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Gute Nacht - die Kolumne für besseren Schlaf: Warum nachts aufwachen nicht schlimm ist

Nachts nicht durchzuschlafen ist völlig natürlich. Doch warum schlafen manche Menschen wieder ein, während andere sich durch die dunklen Stunden quälen? Und was können sie tun?
Ein Mann sitzt in einem gemütlichen Raum und liest ein Buch. Er trägt ein helles Hemd und eine Uhr am Handgelenk. Im Hintergrund sind ein Schreibtisch mit einem Laptop und ein Bücherregal zu sehen. Der Raum ist schwach beleuchtet, was eine entspannte Atmosphäre schafft.
Wenn man nachts nicht wieder einschlafen kann, dann sollte man nicht im Bett bleiben, sondern lieber zum Beispiel etwas lesen.

Einschlafen kann sie, sagt meine Klientin. Doch mehrmals pro Woche erwacht sie mitten in der Nacht und bleibt dann wach, oft bis in die Morgenstunden. Tagsüber ist sie erschöpft und die Nächte voller Verzweiflung häufen sich. Was tun? Wer das Durchschlafen neu lernen will, muss verstehen, was beim Aufwachen passiert.

Dass wir Menschen nachts erwachen, liegt in unserer Biologie. Es ist kein Fehler im System, es ist so vorgesehen. Hat der Körper einen Schlafzyklus durchlaufen, folgen wenige Augenblicke des Wachseins. Nach diesem kurzen Check – ist hier alles in Ordnung? – beginnt der Körper einen neuen Schlafzyklus. Dieses Erwachen ist so kurz, dass die meisten Menschen sich am Morgen danach nicht daran erinnern können. Erschrecken wir uns dagegen, schüttet der Körper Hormone aus, die wach machen. Dies ist eine Schutzfunktion. Wenn die Hütte brennt, dann möchten Sie nicht schlafen.

Genau dieser Schreck kann auftreten, wenn Menschen mit Schlafstörungen nachts erwachen. Schon wieder wach, schon wieder ist die Nacht gelaufen. Die Antwort auf die Frage, ob hier alles in Ordnung ist, lautet dann ganz klar nein. Eben lagen Sie noch im Schlaf – kurz darauf aktiviert der Körper das Stresssystem und Sie sind wach.

Wie sich Schlaflosigkeit hochschaukelt

Die Aktivierung kann im Schlaf erfolgen, dann spricht man von Hyperarousal, also einer Aktivierung des Nervensystems. Oder sie folgt auf die Bewertung des Aufwachens, in diesem Fall ist die körperliche Erregung eine Folge der negativen Erfahrungen mit dem nächtlichen Erwachen. Diese Muster treten nicht bei allen Menschen gleichermaßen auf. Manche seien »hoch reaktive Schläfer«, schreibt ein Forschungsteam um den Schlafmediziner Christopher Drake in »Nature and Science of Sleep«.

Das Ausmaß der Schlafreaktivität sei teilweise genetisch bedingt und könne durch familiäre Vorbelastung befördert werden. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Und Stresserleben und Schlafreaktivität beeinflussen sich gegenseitig: Stress verstärkt Sorgen und nächtliches Grübeln, und beides belastet den Schlaf. Schlafmangel verstärkt dann das Stresserleben und maladaptive Reaktionen, also die emotional-kognitive Reaktivität auf Stress. Das bedeutet: Stress ist schwerer auszuhalten.

Die Schlafreaktivität beschreibt dann das Ausmaß, in dem Menschen mit Schlaflosigkeit auf Stress reagieren. Ist es höher, dann steigt auch das Risiko, an einer Insomnie zu erkranken. Stellen Sie sich eine Flipperkugel vor, die zwischen Stress und Schlaflosigkeit hin- und herspringt. Die Flipperkugel sind Sie. Und Sie müssen da weg.

Nachts wieder einschlafen: Das können Sie tagsüber tun

Die quälenden Stunden des nächtlichen Wachliegens sind schwer direkt zu beeinflussen. Für meine Klientin bedeutet das, dass sie über zwei Pfade an die Schlafstörung herangehen muss: Den einen betritt sie tagsüber, den anderen bei Nacht.

Tagsüber kann sie an ihrem Stresserleben arbeiten. Die Stressreaktivität lässt sich über Entspannungsverfahren gut beeinflussen. Autogenes Training hat sich dabei bewährt, weil bei den Übungen ein Bewusstsein für den Körper und dessen aktive Entspannung geschaffen wird. In einem Kurs lernen die Teilnehmenden, sich mit Autosuggestion bewusst zu entspannen. Dazu gehören Sätze wie:

  • Mein linker Arm ist schwer und warm.
  • Mein Atem fließt ruhig und gleichmäßig.

Mit nahezu täglicher Übung gelingt es bald, körperliche Stressreaktionen aktiv zu beeinflussen. Auch achtsamkeitsbasierte Verfahren funktionieren. Dabei lernen Betroffene, Gedanken und Sorgen bewusst wahrzunehmen, sie aber nicht aktiv zu verfolgen. Ein gängiges Format ist die Mindfulness Based Stress Reduction, die unter dem Titel MBSR-Kurs auch in Deutschland angeboten wird. Wenn Sie sich mit Meditation und Achtsamkeit derzeit nicht anfreunden möchten, dann probieren Sie es mit Sport. Auch dieser hilft beim Umgang mit Stress und macht müde.

Sorgen Sie sich nicht, wenn Sie zunächst schlechter schlafen. Der Effekt, dass eine Beschäftigung mit dem eigenen Schlaf zu Schlafstörungen führt, ist bekannt. Entspannungsverfahren wirken dauerhaft, weil sie das Denken grundlegend verändern können. Das klappt aber nicht sofort.

Das können Sie abends und in der Nacht tun

Erwachen Sie nachts mit einem Gefühl des Ausgeschlafenseins, dann probieren Sie, am Abend eine Stunde später ins Bett zu gehen. Dies könnte den Schlafdruck erhöhen und dazu führen, dass Sie bei Nacht so müde sind, dass Sie nach dem – wie gesagt: sehr normalen – nächtlichen Erwachen direkt wieder einschlafen. Auch Eltern mit unterbrochenem Schlaf kann dies helfen, nach der Sorgearbeit zurück in den Schlaf zu finden – gern kombiniert mit Entspannungsverfahren.

Ob für das Lernen, die Laune oder die Gesundheit – guter Schlaf ist lebenswichtig. Doch leider klagen viele Menschen über Schlaflosigkeit oder Schlafprobleme. In der Kolumne »Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf« gehen wir regelmäßig auf Hintergründe zum Thema Schlaf ein und geben Tipps, wie Sie (wieder) besser ein- und durchschlafen.

Klappt das nicht, dann geben Sie sich einen Moment Zeit. Bleiben Sie liegen, schauen Sie nicht auf die Uhr und schon gar nicht aufs Smartphone – nachts wartet darin vielleicht nichts als Schrecken und Sorge auf Sie. Lassen Sie sich Zeit, Sie haben ja gerade keine Termine. Machen Sie sich bewusst, dass Sie sicher sind. Im Bett passiert Ihnen nichts und schlaflose Nächte haben Sie schon früher überstanden.

Sobald das Wachliegen unangenehm wird, stehen Sie auf und verlassen Sie das Schlafzimmer. Dahinter steckt ebenfalls eine langfristige Überlegung: Das Schlafzimmer soll nicht länger ein Ort von Sorge und Anspannung sein. Dies bezeichnet man als Stimulus-Kontrolle und gilt als wirksam. Setzen Sie sich aufs Sofa, lesen Sie. Wenn Sie Hörbücher mögen, dann wählen Sie eines, das wenig aufregend gesprochen ist. Auch gute Sachbücher empfehlen sich hier. Legen Sie sich wieder hin, wenn Sie Müdigkeit verspüren. Es ist in Ordnung, wenn das etwas länger dauert. Sie machen nichts falsch, wenn Sie nachts aufwachen.

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