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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn Elektrosmog gefährlich wäre?

Seit es Handys gibt, wird darüber diskutiert, ob vom Elektrosmog eine Gefahr ausgeht. Und mittlerweile lauert sie überall, denn irgendwo steht schließlich immer ein Mobilfunkmast, so Wissenschaftskabarettist Vince Ebert.
Der Kabarettist Vince Ebert

Für viele ist das die Gretchenfrage der Wissenschaft: Wie hältst du's mit dem Handy? Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist davon überzeugt, dass Mobilfunk in irgendeiner Form gesundheitsschädlich ist. Von Kopfschmerzen, Tinnitus, Herzrasen bis hin zu Gehirntumoren. Tatsächlich gibt es dokumentierte Fälle, in denen Elektrosmog eindeutig Schlafstörungen zur Folge hat – wenn mitten in der Nacht das Handy klingelt. Besonders in städtischen Gebieten verursacht Elektrosmog unter der Bevölkerung Ängste und Bedenken. Statistische Erhebungen beweisen eindeutig, dass Menschen, die neben einem Handymast leben, deutlich häufiger Bürgerinitiativen gegen Elektrosmog gründen als Vergleichspersonen, die in einem Funkloch leben.

Aber Scherz beiseite. Was ist wirklich dran an der Gefährlichkeit von Elektrosmog? Um es vorwegzusagen: nicht sehr viel. Im Lauf der letzten Jahrzehnte wurden weltweit unzählige Studien durchgeführt, die herausfinden sollten, ob von Mobilfunknetzen in irgendeiner Form eine gesundheitliche Gefährdung ausgeht. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat dazu sogar zwischen 2002 und 2008 ein groß angelegtes, 17 Millionen Euro teures Forschungsprogramm durchgeführt. Die am Projekt beteiligten Wissenschaftler klopften so ziemlich alle Bereiche ab, die durch elektromagnetische Felder beeinflusst werden können: hormonelle Vorgänge, Zellreaktionen, Stoffwechsel, Gedächtnisverlust und und und …

Heraus kam: nichts! Nach 30 Jahren intensivem mobilem Telefonieren ist kein einziger Fall bekannt, bei dem es nachweislich zur Schädigung von Menschen durch Mobilfunkwellen kam. Außer natürlich den Typen, die bei 200 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn versuchen, die neueste App herunterzuladen. Die einzige messbare Auswirkung von Mobilfunkstrahlen auf den menschlichen Körper ist eine lokale Erwärmung des betroffenen Gewebes wegen der Absorption der Funkwellen. Die liegt allerdings in einer Größenordnung von 0,1 Grad Celsius. Ein Temperaturanstieg, den Sie mit Muttis Wollmütze ebenfalls locker hinkriegen.

Zunächst einmal ist Mobilfunkstrahlung nichts anders als eine elektromagnetische Welle. Genauso wie sichtbares Licht, wärmende Sonnenstrahlen oder die Radiowellen ihres Lieblingssenders. Wobei die Musik von Chris de Burgh oder Helmut Lotti auch ganz schön auf die Nerven gehen kann. Aber das hat andere Ursachen.

Entscheidend für die Gefährlichkeit von elektromagnetischer Strahlung ist ihre Frequenz. Gemessen wird sie in Hertz. Also die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde. Sichtbares Licht hat eine Frequenz von 1014 Hertz. Ist das gefährlich? Solange Sie nicht mit weit aufgerissenen Augen in die pralle Sonne schauen, kann nichts passieren. Einen Sonnenbrand bekommen wir übrigens nicht durch das sichtbare Sonnenlicht, sondern durch die ultraviolette Strahlung, die uns die Sonne quasi noch on top mitliefert. Die hat eine Frequenz von 1015 Hertz. Und das kann unter Umständen schon ganz schön weh tun. Auf der Haut und auch in den Augen. Wie jeder weiß, der schon mal eine Person gesehen hat, die 20 Jahre Solarium auf dem Buckel hat.

Röntgenstrahlen haben 1018 Hertz. Und dass die richtig gefährlich werden können, wissen Sie. Deswegen verlässt ihr Hausarzt auch vor jeder Röntgenaufnahme fluchtartig das Zimmer. Richtig fies sind Gammastrahlen mit einer Frequenz von über 1020 Hertz. Die sind so energiereich, dass sie problemlos in die menschlichen Zellen eindringen und dort die DNA schädigen oder gar zerstören. Tschernobyl lässt grüßen.

In welchem Bereich liegen nun Mobilfunkwellen? Schauen Sie einfach mal auf Ihrem Handy nach. Typische Mobilfunknetze senden bei etwa ein bis zwei Gigahertz. Das entspricht 109 Hertz. Mobilfunkwellen haben zirka 30 000-mal weniger Energie als sichtbares Licht. Wenn Sie also bei einer Bürgerinitiative gegen Elektrosmog auf die Straße gehen, dann sollten Sie das am besten nachts tun. Andernfalls setzen Sie sich einer elektromagnetischen Strahlung aus, die über 30 000-mal energiereicher ist als der Handymast.

Warum also fürchten sich trotzdem so viele Menschen vor Elektrosmog, obwohl es keine wissenschaftlich fundierten Hinweise auf eine Gesundheitsgefahr gibt? Vielleicht, weil Handystrahlen zwei entscheidende psychologische Nachteile haben. Erstens: Sie sind unsichtbar. Und eine vermeintliche Gefahr wirkt auf uns umso bedrohlicher, je weniger deutlich sie in Erscheinung tritt. Daher fürchten sich viel mehr Menschen vor Funkwellen als vorm Autofahren. Zweitens: Mobilfunkanbieter sind große, mächtige Konzerne. Organisationen, denen viele Menschen per se nicht über den Weg trauen. Und auch, wenn die Skepsis mitunter sogar berechtigt ist, lässt sich unter Abwägung aller Gefahren und Nebenwirkungen sagen: Nicht das Vorhandensein von Elektrosmog ist ein konkretes Gesundheitsrisiko, sondern die Abwesenheit in Form eines Funklochs, die eine schnelle Hilfe im Notfall verhindert. Denn Handys retten Menschenleben. Jeden Tag. Tausendfach.

Mehr über den Wissenschaftskabarettisten und Bestsellerautor finden Sie unter www.vince-ebert.de.

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