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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn es einen intelligenten Designer gäbe?

Ist der komplexe Kosmos wirklich nur Zufall? Oder hat ein intelligenter Urheber alles vom Paradies bis RTL II geplant? Wissenschaftskabarettist Vince Ebert setzt auf die Evolution.
Der Kabarettist Vince Ebert

Unser Körper ist ein wahres Wunderwerk. Das menschliche Schienbein beispielsweise ist ein nahezu perfektes Sinnesorgan, um im Dunkeln scharfkantige Möbelstücke zu finden. Kann so etwas Hochkomplexes wie der Mensch nur durch reinen Zufall entstanden sein? Muss da nicht ein geheimnisvoller, schöpferischer Plan dahinterstecken? 2007 ergab eine repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung die Evolutionstheorie als Erklärung für die Vielfalt des Lebens ablehnen.

Die Befragten waren überzeugt, der langwierige Entwicklungsprozess vom einfachen Einzeller bis hin zu einem komplexen Lebewesen wie David Hasselhoff könne nur durch die zentrale Steuerung einer höheren Macht zu Stande gekommen sein. Die Anhänger dieses Gegenentwurfs zur Evolutionstheorie nennen ihre Idee "Intelligent Design". Im Gegensatz zu den Kreationisten nehmen sie keinen Bezug auf die Bibel, sondern lassen die Identität des Schöpfers offen. Dadurch postulieren sie einen wissenschaftlichen Ansatz und sind mit allen Gottesvorstellungen kompatibel.

Betrachtet man die Idee allerdings etwas genauer, so treten viele Widersprüche auf. Wenn uns angeblich tatsächlich ein kluger, allmächtiger Designer erschaffen hat, warum hat er dann so etwas Unnötiges wie den Blinddarm entwickelt? Gut, vielleicht war er Chirurg …

Wenn man sich etwas intensiver im menschlichen Körper umschaut, muss man ohnehin an einem intelligenten Designer zweifeln. Das linke Ohr ist mit der rechten Hirnhälfte verbunden, Luft- und Speiseröhre sind gekreuzt, die Abwasserleitung läuft direkt durch das Vergnügungsviertel. Kein Bauleiter würde so eine Butze abnehmen. Intelligenter Schöpfer hin oder her – Innenarchitektur ist mit Sicherheit nicht seine Stärke.

Aber die Evolution strebt eben nicht nach Perfektion. Genauer gesagt "strebt" sie nach gar nichts. Sie beruht auf einem Zusammenspiel zufälliger Veränderungen, die an neue Bedingungen angepasst sind oder eben nicht. Die Evolution ist eine Geschichte von zahllosen Fehlversuchen, verzweifelten Notlösungen, unendlichen Neuanfängen und bizarren Umwegen. Sie hat blitzschnelle Geparde hervorgebracht, aber auch Faultiere, die sich mit der Geschwindigkeit einer Parlamentsdebatte fortbewegen.

Würde die Naturgeschichte noch einmal ablaufen, so verliefe sie vollkommen anders. Genau das ist wahrscheinlich der Grund, weshalb die Evolutionstheorie bei christlichen Fundamentalisten so unbeliebt ist. Weil sie zeigt, dass der pure Zufall zu unserer Existenz führte. Und kaum einen anderen Gedanken können wir Menschen so schlecht akzeptieren wie die Idee, dass wir nicht der Höhepunkt von irgendetwas sind.

Die Evolution arbeitet nicht mit festen Plänen und Zielvorgaben, sondern mit offenen Möglichkeiten. Wenn irgendeine besondere Fähigkeit oder Eigenschaft die Anzahl der Nachkommen erhöht, dann setzt sich diese Fähigkeit mit der Zeit durch. Das ist eine banale, statistische Rechnung. Kritiker der Evolutionstheorie sehen das naturgemäß anders. Immer wieder kommen nach meinen Auftritten einzelne Zuschauer auf mich zu und sagen etwas pikiert: "Na ja, aber die Evolution ist schließlich nur eine Theorie …" Und damit haben sie sogar Recht. "Natürlich ist die Evolution 'nur' eine Theorie", antworte ich dann immer. "Gravitation ist auch 'nur' eine Theorie. Trotzdem springt keiner vom Dach, weil sie 'nur' eine Theorie ist."

"Aber wie zum Teufel kann etwas so Hochkompliziertes wie das menschliche Auge denn entstanden sein?", fahren die Kritiker dann fort. "Das kann nie und nimmer ein ungeplanter Prozess gewesen sein. Dahinter muss ein schöpferischer Plan stecken." Dazu haben bereits 1994 die beiden Forscher Daniel Nilson und Suzanne Pelger eine wissenschaftliche Publikation veröffentlicht. Sie kreierten ein einfaches Computermodell für die Evolution eines lichtempfindlichen Flecks von Zellen. Diese Zellen konnten sich in jeder Generation geringfügig in Gestalt und Geometrie verändern. Nilson und Pelger starteten eine Computersimulation, die sie so programmierten, dass die Lichtempfindlichkeit pro Generation immer etwas besser werden sollte. Nach rund 100 000 durchlaufenen Generationsschritten hatte sich der ursprünglich lichtempfindliche Fleck in etwas verwandelt, was dem menschlichen Auge verblüffend nahekam: Es war eine flexible Linse entstanden, die ihren Brechungsindex beliebig variieren konnte, um die Fokussierung auf unterschiedlich weit entfernte Gegenstände zu verbessern. Erzählen Sie das mal einem bibeltreuen Christen.

Sicherlich liefert die Evolutionstheorie nicht alle Antworten. Aber sie ist ein ziemlich pfiffiger Ansatz, mit dem man extrem viele Phänomene in der Natur erklären kann. Das Konzept des Intelligent Design dagegen hat gar keinen Ansatz. Es lebt schlicht und einfach davon, dass es die Evolutionslehre für unglaubwürdig erklärt. Doch noch schlimmer: Die Anhänger des Intelligent Design verkaufen ihre Ideologie als Wissenschaft. Eine Ideologie, die nachweisbare Erkenntnisse unterdrückt und auf Ignoranz und Dogmatismus beruht. Somit beinhaltet die Lehre vom Intelligent Design nicht nur die Abkehr vom wissenschaftlichen Denken, sondern auch die Abkehr von Freiheit und Demokratie.

Unter www.vince-ebert.de finden Sie mehr zum wissenschaftlichen Denken. Mit seinem Erfolgsprogramm "Zukunft is the Future" ist Vince Ebert deutschlandweit auf Tour.

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