Freistetters Formelwelt: Wann ist ein Ring ein Ring?
Die Mathematik findet in einer abstrakten Welt von Zahlen, Formeln und Logik statt. Trotzdem borgt sie sich die Begriffe, mit denen sie über diese Welt spricht, oft aus unserem Alltag aus. Falls Mathematikerinnen und Mathematiker also über »Ringe« sprechen, dann meinen sie damit in den meisten Fällen keine Schmuckstücke, sondern etwas, das so aussieht:
Das ist keine mathematische Formel im eigentlichen Sinn, sondern der formale Ausdruck für etwas, das man algebraische Struktur nennt. Man kann das etwas anschaulicher als eine bestimmte Art der Organisation von Elementen bezeichnen. Das R steht für eine mathematische Menge an Elementen; die Symbole + und · stehen für zwei Verknüpfungen der Elemente dieser Menge (zum Beispiel, aber nicht notwendigerweise für Addition und Multiplikation).
Damit die Menge und die beiden Verknüpfungen einen »Ring« bilden, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Die Menge R muss in Bezug auf die Verknüpfung + eine so genannte abelsche Gruppe sein. Das bedeutet, es darf keine Rolle spielen, ob man etwa a + b rechnet oder b + a . Auch die Ergebnisse der Rechenoperationen a + (b + c) und (a + b) + c müssen identisch sein.
Außerdem muss es in der Menge ein neutrales Element 0 geben, das das Ergebnis der Verknüpfung nicht beeinflusst. Es muss also gelten: a + 0 = a, und es muss für jedes Element in R ein inverses Element geben, das mit ihm durch die Verknüpfung das neutrale Element produziert.
Wenn die Verknüpfung + tatsächlich die normale Addition bezeichnet und die Menge R die ganzen Zahlen, dann kennen wir die obigen Definitionen alle aus dem Schulunterricht. Beim Addieren von ganzen Zahlen spielt es keine Rolle, in welcher Reihenfolge es passiert oder welche Teiladditionen man zuerst durchführt. Die Zahl 0 ist das neutrale Element, und für jede ganze Zahl existiert ein inverses Element in Form der gleichen ganzen Zahl mit unterschiedlichem Vorzeichen.
Ein Ring aus ganzen Zahlen
Was die zweite Verknüpfung eines Rings angeht, muss hier ebenfalls das Assoziativgesetz gelten; Klammern dürfen also keine Rolle spielen: (a · b) · c muss das gleiche Ergebnis liefern wie a · (b · c). Und auch hier muss es ein neutrales Element geben. Und schließlich müssen auch noch für alle Elemente der Menge R die Distributivgesetze gelten; a · (b + c) muss gleich (a · b) + (b · c) sein, und das Ergebnis von (a + b) · c muss gleich dem von (a · c) + (b · c) sein.
Die ganzen Zahlen bilden zusammen mit der üblichen Addition und Multiplikation einen Ring, wie man sich leicht selbst vergewissern kann. Die natürlichen Zahlen übrigens nicht, denn hier gibt es für die Addition kein inverses Element: Die negativen Zahlen sind ja nicht Teil der Menge der natürlichen Zahlen.
Ringe können aber auch deutlich abstrakter sein; anstatt ganzer Zahlen können etwa auch Matrizen oder Polynome die Elemente von R darstellen und + und · für entsprechende Rechenoperationen, die auf diese Objekte angewandt werden. Durch die Verallgemeinerung dieser Konzepte kann man im Rahmen der »Ringtheorie« die Eigenschaften solcher algebraischen Strukturen aber viel umfassender studieren und verstehen.
Das Arsenal der mathematischen Ringe macht jedem Juwelierladen Konkurrenz: Es gibt zum Beispiel einfache Ringe, lokale Ringe, Integritätsringe, euklidische Ringe, Halbringe, Fastringe, Alternativringe, Hauptidealringe, Unterringe, Oberringe, Kettenringe, semiperfekte Ringe und sogar normale Ringe.
Welche Ringe aber am kürzlich stattgefundenen Valentinstag unter Mathematikerinnen und Mathematikern ganz privat ausgetauscht worden sind, ist nicht bekannt.
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