern, unterschiedliche Konfliktsituationen und Zoff in der Arbeit – ganz typische Situationen, die Betroffene nannten, wenn man sie nach aufreibenden Ereignissen kurz vor dem Herzschmerz fragte.
Doch auch ungewöhnlichere Auslöser sind möglich. Eine Person hatte etwa nach einer besonderen Art von Sportunfall ein Takotsubo-Syndrom entwickelt. Mit zittrigen Beinen und wild pochendem Herzen hatte sie einen schwierigen Skihang in Angriff genommen. Ein anderer Patient hatte sich im Flugzeugabsturz-Simulator verausgabt. Einem brach es das Herz, als sein Vater ihn enterbte. Und eine Betroffene war so nervös, ihren Ex-Partner im Urlaub zu sehen, dass ihr Herz fast zerbarst. Der Verlust eines Haustiers sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden – sowohl der Tod eines Hundes als auch der von Katzen hat Menschen bereits das Herz gebrochen. Ärger kommt in den Berichten ebenfalls nicht zu kurz: Eine hitzige Diskussion mit einem Priester, der Frust über den gefällten Lieblingsbaum und Enttäuschungen in einer Freundschaft tauchen alle in der Liste auf. Interessanterweise findet man sogar einige positive Erlebnisse: Zu ihnen zählen unter anderem ein großer Gewinn im Kasino, eine Geburtstagsparty oder Hochzeit sowie der Sieg des Lieblingssportteams.
Wirklich sicher vor dem »Broken-Heart-Syndrome« wird man nie sein, denn emotionales Leid wie auch Freude werden sich im Lauf eines Lebens nicht ganz vermeiden lassen. Wie merkt man also, dass es diesmal kein »normaler« Herzschmerz ist, sondern eine ernste Erkrankung? Die Art und Schwere der Symptome liefern wichtige Hinweise. Für Betroffene fühlt sich das Takotsubo-Syndrom etwa so an wie ein Herzinfarkt. Wenn man starke Brust- und Rückenschmerzen hat, die in das umgebende Gewebe ausstrahlen, Atemnot sowie eine Enge im Brustraum verspürt, das Gesicht fahl wird und einem der kalte Schweiß herunterrinnt, ist auf jeden Fall eine prompte Abklärung angesagt.
- Für Romantiker: Der Witweneffekt© hedgehog94 / stock.adobe.com (Ausschnitt)In memoriam | Die Zeit nach dem Verlust eines langjährigen Partners ist äußerst schmerzhaft – und die Belastung kann sogar den Tod des Hinterbliebenen begünstigen.
Bei älteren Menschen in langer Partnerschaft bemerkten Fachleute einen kuriosen Zusammenhang: Stirbt einer der beiden, folgt ihm der Hinterbliebene auffällig häufig schon bald ins Grab. In manchen Studien wird das erhöhte Risiko, kurz nach dem Tod des Partners zu sterben, mit einer mehr als 50-prozentigen Übersterblichkeit beziffert. Betroffene erliegen aber nicht nur einem gebrochenen Herzen, sondern einer Vielzahl unterschiedlicher Todesursachen. Dieser »Witweneffekt« ist in den ersten Wochen nach dem Verlust am stärksten. Erst nach etwa drei Monaten beginnt er zu sinken.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben