Unwahrscheinlich tödlich: Tod durch Teflon

Kann mich meine alte Bratpfanne umbringen? Die Frage habe ich mir vor einiger Zeit gestellt, als ich ein paar in die Jahre gekommene Küchenutensilien aussortiert habe. Bei manchen hatte sich die Teflonbeschichtung bereits ein wenig gelöst, und das darunterliegende Metall blitzte durch. Irgendwann hatte ich gehört, dass die schwarze Schicht nicht unbedingt gesund ist, wenn sie zerkrümelt in meinem Essen landet. Dabei ist es eigentlich eine ganz andere nicht sachgemäße Verwendung, die akut zur Bedrohung werden kann. Denn als ausgehärtetes Polymer ist Teflon äußerst widerstandsfähig und harmlos. Im überhitzten Zustand kann der Stoff jedoch lebensgefährlich werden.
Diese Erfahrung mussten drei Taiwaner im Jahr 1995 machen. Sie kamen innerhalb weniger Stunden in unterschiedliche Krankenhäuser, weil sie unter anderem an massiven Atembeschwerden litten. Der am schwersten Betroffene war ein 43-jähriger, tags zuvor vollkommen gesunder Mann. Seine Frau brachte ihn am 13. September um zwei Uhr morgens in die Notaufnahme, weil er seit dem Abend brechen musste, stark hustete und kaum noch atmen konnte. Sein Gesicht war bleich und seine Lippen leicht bläulich verfärbt – ein Hinweis auf akuten Sauerstoffmangel. Anhand seiner Blutwerte und einer Röntgenuntersuchung bestätigte das Ärzteteam, dass seine Lungenfunktion eingeschränkt war. Er wurde intubiert und mechanisch mit 100-prozentigem Sauerstoff beatmet. Trotz dieser Behandlung verstarb er gegen sieben Uhr morgens.
Einer verabschiedet sich, zwei weitere kommen
Die beiden anderen Männer meldeten sich in den frühen Morgenstunden in nahe gelegenen Spitälern. Wegen ihrer Verbindung zum ersten Fall überführte man sie am 16. September in das National Cheng Kung University Hospital in Tainan, wo auch ihr Kollege behandelt worden war. Ihre Beschwerden waren schwächer ausgeprägt, doch die Röntgenuntersuchung ihrer Lunge wies ebenfalls auf krankhafte Veränderungen in dem Organ hin. Diese normalisierten sich innerhalb weniger Tage, und beide erholten sich wieder. Sie konnten das Krankenhaus nach sieben beziehungsweise neun Tagen verlassen. Alle drei Fälle führten die Fachleute auf Kontakt mit überhitztem Teflon zurück.
Das klingt erst einmal ziemlich dramatisch. Die Ereignisse müssen die allermeisten Menschen aber nicht besonders beunruhigen: Die Taiwaner vergifteten sich nämlich nicht beim Kochen, sondern an ihrem Arbeitsplatz. Dort schmolzen sie Teflonpulver in einer Maschine, die das verflüssigte Polymer in eine längliche, stangenartige Form presste. Normalerweise erhitzten sich dabei Heizelemente im Inneren des Geräts auf 350 bis 380 Grad Celsius. Wegen einer später entdeckten Fehlfunktion eines Kontrollelements stiegen die Temperaturen am 12. September 1995 jedoch wahrscheinlich auf weitaus höhere Werte von über 500 Grad an.
Während Teflon ab 327 Grad schmilzt und formbar wird, beginnt es bei etwa 400 Grad, sich auf Grund von Überhitzung zu zersetzen – ein Prozess, den man Pyrolyse nennt. Dabei brechen die Polymerketten und schließlich die verflüssigten Moleküle auseinander und bilden zahlreiche Zerfallsprodukte. Einige von ihnen sind äußerst gefährlich. Dazu zählt das flüchtige Carbonylfluorid, das bei Kontakt mit den Schleimhäuten die hochgiftige und ätzende Flusssäure bildet. Trifft das Gas auf die Atemwege, sind die Folgen Halsschmerzen, Atemprobleme und Husten bis hin zu Lungenödemen. Also genau die Symptome, unter denen die drei Arbeiter litten.
Kross gebratenes Kochgeschirr
Doch kann ein solcher Prozess auch im privaten Haushalt passieren, zum Beispiel weil man die Pfanne auf die heiße Herdplatte stellt und dort vergisst? Die Antwort liefert ein Bericht, den Ärztinnen und Ärzte des Ohta-Nishinouchi-Krankenhauses in Fukushima 2015 veröffentlichten. Sie hatten einen 35-jährigen Japaner behandelt, der seine Teflonpfanne auf den Herd gestellt hatte und danach ohnmächtig wurde. Zehn Stunden lang brannte die Pfanne vor sich hin, während er die Dämpfe einatmete. Am Schluss hatte sich die gesamte Teflonschicht verflüchtigt. Als er in die Notaufnahme eingeliefert wurde, bekam der Mann nur schwer Luft. Seine Lunge zeigte ähnliche Schäden wie die der oben beschriebenen Fabrikarbeiter. Doch er überlebte: Mit medikamentöser Behandlung und Atemunterstützung erholte er sich schnell. Nach neun Tagen sah seine Lunge im Röntgenbild wieder komplett normal aus und nach elf Tagen kehrte er zurück nach Hause.
Selbst dieser Extremfall ging also noch glimpflich aus. Und er zeigt, dass man sich vor Teflon nicht allzu sehr fürchten muss. Auch sein schlechter Ruf, womöglich Krebserkrankungen zu begünstigen, geht auf einen Stoff zurück, den man früher bei der Herstellung von Teflon verwendete: Perfluoroctansäure, kurz PFOA. In der EU ist diese »Ewigkeitschemikalie« seit 2008 verboten. Teflon ist der Handelsname einer anderen PFAS, nämlich Polytetrafluorethylen (PTFE). Dieses wird bei Körpertemperatur als unbedenklich eingestuft. Kleine Kratzer in einer nicht allzu alten beschichteten Pfanne müssen einem somit ebenfalls keine Sorgen machen.
- Teflonfieber – eine Frage der Temperatur© Henrik Sorensen / Getty Images / DigitalVision (Ausschnitt)Manche mögen's heiß | Weil Gasherde die höchsten Temperaturen erreichen, geht von ihnen die größte Gefahr aus.
Ganz ungefährlich ist es nicht, im Haushalt mit Teflonpfannen zu hantieren. Denn auch am heimischen Herd besteht ein gewisses Risiko, das Kochgeschirr zu überhitzen und dabei giftige Dämpfe freizusetzen. Das hat bisher zwar keine Todesopfer gefordert, aber schon bei zahlreichen Menschen unangenehme Symptome ausgelöst. In der Fachliteratur fasst man solche Fälle unter »teflon flu« (»Teflonfieber«) oder »polymer fume fever« (»Polymerfieber«) zusammen. Namensgebend sind die grippalen Beschwerden, die Personen einige Stunden nach dem Einatmen der Zersetzungsprodukte entwickeln. Dazu zählen Fieber, Unwohlsein, Engegefühl im Brustkorb und trockener Husten.
Um eine Vergiftung zu vermeiden, sollte man teflonbeschichtete Pfannen niemals lange auf dem heißen Herd stehen lassen. Dämpfe bilden sich in geringen Mengen ab 260 Grad Celsius, gesundheitsschädlich werden sie ab etwa 350 Grad. Die Gefahr, diese Temperaturen zu überschreiten, unterscheidet sich je nach Herdtyp. Bei einem Gasherd ist besondere Vorsicht geboten, denn die Flammen können bis zu 2000 Grad heiß werden. Eine vergessene Pfanne kann hier leicht überhitzen. Elektrische Herdplatten mit Ceranfeld erreichen ungefähr 500 bis 600 Grad und sind damit moderat gefährlich. Am geringsten ist das Risiko bei modernen Induktionskochfeldern: Sie werden zwar sehr schnell heiß, bleiben dabei aber in den meisten Fällen unter 260 Grad warm.
Anm. d. Red.: Im ursprünglichen Text schrieben wir, dass modernes Teflon aus PTFE besteht. Tatsächlich bestand Teflon jedoch immer schon als PTFE, nur kommt bei seiner Herstellung heute kein PFOA mehr zum Einsatz. Wir haben den Fehler korrigiert.
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