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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn Softdrinks verschreibungspflichtig wären?

Einige Softdrinks enthalten nicht nur Zucker, Wasser und ein paar Farbstoffe, sondern auch Bestandteile, die man eher im Medikamentenschrank vermutet, so Wissenschaftskabarettist Vince Ebert.
Der Kabarettist Vince Ebert

Viele Erfindungen basieren auf purem Zufall. Der Mediziner Alexander Fleming experimentierte 1928 mit Staphylokokken. Dabei ließ er eine mit Pilzsporen verunreinigte Bakterienkultur aus Versehen ein paar Tage stehen. Der Schimmel, der sich dabei bildete, war die Grundlage für das Penizillin. Ein Traum für viele Medizinstudenten: einfach ein paar Tage das Labor verlottern lassen und dafür noch einen Nobelpreis bekommen! Heute würde dann allerdings nicht Stockholm anrufen, sondern nur das Messie-Team von RTL II.

Viagra wurde übrigens entdeckt, weil die männlichen Versuchspersonen ein Herzmedikament in der Testphase partout nicht mehr absetzen wollten. Ich liebe angewandte Wissenschaft!

Als der Apotheker John S. Pemperton vor 125 Jahren ein neues Erfrischungsgetränk entwickeln wollte, mischte er koffeinhaltige Kolanüsse mit den Blättern von Erythroxylum coca, dem Cocastrauch – die inzwischen weltberühmte Coca-Cola war in ihrer Ursprungsform so ganz nebenbei also auch noch Schmerzmedikament und Aufputschmittel.

Das Rezept hat sich seitdem nicht geändert. Nur das Kokain, das der Coca den Namen gab, wird inzwischen, zum Glück, vor dem Brauen aus den Coca-Blättern entfernt. Man stelle sich nur die Sauerei vor, wenn sich die Leute mit dem Strohhalm das Zeug in flüssiger Form durch die Nase ziehen würden.

Tatsächlich enthalten einige Softdrinks auch heute noch pharmakologisch wirksame Stoffe. Der Energiedrink Red Bull Cola wurde 2009 sogar kurzfristig aus dem Verkehr gezogen, weil er Spuren von Koks enthält. Allerdings müssten Sie davon etwa 100 000 Liter trinken, bis Sie eine euphorisierende Wirkung spüren. Und mit einem solchen Wasserbauch verliert jeder Drogenrausch eindeutig seine Faszination. Deswegen hält sich auch die Beschaffungskriminalität in Grenzen.

Dennoch gibt es wirklich Softdrinks, die genau genommen verschreibungspflichtig sein müssten: Tonicwater oder Bitter Lemon zum Beispiel enthalten Chinin in einer durchaus pharmakologisch wirksamen Dosis. Der Frage »Heute schon geschweppt?« müssten die Werber also eigentlich noch hinterherschicken: »Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.«

Und von diesen Nebenwirkungen gibt es eine Vielzahl: Chinin in hoher Dosis kann Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit, Erbrechen und sogar Leberschäden hervorrufen. Was natürlich auch an dem Wodka liegen könnte, mit dem Sie Ihr Tonicwater üblicherweise strecken. Manchmal ist es schwer, den wahren Feind zu erkennen. In Rohform ist Chinin ein bitter schmeckendes, kristallines, weißes Pulver, wird aus der Rinde des Chinarindenbaums (Cinchona) gewonnen und zählt zur Gruppe der Alkaloide. Nachdem ich mich in den vorangegangenen Sätzen über die Gefährlichkeit dieses Stoffes ausgelassen habe, nun mal was Positives. Aufgepasst! Chinin wirkt fiebersenkend, schmerzstillend und wird zur Behandlung von nächtlichen Wadenkrämpfen eingesetzt. Bereits zwei Flaschen Bitterlimonade enthalten so viel davon, wie in einer handelsüblichen Tablette vorhanden ist.

Chinin verhindert außerdem die Bildung des Enzyms Hämpolymerase und hemmt damit die Nukleinsäuresynthese der ungeschlechtlichen Malariaüberträger. Kurz gesagt: Chinin ist ein wirkungsvolles Malariamedikament und wurde tatsächlich in Afrika lange Zeit zur Behandlung und Vorbeugung eingesetzt.

Auch gegenüber anderen Organismen zeigt Chinin abtötende Wirkung: Bakterien, Hefen und – Vorsicht! – Spermatozoen. Pharmakologen schätzen, dass durch den täglichen Konsum von mehreren Litern Tonicwater ein Verlust der männlichen Potenz nicht ausgeschlossen ist. Bei Frauen dagegen wirkt sich Chinin in hohen Dosen anregend auf die Gebärmuttermuskulatur aus. In Einzelfällen können damit sogar Wehen ausgelöst werden. Die andererseits vollkommen sinnlos sind, wenn sich der männliche Partner mit Gin Tonic in die Impotenz gesoffen hat. Sollten Sie also nicht gerade in einem Malariagebiet leben, wechseln Sie lieber auf Wodka Orange mit einem Schuss Gin. Und lassen den Wodka weg. Und den Gin am besten auch.

Vince Ebert geht mit seinem Kabarettprogramm »Zukunft is the Future« bis Ende Mai 2019 in die letzte Runde. Tickets und Termine finden Sie unter www.vince-ebert.de.

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