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Wasser auf Exoplaneten: Warum der Hype um K2-18b nicht gerechtfertigt ist

In der Atmosphäre eines fernen Exoplaneten gibt es Wasser. Das ist weder eine Überraschung noch eine Sensation, kommentiert Robert Gast.
Exoplanet K2-18b (künstlerische Darstellung)

Wasser ist ein besonderes Element: Auf der Erde ist es eine der Hauptvoraussetzungen für Leben. Kein Wunder also, dass es für Aufsehen sorgt, wenn Forscher den Stoff in den Weiten des Alls entdecken. Gibt es da draußen irgendwo eine Biosphäre, in der sich ebenfalls Mehrzeller entwickelt haben? Vielleicht sogar außerirdische Gesellschaften und Zivilisationen? Die Frage zieht unzählige Menschen völlig zu Recht in ihren Bann, schließlich hat sie das Zeug, unser Weltbild nachhaltig zu verändern.

Manchmal kippt die Begeisterung für Wasser allerdings auch ins Absurde. So ist es beispielsweise, wenn die NASA wieder einmal neue Indizien dafür präsentiert, dass es auf dem Mars einst Wasser gegeben hat oder in geringer Konzentration immer noch gibt. Die letzte derartige Meldung liegt dann meist kaum mehr als ein Jahr zurück. Nachrichtenredaktionen in aller Welt erklären die Entdeckung dennoch zu einer Sensation, angestachelt von geschickter Forschungs-PR.

Kluft zwischen Bedeutung und öffentlicher Darstellung

Mittwoch, der 11. September 2019, lieferte neues Anschauungsmaterial für Forschung, bei der öffentliche Darstellung und wissenschaftliche Bedeutung auseinanderklaffen. Diesmal ging es jedoch nicht um den Mars, sondern um eine Welt außerhalb unseres Sonnensystems. Der Exoplanet K2-18b umkreist einen 110 Lichtjahre entfernten Stern, bekannt ist er seit dem Jahr 2015.

Doch eine Gruppe aus fünf Londoner Astrophysikern hat in Daten des Hubble-Weltraumteleskops Hinweise darauf gefunden, dass die Atmosphäre des Planeten Wasserdampf enthält. Die Meldung ging um die Welt, landete auf mancher Nachrichtenseite sogar ganz oben, über Brexit und neuer EU-Kommission. »Wasser auf lebensfreundlicher Supererde« war da mitunter zu lesen. Ein britisches Qualitätsmedium erklärte den Exoplaneten gar zur »most habitable known world beyond our solar system«.

Ein Teil der Aufregung lässt sich dadurch erklären, dass K2-18b zu einer besonderen Gruppe der bisher bekannten Exoplaneten gehört: Er umkreist seinen Stern just in einem Abstand, der moderate Temperaturen zulässt, der »habitablen Zone«. Wasser würde hier weder restlos verdampfen noch vollständig gefrieren, was Leben – rein theoretisch – eine Bühne bieten könnte.

Exoplaneten in der habitablen Zone sind längst keine Besonderheit mehr – je nach Zählweise sind mittlerweile viele Dutzend solcher Welten bekannt. Jedoch konnte man bei keiner von ihnen bisher ermitteln, ob der günstige Abstand von ihrem Stern auch mit einer Atmosphäre einhergeht, und wenn ja, aus welchen Gasen diese Lufthülle besteht.

Keine Supererde, sondern ein Mini-Neptun

Um das zu erfahren, muss man Sternlicht analysieren, das die Atmosphäre eines Exoplaneten passiert hat. Das ist bislang nur bei wenigen fernen Welten gelungen. Die meisten davon waren jupiterähnliche Gasriesen, die ihren Stern auf extrem engen Bahnen umrunden – und die damit viel zu heiß wären für biologische Aktivität.

Bei K2-18b sieht die Sache auf den ersten Blick besser aus: Er zieht nicht nur in der habitablen Zone seine Bahnen, er ist auch nur 2,3-mal so groß wie die Erde und achtmal so schwer. Erst dreimal konnten Wissenschaftler bei Exoplaneten dieses Formats die Lufthülle untersuchen, allerdings wiesen sie bei keinem von ihnen Wasser nach.

Das ist bei K2-18b gelungen. Für die beteiligten Forscher ist das eine beachtliche Leistung, die ihnen innerhalb ihrer Fachdisziplin Anerkennung bescheren sollte. Mit viel gutem Willen kann man darin sogar so etwas wie ein ermutigendes Etappenziel auf der Suche nach erdähnlichen Welten sehen: Bei mehreren Planeten in habitablen Zonen ist es – trotz intensiver Bemühung – bisher nicht gelungen, Atmosphären nachzuweisen.

Eine Relevanz für die Suche nach außerirdischem Leben hat die in »Nature Astronomy« erschienene Studie jedoch nicht. Das liegt zum einen an der Größe des Exoplaneten: Bei diesem handelt es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht um eine »Supererde«, wie viele Presseberichte nahelegten. Viel eher dürfte es sich um einen kompakten Planetenkern mit weit ausgedehnter Gashülle handeln, der eher Neptun ähnelt als Mutter Erde, einen so genannten Mini-Neptun. Welten dieses Typs sind Hochrechnungen zufolge die häufigste Planetenklasse im All.

Zum anderen ist Wasserdampf an sich noch keine Sensation. Wissenschaftler haben das Gas mittlerweile an vielen Orten im Weltall nachgewiesen. So pusten gleich mehrere Monde im Sonnensystem den Stoff ins All, in Spuren findet man ihn auch in den Atmosphären von Neptun und Uranus – und sogar in der Hülle manches lebensfeindlichen, extrasolaren Gasriesen.

Bloß eine grobe Schätzung

Es wäre daher hilfreich zu wissen, in welcher Menge der Stoff in der Atmosphäre von K2-18b vorkommt. Aber just diese Information liefert die Studie der britischen Astrophysiker nicht: Sie können lediglich schätzen, dass der Wassergehalt zwischen 0,1 und 50 Prozent liegt. Daneben müsste die Gashülle übrigens Wasserstoff und Helium enthalten, damit sie mit den Modellen der Forscher und den Messdaten kompatibel ist.

Insgesamt besteht auf K2-18b wohl nur dann eine Chance für Leben, wenn man mit einer großen Portion Optimismus durchs Teleskop blickt. Es ist menschlich, entsprechende Hoffnungen zu haben. Doch Wissenschaftler sollten der Versuchung widerstehen, bei der Popularisierung ihrer Arbeit zu leichtfertig entsprechende Assoziationen zu wecken. Und Nachrichtenredaktionen sollten verinnerlichen, dass Wasser im Weltall längst nicht so spektakulär ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Viel spannender und relevanter wären Gase, die auf biologische Aktivität hindeuten, etwa Sauerstoff und Methan. Sollte man sie in der Atmosphäre einer Welt finden, bei der es sich sicher um einen Felsplaneten handelt, wäre das eine Sensation, die auch gerne ganz oben auf Nachrichtenseiten landen darf. Aber selbst dann ist Vorsicht geboten: Der zweifelsfreie Nachweis von außerirdischem Leben wird vermutlich mehr brauchen als die – stets mehrdeutige – Signatur mehrerer Gase, die man aus vielen Lichtjahren Entfernung aufspürt.

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