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Unwahrscheinlich tödlich: Tod im Aquarium

Von hochgiftigen Substanzen über gefährliche Parasiten bis hin zu ungewöhnlichen Keimen – in Aquarien lauert so manche böse Überraschung.
Nachaufnahme eines weiß-orangen Fisches, der mit weit geöffnetem Maul in die Kamera schaut.
Da schau her – im heimischen Fischtank treiben sich mitunter auch für Menschen gefährliche Tierchen herum.
Eines ist sicher: Irgendwann geben wir alle den Löffel ab. Weniger absehbar ist das Wie. Denn es gibt eine schier unendliche Zahl an Wegen, die einen Menschen ins Grab bringen können – manche von ihnen außergewöhnlicher, verblüffender und bizarrer als andere. In der Kolumne »Unwahrscheinlich tödlich« stellen wir regelmäßig solche Fälle vor, von bissigen Menschen über giftige Reisbällchen bis hin zu lebensgefährlichem Sex.

Durch das Internet geistert die Geschichte eines Texaners, der angeblich sein Ende im eigenen Aquarium fand. Diverse Forenbeiträge führen seinen Tod auf eine Vergiftung durch eine Seeanemone zurück. Dabei soll es sich um eine Art gehandelt haben, die eines der stärksten Gifte der Welt ausscheidet: Palytoxin. Meine Suche nach den medizinischen Hintergründen des mutmaßlichen Falls blieb zwar erfolglos. Die Recherche veranlasste mich aber dazu, mich generell etwas näher mit den Gefahren zu beschäftigen, die in heimischen Fischtanks lauern könnten. Denn die Frage bleibt: Kann man durch die Aquarienpflege im schlimmsten Fall tatsächlich sterben?

Sehen wir uns zuerst das schon genannte Palytoxin an. Es ist nämlich eine reale Gefahr, die von einigen Bewohnern von Salzwasseraquarien ausgeht. Manche Spezies von Krustenanemonen, die wegen ihrer hübschen Farben und Form von Aquarianern geschätzt werden, produzieren den Giftstoff. Wenn sie unter Stress stehen, können sie ihn in hohen Dosen freisetzen. Das passiert etwa, während Menschen das Aquarium reinigen und die Blumentiere dabei reizen. Das Gift kann bei Hautkontakt in den Körper eindringen. Und wenn die Tiere außerhalb des Wassers geschrubbt oder verletzt werden, gelangt es manchmal sogar über die Luft in die Atemwege.

Giftgas aus Seeanemonen

Fehler im Umgang mit Krustenanemonen passieren immer wieder. So manchem Liebhaber ist dabei nicht einmal klar, wie gefährlich die Tiere sind. 2024 wurden etwa mehrere Wohnhäuser in einer Londoner Straße evakuiert, nachdem ein Mann eine Kolonie in seinem Tank mit Hammer und Meißel bearbeitet hatte. Alle Familienmitglieder, die sich im Haus aufgehalten hatten, entwickelten grippeähnliche Symptome. Sie mussten im Krankenhaus behandelt werden, erholten sich aber innerhalb der nächsten Tage. Ähnliche Vergiftungen traten auch anderswo auf, mit vergleichbaren Auswirkungen auf Betroffene.

Ein besonderer Fall ereignete sich 2012 in Alaska. Fachleute des US-amerikanischen Gesundheitswesens beschrieben ihn in einer Analyse, die zehn Betroffene im Bundesstaat nachverfolgte . Dabei hatte sich eine Frau vergiftet, die zu diesem Zeitpunkt schwanger war. Sie musste intensivmedizinisch behandelt werden, und ihr Baby kam drei Monate zu früh zur Welt. Ihr Partner verlor das Bewusstsein, nachdem er das Gift eingeatmet hatte. Seine Lunge hatte Schaden genommen und konnte nicht mehr ausreichend Sauerstoff aus der Luft aufnehmen. Er verbrachte fünf Tage mit Atemunterstützung auf der Intensivstation. Zwei Jahre später war seine Lungenfunktion immer noch eingeschränkt, wie er den Fachleuten schilderte. Ein anderer Bericht beschreibt einen Mann in Heidelberg. Er kollabierte 2008 und musste anschließend mehrere Tage im Krankenhaus behandelt werden, nachdem er sich versehentlich mit einer Krustenanemone in seinem Aquarium in drei Finger geschnitten hatte.

Berichte über Tode nach solchen Aquarienunfällen sucht man in wissenschaftlichen Veröffentlichungen aber vergebens. Dort beschriebene Personen hatten zwar zum Teil schwere und langwierige Schäden erlitten, doch sie alle überlebten die Unfälle. Theoretisch ist ein tödlicher Ausgang allerdings durchaus möglich. So starben bereits Menschen, die mit Palytoxin kontaminierte Meeresfrüchte gegessen hatten, an den Folgen der Vergiftung.

Vorsicht, ansteckend: Von Bilharziose und Fischtuberkulose

Ein anderes Problem sind Krankheitserreger, die Aquarienbewohner in den Tank eingeschleppt haben. Viele von ihnen sind zwar nur für ihre Mitbewohner gefährlich, doch einige wenige können auch Menschen krankmachen. Dazu zählen kleine Saugwürmer, die sich im Körper von Süßwasserschnecken vermehren. Die Larven dieser Pärchenegel (Schistosoma) können sich durch die menschliche Haut bohren und bei uns eine Wurmerkrankung namens Bilharziose auslösen. Die Infektion ist in den Tropen und Subtropen verbreitet, aber auch in Teilen der Mittelmeerinsel Korsika kommt es seit 2013 vermehrt zu Ansteckungen. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass jährlich mehr als 200 000 Menschen an den Folgen der Krankheit sterben.

Posthornschnecken, die die Parasiten beherbergen können, geraten manchmal mit gekauften Pflanzen oder Tieren in Aquarien. Wie oft sie die Würmer auf Aquarianer übertragen, lässt sich nur schwer untersuchen. Gelegentlich weist man sie allerdings in Menschen nach, die sich zuvor nicht in Gebieten aufgehalten haben, in denen Schistosoma verbreitet ist. In diesen Fällen kommt das Aquarium zumindest als möglicher Ansteckungsort in Frage. So war es etwa beim Solinger Stefan Böhm. Seine Bilharziose ließ sich zwar letztlich mit Medikamenten beseitigen, doch die lange unentdeckte Infektion hinterließ bleibende Schäden in seinem Körper.

Für Menschen seltener tödlich ist ein anderer Keim, der in Aquarienbewohnern gedeihen kann: der Auslöser der Fischtuberkulose. Wie die menschliche Tuberkulose geht die Krankheit auf Mykobakterien zurück. Häufig gelangt das Bakterium über einen infizierten Neuzugang ins Becken und breitet sich dort langsam aus – mit oft schweren Folgen für den Fischbestand, der daraufhin meist sukzessive abnimmt. Über kleinste Hautverletzungen kann der Erreger bei Kontakt mit dem Wasser auch auf die Aquarianer überspringen. Bei ihnen entwickelt sich in der Folge eine charakteristische Hautveränderung, das so genannte Aquariengranulom.

Immunsupprimierte sind besonders gefährdet

Lebensgefährlich ist eine solche Ansteckung vor allem für Personen mit geschwächtem Immunsystem. Bei ihnen kann sich der Keim mitunter auf den gesamten Körper ausweiten und dabei großen Schaden anrichten. Mindestens zwei Menschen, deren Infektion wahrscheinlich von Aquarien ausging, erlagen den Folgen. Ein 33-jähriger Mann in Frankreich starb 1991 mehrere Monate, nachdem er sich mit Mycobacterium marinum angesteckt hatte. Er litt unter Aids und war zum Zeitpunkt seines Todes bereits schwer immunsupprimiert. Zwei seiner Fische waren verendet, bevor er mit einem Aquariengranulom erstmals ins Krankenhaus kam. Das zweite Opfer war ein immungeschwächtes Kleinkind. Die Eltern badeten es regelmäßig in einer Wanne, in der sie auch ihren Fischtank putzten. Seine gesamte Haut war von wunden Stellen überzogen und die Bakterien waren bis in sein Knochenmark und sein Blut vorgedrungen.

In den meisten Fällen bleibt Fischtuberkulose bei zuvor gesunden Menschen auf die Haut beschränkt, gelegentlich weitet sich der Infekt auf nahe liegende Lymphknoten aus. Sehnenscheiden- und Knochenmarksentzündungen gehören zu den seltenen Folgen. Meist heilt die Krankheit nach einigen Monaten bis Jahren von selbst ab. Eine Antibiotikabehandlung ist aber ratsam, um den Infekt nicht unnötig zu verschleppen.

Mit ein paar Regeln lassen sich bereits viele Fälle vermeiden: Wer neue Fische kauft, sollte sie einige Wochen in einem eigenen Tank halten und erst dann mit den anderen zusammenführen. Diese Maßnahme sollte man auch auf Wasserpflanzen ausweiten, um Bilharziose keine Chance zu geben. Außerdem ist es ratsam, während der Reinigung des Aquariums Handschuhe zu tragen – vor allem bei Kratzern und sonstigen Hautwunden. Wer Riffe im Becken hat, sollte bei ihrer Pflege besonders aufpassen und sich darüber informieren, welche Arten giftige Stoffe absondern können.

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