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Meinels Web-Tutorial: Vier Millionen Likes pro Minute

Am Anfang war das Web eine Einbahnstraße, doch dann kam plötzlich Gegenverkehr auf. Wie das funktionierte, erklärt Christoph Meinel in einer neuen Folge des Web-Tutorials.
Ein Nutzer sozialer Medien fotografiert eine Stadtansicht

Soziale Netzwerke sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie sind zum beliebtesten Interaktionswerkzeug im Web für die Menschen auf der ganzen Welt geworden. Dank ihnen kann man sich als Teil einer globalen Gemeinschaft fühlen, egal wo man sich selbst gerade befindet. Interaktive Plattformen sind zu einem effektiven Mittel geworden, um Nachrichten, Meinungen und Medien aller Art blitzschnell zu erstellen und weltweit zu verbreiten. Sie bestimmen heute zentrale politische Debatten und können (vermeintlich) sogar Wahlen und politische Prozesse beeinflussen.

Das nach Teilnehmern mit Abstand größte soziale Netzwerk ist heute Facebook. Gegründet im Jahr 2004, wird es aktuell monatlich von über zwei Milliarden Menschen aktiv genutzt. Alle Facebook-Nutzer zusammen klicken pro Minute vier Millionen Mal auf den Like-Button. Auch der zu Facebook gehörende Instant-Messaging-Dienst WhatsApp hat monatlich zwei Milliarden aktive Nutzer. Weit »abgeschlagen«, aber immer noch sehr beeindruckend in ihrer Nutzerzahl sind die Netzwerke Instagram (Facebook-Tochter) mit einer Milliarde Nutzer und LinkedIn, Twitter, Snapchat sowie Pinterest mit je zirka 300 Millionen monatlichen Nutzern. Das gemeinschaftlich verfasste Onlinelexikon Wikipedia verzeichnet inzwischen über 50 Millionen Artikel in fast 300 Sprachen und wird täglich 300 Millionen Mal aufgerufen (das sind fast zehn Milliarden Aufrufe im Jahr!). Diese Zahlen belegen, dass soziale Medien eine globale Macht geworden sind, die aber nur dank wichtiger technischer Entwicklungen wie mobiles Internet, nativer Apps und den gängigen Internetprotokollen möglich geworden sind.

Was unterscheidet soziale Medien oder das Web 2.0 vom klassischen Web 1.0? Der ursprüngliche WWW-Dienst, der 1990 von Tim Berners Lee und Robert Cailliau begründet wurde, machte es möglich, von überall her auf Internetinhalte vermittels eines grafischen Webbrowsers zuzugreifen. Das war ein wichtiger Entwicklungsschritt, der dem Internet als Basistechnologie massenhafte Nutzung und rasante Verbreitung beschert hat. Diese ersten im WWW angebotenen Internetinhalte bewegten sich aber wie auf einer Einbahnstraße: Nutzer konnten sich Inhalte anschauen; mit ihnen zu interagieren oder darauf Einfluss zu nehmen, war unmöglich.

Welche clevere Technik steckt hinter dem Begriff TCP/IP? Wie bekommt man Videos ins Netz? Und warum erscheint uns das Internet aus einem Guss, obwohl es aus Milliarden unterschiedlicher Rechner besteht? Das und mehr beleuchtet Informatikprofessor Christoph Meinel alle drei Wochen bei seinem Blick hinter die Kulissen des World Wide Web.
Alle Folgen gibt es hier: »Meinels Web-Tutorial«

Das Web 1.0 entsprach also eher dem Gebrauchsmuster klassischer Medien wie Bücher, Radio oder Fernsehen, die je nur Informationen »einseitig« für ihre Interessenten bereitgestellt haben. (Immerhin konnten die Informationen im Web 1.0 im Gegensatz zu den klassischen analogen Medien zu jeder Zeit und von überall her abgerufen werden.) Insofern war erst der Schritt zum Web 2.0 die echte mediale Revolution: Über die neuen als soziale Medien bezeichneten Webdienste war es den Nutzern nun möglich, in einen direkten Austausch mit anderen Nutzern dieser Dienste zu kommen. Man war hier nicht mehr nur Empfänger von Informationen, sondern konnte direkt auf Beiträge anderer Nutzer antworten, Kommentare verfassen, gemeinsam an Texten und anderen Medien arbeiten und massenhaft Links, Likes und Meinungen teilen. Nutzer der sozialen Medien im Web 2.0 sind also zugleich Konsumenten und Produzenten der im Internet angebotenen Informationen. Die enge Interaktion zwischen den Nutzern der sozialen Medien im Web 2.0 lässt im digitalen Raum eine lebendige virtuelle Gemeinschaft entstehen, wie das vorher bei den Einbahnstraßen-Medien völlig undenkbar war – gerade das drückt eben der Begriff »soziale Medien« aus.

Eine besondere Verbreitung haben sie vor allem mit der Entwicklung des mobilen Internets und der Alleskönner Smartphones erreicht, mit denen kinderleicht Medien erstellt und geteilt werden können. Heute gibt es über drei Milliarden Smartphones, die mit ihren niedrigschwelligen Anwendungen die globale Webgesellschaft konstituieren und vorantreiben. Statt mit dem herkömmlichen (mobilen) Browser greifen Nutzer darauf oft mit »nativen Apps« zu, die es inzwischen für praktisch jede digitale Plattform und jeden Webdienst gibt und die die Inhalte der sozialen Dienste optimiert für jedes Endgerät (Smartphone, Tablet, Laptop, Smart-TV, Smart-Car und so weiter) anzeigen.

Damit der synchrone Austausch zwischen Millionen von Nutzern gelingt, braucht es auch für die sozialen Medien spezifische Anwendungsprotokolle. Eines der wichtigsten von diesen ist das Extensible Messaging and Presence Protocol (XMPP), das für Instant-Messaging-Dienste wie WhatApp genutzt wird. Wie viele andere basiert XMPP auf der klassischen Client-Server-Architektur, so dass die Nachrichten über Webserver und eigenständige Domains verwaltet werden. Instant-Messaging-Dienste nutzen das sichere TCP als Verbindungsprotokoll auf der Transportschicht und ermöglichen darüber einen Echtzeit-Datenaustausch zwischen zwei oder mehreren Anwendern. Um einen Instant-Messaging-Dienst zu nutzen, braucht man eine spezielle ID, die hier »Jabber-ID« genannt wird. Sie wird genau wie eine E-Mail-Adresse gebildet: nutzer@domain.top-level-domain. So können Nutzer eindeutig kontaktiert werden und ihren dezentralen Domain-Servern zugeordnet werden.

Ein weiteres Beispiel für ein Social-Media-Anwendungsprotokoll ist das HTTP-REST-Protokoll (HTTP-Representational State Transfer). Dieses wird zum Beispiel von Instagram für die Übermittlung von Bildern und die Anbindung an weitere soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter genutzt. Auch hier basiert der Datenaustausch auf der Client-Server-Architektur und läuft weiterhin über das HTTP-Protokoll auf der Anwendungsschicht. REST-Architekturen sind eine Sammlung von Regeln und Prinzipien, die für den reibungslosen Datenaustausch universell angewendet werden. Über festgelegte Client-Schnittstellen (APIs) kann ein anderes System via HTTP mit den Funktionalitäten der Instagram-Anwendung interagieren. REST standardisiert also die Methoden, die zum Datenaustausch bei Instagram über HTTP benutzt werden. Eine kleine Auswahl von diesen Prinzipien sind:

  • Ressourcen sind beispielsweise Webseiten, Skripte oder Bilder.
  • REST-Server besitzt diese Ressourcen.
  • REST-Client greift auf Ressourcen zu und nutzt diese.
  • Jede Ressource hat eine URI (Uniform Resource Identifier).
  • Ressourcen werden durch verschiedene standardisierte Formate (XML, Text, JSON etc.) repräsentiert.
  • REST-Server kennen immer nur ihren eigenen Status und haben nichts mit der Verwaltung der Clients zu tun (stellen also nur Ressourcen bereit und die Verbindung her).
  • REST-Clients überführen Ressourcen in andere »Zustände« über die standardisierten Repräsentationsformate.
  • Manipulation von Ressourcen ist immer nur über deren URI und mittels der dafür vorgesehenen Methoden erlaubt.

Über eine geeignete Auswahl solcher einfacher Regeln und Standardisierungen ist es schließlich möglich, dass sehr viele Menschen weltweit in Echtzeit auf die gleichen Ressourcen zugreifen und kollaborativ daran arbeiten können. Erst diese Entwicklung hat das digitale Paradigma der kreativen Echtzeitvernetzung Realität werden lassen und die Webrevolution der globalen Webgesellschaft, die heute im Guten wie im Bösen im Gange ist, ins Rollen gebracht.

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